Der Staat und die Ordnung der Wirtschaft 1871 bis zur Gegenwart. Theodor-Heuss-Kolloquium 2010

Der Staat und die Ordnung der Wirtschaft 1871 bis zur Gegenwart. Theodor-Heuss-Kolloquium 2010

Veranstalter
Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus
Veranstaltungsort
Tagungszentrum Hohenheim der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart
Ort
Stuttgart
Land
Deutschland
Vom - Bis
28.10.2010 - 30.10.2010
Deadline
30.09.2010
Von
Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus

Die moderne Gesellschaft ist von einer Grundspannung zwischen der zyklischen Eigendynamik einer kapitalistischen Marktwirtschaft und den Bedürfnissen nach politischer und sozialer Integration gekennzeichnet. Diese Grundspannung fand und findet ihren Niederschlag in politischen Ordnungsentwürfen für die Wirtschaft, die aber ihrerseits wiederum stets nur von begrenzter Dauer waren, da keine Ordnung die ökonomische Dynamik dauerhaft bewältigen konnte. Selbst radikale Ordnungsentwürfe und sich anschließende politische Praktiken, wie sie für den Bolschewismus und den Nationalsozialismus typisch waren, konnten sich nicht zuletzt aufgrund ökonomischer Ineffizienzen nicht behaupten. Aber auch weniger radikale Ordnungsvorstellungen liberaler oder wohlfahrtsstaatlicher Art waren und sind mit Geltungskrisen konfrontiert, die wiederum den Boden für zum Teil grundlegende Paradigmenwechsel bereiteten. Auf der Tagung soll es um die Diskussion dieser Grundspannung von Ordnungsentwurf und ökonomischer Praxis am Beispiel ausgewählter historischer Krisenkonstellationen gehen, in denen ältere Ordnungsentwürfe verblaßten und neue entstanden, die dann ihrerseits wiederum in den folgenden Krisen auf die Probe gestellt wurden. Hans-Jörg Siegenthaler hat diesen Zyklus von Prosperität und Krise, vom Aufbau und vom Verlust von, wie er es nennt, Regelvertrauen beschrieben. Es dürfte weiterführend sein, nicht zuletzt in der Perspektive seiner Überlegungen, herausragende Bruchkonstellationen in der Wirtschafts- und Politikgeschichte der vergangenen einhundertfünfzig Jahre zu thematisieren. Die Referenten sollten jeweils die reale ökonomische Entwicklung, die Krise des älteren Ordnungsdenkens, die Gegenentwürfe und deren praktische Folgen bzw. deren Ausbleiben diskutieren und dabei stets auch ihr Thema diachron einordnen, da offensichtlich der Prozeß der Entwicklung ordnungspolitischer Vorstellungen zunehmend selbstreflexiv wurde, insbesondere also der Erfolg bzw. das Scheitern älterer Entwürfe in zunehmendem Maße zu einem aktuellen Argument wurde. Auch sollte der jeweilige Suchprozeß nach ordnungspolitischen Alternativen in seiner Zeitlichkeit ernst genommen werden, insbesondere die Tatsache, daß in Krisen alternative, mehrheitsfähige Ordnungsentwürfe ja keineswegs automatisch entstehen, sondern der Zerfall ordnungspolitischer Gewißheiten durchaus auch längere Phasen der Verunsicherung auslösen kann, die dann ihrerseits krisenverschärfend wirken. Erst in einem derartigen Kontext dürfte etwa, um ein Beispiel zu nennen, die Bedeutung von Erhards Reformen 1948 sichtbar werden, die ja nur zum Teil in realen Erfolgen ihren Niederschlag fanden, sondern vor allem eine radikale ordnungspolitische Wende in einer Zeit bedeuteten, in der ordnungspolitischer Streit und ordnungspolitische Unsicherheit vorherrschten. Kurz: es geht um das Verhältnis von Krisenverlauf, Wissen, Wissensgenerierung und Krisenüberwindung, wobei dieser Prozeß zyklisch verläuft, die jeweilige Krisenlösung also das in der kommenden Krise überlebte Modell sein kann, und diese Zyklizität den Beteiligten auch in zunehmendem Maße bewußt wird. Wichtig erscheint es in diesem Zusammenhang. in den Referaten auf die internationale Perspektive zu verweisen und die spezifische Entwicklung in Deutschland mit derjenigen in Großbritannien und den USA kritisch zu vergleichen. Weiterführend sind hier die Überlegungen, die Ivan T. Berend in seinem Werk zu konkurrierenden Ordnungsmodellen von „Markt und Wirtschaft“ (2007) auf gesamteuropäischer Ebene für die Zeit seit dem 18. Jahrhundert angestellt hat. Das Theodor-Heuss-Kolloquium besteht aus den wissenschaftlichen Fachvorträgen, einem öffentlichen Abendvortrag zu einem allgemeinen Thema und einer Abschlussdiskussion. Hier kann die generelle historische Problematik am Beispiel der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise debattiert werden. Grundsätzlich soll es bei dem Kolloquium darauf ankommen, genügend Zeit zur Diskussion zu finden.

