Rückkehr der Regulierung: Wissen, Theorie und Instrumente

Rückkehr der Regulierung: Wissen, Theorie und Instrumente

Veranstalter
Institut für Wissenschafts- und Technikforschung und Graduiertenkolleg 724, "Auf dem Weg in die Wissensgesellschaft", Universität Bielefeld
Veranstaltungsort
Ort
Bielefeld
Land
Deutschland
Vom - Bis
02.12.2010 - 03.12.2010
Deadline
15.10.2010
Von
Carsten Reinhardt

Regulierung und das mit ihr verbundene Wissen sind für moderne Gesellschaft konstitutiv. Als Wissensgesellschaft prägen sie die Praktiken der Wissensregulierung und des Regulierungswissens: Wissenschaft ist nicht nur wissensgenerierend, sondern auch handlungsanleitend; Regulierung nicht nur steuernd, sondern auch selbst vom Wissen gesteuert. Wissenschaftsforschung im Zeichen der Wissensgesellschaft muss deshalb Wissenschaft und Regulierung in ihren reflexiven Bezügen zum Thema machen.
Die Tagung „Die Rückkehr der Regulierung: Wissen, Theorie und Instrumente“ nähert sich diesem Thema aus drei Perspektiven: der Theorie des Regulierungswissens, der Selbst- und Fremdregulierung von Wissenschaft und Bildung sowie den Regulierungsinstrumenten. Insbesondere Wissenschaftsgeschichte, Wissenschaftsphilosophie und Wissenschaftssoziologie sind hier zur Diskussion aufgerufen. Herzlich willkommen sind zudem Beiträge und Ansätze anderer Disziplinen, darunter Wissenschaftsökonomie und -anthropologie, Technik- und Wirtschaftsgeschichte sowie die Rechtswissenschaften.
Je ein Vortragsblock führt mit Referenten wie Lutz Wingert, Alfons Bora, Uwe Schimank, Wolfgang Hoffmann-Riem, Rüdiger Hachtmann und Bettina Heintz in die drei Perspektiven ein. Sie werden abgerundet durch Workshops zu den drei Kernthemen der Tagung.
Wir rufen zum Angebot von Beiträgen für diese drei Workshops auf. Abstracts von 3.000 bis 5.000 Zeichen können unter Angabe des gewünschten Workshops bis zum 15. Oktober 2010 gesendet werden an Alexandra Wiebke (gk724@uni-bielefeld.de).

Workshop I: Theorie des Regulierungswissens

Regulierungswissen als Objekt theoretischer Betrachtung ist ein ambivalenter Gegenstand. Zunächst ist eine dem Regulierungskontext geschuldete inhärente Normativität zu konstatieren. Diese ist jedoch eng verknüpft mit prima facie rein deskriptiven Wissensbeständen, aus denen sie auch einen Großteil ihrer Legitimation schöpft.
Die Schnittstelle zwischen der wissenschaftlich beschreibenden und der steuernd eingreifenden Herangehensweise wird im Fokus des Workshops liegen. Aus den drei beteiligten Disziplinen der Wissenschaftsforschung werden Beiträge erwünscht, die den transformativen Charakter des Regulierungswissens ins Zentrum der Beobachtung stellen.
Aus philosophischer Perspektive ist die Verbindung zwischen deskriptiven und normativen Aussagen problematisch. Zentral ist hierbei die Frage, wie das Vorhandensein der im Regulierungswissen explizit werdenden Normativität rational rekonstruiert werden kann, ohne auf den berüchtigten naturalistischen Fehlschluss rekurrieren zu müssen.
Aus soziologischer Perspektive ist einerseits die Frage interessant, wie der Wissenstransfer von der Wissenschaft in den Anwendungskontext im Falle der Regulierung abläuft. Gibt es hier bereichsspezifische Besonderheiten, die den Komplex des Regulierungswissens auszeichnen? Andererseits kann eher wissenssoziologisch untersucht werden, wie der Bezug auf Anwendungen im Regulie-rungswesen die Konstruktion wissenschaftlichen Wissens beeinflusst.
Geschichtswissenschaftliche Beiträge sollen die Frage nach den historischen Bedingungen und Entwicklungen stellen, die den Umschlag von deskriptivem Wissen in normatives Wissen ermög-lichten. Erwünscht sind auch Fallstudien, die die Wechselseitigkeit von gesellschaftlichen und politischen ‚Erwartungshaltungen’ sowie wissenschaftlichen ‚Machbarkeiten’ illustrieren.
Im Workshop sollen jeweils zwanzigminütige Vorträge mit anschließender zwanzigminütiger Diskussion gehalten werden.

