Stimmen der Freiheit – westliche Provokation? 60 Jahre Radio Free Europe in München und Prag

Stimmen der Freiheit – westliche Provokation? 60 Jahre Radio Free Europe in München und Prag

Veranstalter
Prof. Dr. Martin Schulze Wessel und Dr. Robert Luft (Collegium Carolinum, München); Dr. Zuzana Jürgens (Tschechisches Zentrum München); tschechische Kooperationspartner in Prag
Veranstaltungsort
Ort
München / Praha
Land
Deutschland
Vom - Bis
28.04.2011 - 30.04.2011
Deadline
20.10.2010
Website
Von
Anna Bischof

„Volá hlas svobodného Československa, rozhlasová stanice Svobodná Evropa…(Hier spricht die Stimme der freien Tschechoslowakei, das Radio Freies Europa...)“ – mit diesen Worten nahm der amerikanische Radiosender „Radio Free Europe“ (RFE) in München am 1. Mai 1951 seinen regulären Sendebetrieb auf. In rascher Folge entstanden Programme für weitere Länder des östlichen Europa. Heute sendet RFE/RL von Prag aus in zahlreiche arabische und asiatische Länder sowie in Staaten der GUS.

In den Auseinandersetzungen zwischen „West“ und „Ost“, zwischen „freien Demokratien“ und sozialistischen „Volksdemokratien“, erlangten Rundfunksender in der Nachkriegszeit eine neue Qualität: Anders als die traditionellen Medien konnten Radiowellen den „Eisernen Vorhang“ durchdringen. Dem Radio – als relativ jungem Medium – kam daher in den 1950er Jahren in Europa für die Vermittlung von Informationen, Weltbildern, Meinungen und Gerüchten über Staats- und Blockgrenzen hinweg eine ganz neue Bedeutung zu – ähnlich wie heute dem Internet. Radio Free Europe gestaltete „Bilder“ vom „Osten“ als auch vom „Westen“ – und dies sowohl im östlichen wie im westlichen Europa – maßgeblich mit und kann insofern als ein wichtiger und kontinuierlich tätiger Akteur des „Kalten Krieges“ gelten.

Radio Free Europe beschäftigte bis 1989 vor allem Emigranten aus Ostmittel-, Südost- und Osteuropa, die mit ihren Sendungen für ihre Heimatländer und für ihre dortigen Landsleute eine alternative Berichterstattung über die politische und gesellschaftliche Lage im Land sowie über die „westliche“ Kultur bereitstellten. Obgleich der Empfang von Radio Free Europe in den sozialistischen Staaten verboten war, war RFE für viele Menschen in der Tschechoslowakei, Polen, Bulgarien, Rumänien und Ungarn über Jahrzehnte eine der wenigen alternativen Informationsquellen. Insofern war Radio Free Europe im östlichen Europa für knapp 40 Jahre ein wichtiger Wissensträger und -mittler. Heute wird oftmals die Meinung vertreten, dass Radio Free Europe durch seine Aktivitäten einen Beitrag zum Fall der kommunistischen Regime und zu der (Wieder-)Etablierung der Demokratie in Ost- und Ostmitteleuropa geleistet habe.

Die Rolle von RFE als Instrument der Politik, die Bedeutung des Senders für das Blockdenken, für die Herausbildung alternativer Öffentlichkeiten und einer Sphäre des kulturellen und gesellschaftlichen Dissenses sowie der Wandel von Programmzielen und Sendeinhalten sind bislang jedoch noch wenig erforscht. Ziel der Konferenz ist es deshalb, die Aktivitäten und Strukturen des Radiosenders, seine Bedeutung und Rezeption im transnationalen Zusammenhang umfassend zu thematisieren.