Tagungsleiter: Prof. Dr. Werner Plumpe / Prof. Dr. Joachim Scholtyseck.

Programm

Donnerstag, 28.10.

15.00 Uhr Anreise

15.30 Uhr Begrüßung
Einführung (Werner Plumpe / Joachim Scholtyseck)

Sektion I

Moderation: N.N.

15.45–16.15 Uhr Der Gründerkrach, die Krise des liberalen Paradigmas und der Aufstieg des „Kathedersozialismus“ (Werner Plumpe, Frankfurt a.M.)

16.15-16.45 Uhr Der Untergang der kaiserzeitlichen Ordnung und die vergebliche Suche nach einem neuen ordnungspolitischen Paradigma in Inflation und Weltwirtschaftskrise (Roman Köster, Frankfurt a.M.)

16.45-17.45 Uhr Kaffee / Diskussion

18.00 Uhr Abendessen

Freitag, 29.10

Sektion II
Moderation: N.N.
9.00–9.30 Uhr Der Nationalsozialismus als paradigmatische Antwort auf die ökonomische und politische Krise der 1930er Jahre?
(N.N)

9.30-10.00 Uhr Die wirtschaftspolitischen Ordnungsvorstellungen der Widerstandskreise im „Dritten Reich“
(Michael Kißener, Mainz)

10.00-11.00 Uhr Kaffee und Diskussion

11.00-11.30 Uhr Ludwig Erhards Soziale Marktwirtschaft als radikale Ordnungsinnovation und die Realität des Wirtschaftswunders
(Joachim Scholtyseck, Bonn)

11.30-12.15 Uhr Diskussion

12.30 Uhr Mittagessen

Sektion III
Moderation: N.N.
14.30-15.00 Uhr Die kurze Blüte von Keynesianismus und Globalsteuerung
(Alexander Nützenadel, Berlin)

15.00-15.30 Uhr „Neoliberalismus“ als wirtschaftspolitisches Ordnungsmodell?
Die Bundesrepublik Deutschland in den 1980er Jahren
(Andreas Wirsching, Augsburg)

15.30-16.30 Uhr Kaffee und Diskussion

16.30-17.00 Uhr Das Problem der ökonomischen Ordnung
im internationalen Vergleich (Nils Goldschmidt, Neubiberg)

17.00-17.45 Uhr Diskussion

18.00 Uhr Abendessen

19.00 Uhr Bustransfer zum Rathaus Stuttgart

20.00 Uhr Was kann der Staat, was darf die Wirtschaft?
(Karen Horn, Köln)
Öffentlicher Abendvortrag im Großen Sitzungssaal
des Stuttgarter Rathauses
Im Anschluss Empfang der Landeshauptstadt Stuttgart
22.30 Uhr Bustransfer zur Tagungsstätte Hohenheim

Samstag, 30.10.

Sektion IV
Moderation: N.N.

9.00-9.30 Uhr Die DDR als ökonomische Konkurrenz: das Scheitern des „zweiten deutschen Staates“ als wirtschaftliche Vergleichsgesellschaft
(André Steiner, Potsdam)

9.30 –10.00 Uhr Die Wiedervereinigung und die Ordnung der bundesdeutschen Wirtschaft: Ein Erfolgsmodell? (Karl-Heinz Paqué, Magdeburg)

10.00-11.00 Uhr Kaffee und Diskussion

11.00-12.00 Uhr Abschlussdiskussion: Die Weltfinanzkrise und der Niedergang des angelsächsischen Paradigmas?

12.30 Uhr Mittagessen

13.30 Uhr Abreise

Kontakt

Thomas Hertfelder

Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus
Im Himmelsberg 16, 70192 Stuttgart
0711/9559850
0711/95598530
thomas.hertfelder@stiftung-heuss-haus.de

http://www.stiftung-heuss-haus.de
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