Workshop II: Selbst- und Fremdregulierung von Wissenschaft

Wie steht es um die regulative Verfasstheit von Wissenschaft?
Wissenschaft und Universitäten sehen sich derzeit einem verschärften Legitimationsdruck ausgesetzt. In Politik, Wirtschaft und einigen (inter-)nationalen Organisationen werden Forderungen erhoben, die universitäre Forschung und Lehre stärker als bisher an gesellschaftlichen Verwertbarkeitsinteressen zu orientieren und durch externe Qualitätskontrollen zu regulieren. Auf Seiten der akademischen Profession wird diesen Forderungen die Befürchtung entgegengehalten, dass Wissenschaft und Universitäten daraufhin jene Autonomie einzubüßen drohten, die für ihre Integrität und Produktivität unentbehrlich sei.
Der Workshop widmet sich der Beziehung zwischen Selbst- und Fremdregulierung von Wissenschaft und Universitäten sowohl in historischer als auch gegenwartsbezogener Perspektive. Problematisiert werden soll das Spannungsverhältnis, in welchem Bedingungen und Effekte externer Regulierung einerseits und soziale und kognitive Mechanismen wissenschaftlicher Selbstregulierung andererseits zueinander stehen.
In historischer Perspektive ist von Interesse, inwiefern aktuelle Reformdebatten an historische Vorgängerdebatten anknüpfen. Welche Kontinuitäten und Diskontinuitäten sind zu beobachten? Inwiefern wurden historische Referenzgrößen wie etwa Humboldt zu verschiedenen Zeiten bzw. innerhalb einer Reformdebatte unterschiedlich ausgelegt? Wie werden historische Vorbilder als kulturelle Filter wirksam, die die Konzeption und Umsetzung bestimmter Reformen befördern oder behindern?
In der Gegenwartsperspektive berührt die Diskussion um Selbst- und Fremdregulierung von Wissenschaft und Universitäten vor allem zwei Themen: Das erste betrifft die Formalisierbarkeit und Standardisierbarkeit der Leistungsbewertung universitärer Forschung und Lehre mithilfe quantitativer Indikatoren. Das zweite betrifft die Neuordnung universitärer Entscheidungsstrukturen. Den Kontext dieser Diskussion bilden wissenschafts- und bildungspolitische Reformvorhaben, die in der Einführung eines Neuen Steuerungsmodells, dem Bologna-Prozess und der Exzellenzinitiative bestehen. Für den Workshop ist hierbei insbesondere von Interesse, welche Verschiebungen im Verhältnis der beiden Regulierungsformen sich konkret beobachten lassen. Werden bisherige Mechanismen der Selbstregulierung durch neuartige auf der Seite der Fremdregulierung ergänzt oder aufgehoben; kommt es zu hybriden Ausprägungen? Welche intendierten und nicht-intendierten Effekte der Reformvorhaben stellen sich ein? Ziehen die Reformen Konsequenzen für Disziplinarität und akademische Professionalität nach sich?
Es wird um Abstracts gebeten, die Beiträge zu diesen oder verwandten Fragen skizzieren. Hierbei sind sowohl theoretische als auch empirische Analysen willkommen.
Der Workshop richtet sich primär an Doktoranden und Postdoktoranden und soll einen Rahmen bieten, in dem die interdisziplinäre Diskussion der Beiträge angeregt werden soll. In den insgesamt vier Sessions (à 1:15 h) des zweitätigen Workshops werden jeweils zwei Referenten einen Vortrag von 15 min halten, der anschließend von ihren Ko-Referenten kommentiert (10 min) wird, bevor sich eine gemeinsame Diskussion (10-15 min) anschließt.