Die Konferenz setzt bei der Überlegung an, dass das Gesamtphänomen RFE im Rahmen zeitgenössischer ideologischer und politischer Kategorien erklärt werden muss. Während im Selbstverständnis von RFE der Einsatz für Demokratie und Freiheit vorherrschte, wurden die Sendungen im östlichen Europa teilweise als Einmischung in innere Angelegenheiten und als westliche Propaganda gewertet. Das Spannungsverhältnis der unterschiedlichen Wahrnehmungen bedarf einer reflektierten wissenschaftlichen Betrachtung.

Daher soll RFE mit seinem langjährigen Sitz in München sowohl aus der Perspektive seiner Rolle für und in den Zielländern der Rundfunksendungen als auch als gesamteuropäisches Phänomen betrachtet werden. Gerade die Bedeutung für das westliche Europa, insbesondere für Westdeutschland, bedarf noch weiterer Erforschung und eines Neudurchdenkens.

Die Tagung ist interdisziplinär angelegt. Es werden Beiträge aus der Geschichts- und Politikwissenschaft, Medien-, Kultur- und Literaturwissenschaft sowie verwandten Disziplinen begrüßt. Vorschläge für wissenschaftliche Referate werden vor allem, jedoch nicht ausschließlich, zu den folgenden Themenschwerpunkten erwartet:

- Politische Bezüge:
Welche politische Strukturen standen hinter RFE? Inwiefern lässt sich RFE als Politikum beschreiben? Welche Rolle spielte RFE in der deutschen und amerikanischen Außen- und Innenpolitik sowie für das „Blockdenken“?

- Funktions- und Arbeitsweise von RFE:
Konzeption von RFE und Zielsetzungen. Wer arbeitete für RFE? Welchen programmatischen Vorgaben hatten die Redaktionen in einzelnen Phasen zu folgen? Welche strukturellen Besonderheiten ergaben sich aus der weitgehenden Autonomie der nationalen Redaktionen und dem Gesamtkonzept von RFE?

- Sendeinhalte der einzelnen nationalen Programme von RFE:
Welche Informationen wurden gesammelt und wie weitervermittelt? Welche Bilder von Demokratie, Kommunismus, Kultur und gesellschaftlichem Wandel wurden von RFE vermittelt? Wie wandelten sich die Sendeformate und Sendeinhalte?

- Rezeption:
Inwiefern trug RFE zur Herausbildung von alternativen Öffentlichkeiten/zum Aufbau von “Gegenöffentlichkeiten“ in den Zielländern der Sendungen bei? Welche Zusammenhänge lassen sich zwischen den Sendungen und historischen Ereignissen darstellen? Welche Rolle hatte RFE für Dissidenten? Wie wurde RFE in Westdeutschland, in den USA und von den kommunistischen Führungen wahrgenommen?

- Vergleiche mit anderen transnational arbeitenden Rundfunksendern in der Ära des Kalten Krieges (BBC, Voice of America, Deutsche Welle etc.).

Das langjährige Wirken von Radio Free Europe soll allerdings nicht nur in wissenschaftliche Zusammenhänge eingebettet werden. Die wissenschaftlichen Referate werden durch Round Tables und Podiumsdiskussionen ergänzt, in denen Zeitzeugen, darunter ehemalige und derzeitige Mitarbeiter von RFE, zu Wort kommen.

Konferenzsprachen sind Englisch, Deutsch und Tschechisch.

Es ist geplant, die wissenschaftlichen Beiträge im Anschluss an die Konferenz in einem Tagungsband zusammenzufassen.

Bitte reichen sie eine kurze Skizze ihres geplanten Vortrags (maximal 2 Seiten) in deutscher, tschechischer oder englischer Sprache bis zum 20. Oktober 2010 ein bei

Anna Bischof
Collegium Carolinum
Hochstraße 8
D-81669 München
Tel. +49/89/55 26 06 – 0
FAX +49/89/55 26 06 – 44
Email: Anna.Bischof@lrz.uni-muenchen.de

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“Volá hlas svobodného Československa, rozhlasová stanice Svobodná Evropa…(Here is the voice of free Czechoslovakia, Radio Free Europe…)“ – with these words, the American radio station, Radio Free Europe (RFE), began regular broadcasting from Munich on 1 May 1951. Its broadcasting services to other Eastern European countries followed in quick succession. Today RFE/RL continues to broadcast from Prague to several Arabic, Asian, and CIS states.

Against the background of discussions between “East” and “West”, between “free democracies” and socialist “people’s republics”, post-war radio broadcasters gained a new significance. In contrast to the traditional media, radio waves could penetrate the “Iron Curtain”. As a relatively new medium, radio assumed a new role as a mediator of information, worldviews, opinions, and rumour across state borders and the Cold War divide in 1950s Europe – similar to the internet today. Radio Free Europe shaped “images” of the “East” and the “West” in both East and West, and can thus be seen as an important and abiding protagonist in the Cold War.

Until 1989, emigrants from East Central, South East and Eastern Europe comprised the majority of Radio Free Europe's staff. In programming for their native countries and local compatriots, they provided coverage of political and social developments in their respective countries, as well as information on “Western” culture. Although the reception of Radio Free Europe was forbidden in socialist states, for many people in Czechoslovakia, Poland, Bulgaria, Romania and Hungary, RFE was for decades one of the few alternative sources of information. As such, Radio Free Europe represented an important bearer and mediator of knowledge for almost 40 years in Eastern Europe. Today it is often claimed that, through its activities, Radio Free Europe contributed to the fall of communist regimes and to the (re-)establishment of democracy in Eastern and East Central Europe.

However, the role of RFE – and later, of Radio Liberty (RL) – as an instrument of politics, the station’s significance in the formation of block identities and the crystallisation of alternative public fora and spheres of cultural and social dissent, as well as changes in programming goals and contents have not yet been adequately explored. In this light, the conference focuses on the activities and structures of the radio station, and on its significance and reception in a transnational context.

The central idea of the conference is that in the analysis of the phenomenon of RFE as a whole, we need to put stronger emphasis on the ideological and political categories of the time. While the prevailing view at RFE itself was that their mission was democracy and freedom, in East European countries RFE programs were often perceived as interference in domestic affairs or as Western propaganda. The research of the phenomenon of RFE needs to take into account this wide range of different views.

Given the special position of RFE (long based in Munich and broadcasting predominantly for the audience behind the “Iron Curtain”), the conference focuses both on the role of RFE as broadcasting agent in the target countries and on RFE as a pan-European phenomenon. The station’s significance for Western Europe in general and for West Germany in particular requires closer attention and a re-evaluation.

The conference welcomes papers from various fields of study: history, politics, media and cultural studies, literature, and other disciplines. Contributions should address, but are not limited to, the following topics:

- Political Dimensions:
What political structures were behind RFE? To what extent may we claim that RFE was politically significant? What role did RFE play in German and American foreign and domestic policy as well as for the idea of the Cold War “block thinking”?

- The day to day operations and work procedures at RFE:
The conception of RFE and its objectives. Who worked for RFE? What programming guidelines did program makers have to follow at different stages in the station’s history? What was the relationship between the broadly autonomous national desks and the overall concept of RFE?

- Program contents:
What information was collected and how was this information transmitted? What concepts of democracy, communism, culture and social change were communicated by RFE? How did program formats and contents change over time?

- Reception:
To what extent did RFE contribute to the crystallisation of alternative or oppositional public fora in the countries to which it broadcast? What was the relationship between programming and historical events? What role did RFE play for dissidents? How was RFE viewed in West Germany, in the USA, and by communist regimes?

- Comparisons with other transnationally operating broadcasting stations during the Cold War era (BBC, Voice of America, Deutsche Welle etc.).

The program of the conference will include both scientific discussion as well as round tables and podium discussions with former RFE journalists and other contemporary witnesses.

The languages of the conference are English, German and Czech.

The academic presentations will be published in conference proceedings.

Please send your proposals in German, Czech or English (max. 2 pages) by 20 October 2010 to

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