Workshop III: Regulierungsinstrumente

Der Workshop widmet sich den rechtlichen, politischen und wissenschaftlichen Formen, mit denen Regulierung ausgeübt wird – mit einem Fokus auf Instrumenten, die zugleich in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen Geltung besitzen, sich dabei aber in ihrer Funktion oder Bedeutung ändern. Herausragende Beispiele für solche Instrumente sind der Einsatz von Quantifizierung und deliberative Verfahren. Diese spielen gerade in der Evaluation von Steuerungsversuchen eine zent-rale Rolle. Besonders erwünscht sind daher Beiträge zu diesen Themenfeldern.
Der Einsatz von deliberativen Verfahren (runde Tische, Experten-Stakeholder-Verfahren, Ethik- und Aussöhnungskommissionen) kann als Reaktion auf Defizite staatlicher Steuerung aufgrund einer gestiegenen Komplexität und einer Pluralisierung des Entscheidungsraumes in modernen, funktional differenzierten Gesellschaften bewertet werden. Trotz ihrer unterschiedlichen Stellung innerhalb und außerhalb des rechtlichen und politischen Institutionengefüges werden von deliberativen Verfahren Legitimitäts- und Rationalitätsgewinne, sowie erhöhte Konfliktlösungskapazitäten erwartet, die unter anderem auf breite Partizipation, Expertise und non-hierarchische Kommunikationsformen zurückgeführt werden. Während in der theoretischen Diskussion bislang politikwissenschaftliche Ansätze überwiegen, zeigt sich in der empirischen Deliberationsforschung ein Trend, die Überprüfung der Leistungen und Grenzen von deliberativen Verfahren an soziologische Fragestellungen zu binden.
Der Erfolg und die Häufigkeit des Einsatzes von Quantifizierung wird auf verschiedene Faktoren zurückgeführt, etwa die Herstellung von Vergleichbarkeit, eine vereinfachte Kommunizierbarkeit, die Reduktion von Komplexität und schließlich eine maximale Objektivität. Hier ergeben sich eine ganze Reihe möglicher Themen, die im Workshop behandelt werden können: Ist Quantifizierung in Regulierungskontexten tatsächlich so erfolgreich und ubiquitär wie es den Anschein hat? Wie könnte diese Frage beantwortet werden? Sind es dann wirklich die genannten Faktoren, die dieses Ergebnis hervorbringen (können) oder gibt es andere? Auf welchen Voraussetzungen beruhen die Faktoren und wie ist es um deren Erfüllung in (bestimmten) Regulierungskontexten bestellt?
Evaluationen haben sich insbesondere im Wissenschaftssystemen etabliert und dienen zunehmend als Entscheidungsgrundlage für Ressourcenallokationen, national wie international. Als Beurteilungs- und Regulierungsinstrumente stehen sie stark im Fokus der Wissenschaftspolitik, nicht zuletzt aufgrund sich häufender Kritiken. Was aber genau ist Evaluation, jenseits eines modernen Rituals? Verändern Evaluationen die wissenschaftliche Praxis? Welcher Zusammenhang besteht zwischen Evaluation und wissenschaftspolitischer Steuerung und welche Auswirkungen haben Evaluationen auf Evaluatoren und Evaluierte?
Der Workshop beinhaltet Überblicksvorträge zu Theorie und Praxis von Regulierungsinstrumenten durch Dagmar Simon und Frieder Meyer-Krahmer. Die weiteren Vorträge der Teilnehmer sollen eine Länge von 25 min haben, an die sich jeweils eine Diskussion im Plenum von 15 min Länge anschließt.

Programm

Donnerstag, 2. Dezember 2010
08:30 Anmeldung
09:00 Eröffnung durch die Veranstalter

Vortragsblock I: Theorie des Regulierungswissen
09:30 Vortrag Lutz Wingert, Zürich
10:30 Vortrag Alfons Bora, Bielefeld
11:30 Kommentar: Marc Moelders. Berlin
12:00 Mittagspause

Vortragsblock II: Selbst- und Fremdregulierung von Wissenschaft
13:30 Vortrag Uwe Schimank, Bremen
14:30 Vortrag Rüdiger Hachtmann, Potsdam
15:30 Kommentar: David Kaldewey, Bielefeld
16:00 Kaffeepause

Parallele Workshops
16:30 Workshop I: Theorie des Regulierungswissens
Workshop II: Selbst- und Fremdregulierung von Wissenschaft
Workshop III: Regulierungsinstrumente
19:00 Abendessen

Öffentlicher Abendvortrag
20:00 Wissenschaftsforschung in Bielefeld (Peter Weingart)
21:00 Diskussion am Kamin

Freitag, 3. Dezember 2010
Vortragsblock III: Regulierungsinstrumente
09:30 Vortrag Wolfgang Hoffmann-Riem, Hamburg
10:30 Vortrag Bettina Heintz, Bielefeld
11:30 Kommentar: Anna Henkel, Bielefeld
12:00 Mittagessen

Parallele Workshops
13:30 Workshop I: Theorie des Regulierungswissens
Workshop II: Selbst- und Fremdregulierung von Wissenschaft
Workshop III: Regulierungsinstrumente

Abschlussveranstaltung
15:30 Resümee der Veranstalter
16:30 Abreise

Kontakt

Alexandra Wiebke

IWT, Universität Bielefeld, Postfach 100131

gk724@uni-bielefeld.de

http://www.uni-bielefeld.de/iwt/gk/