Archäologie und Nation: Kontexte der Erforschung „vaterländischen Alterthums“. Eine Tagung zur Geschichte der Archäologie in Deutschland, Österreich und der Schweiz, 1800–1860

Archäologie und Nation: Kontexte der Erforschung „vaterländischen Alterthums“. Eine Tagung zur Geschichte der Archäologie in Deutschland, Österreich und der Schweiz, 1800–1860

Organizer
Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Ingo Wiwjorra, Dietrich Hakelberg
Venue
Location
Nürnberg
Country
Germany
From - Until
01.02.2012 - 03.02.2012
Deadline
15.05.2011
Website
By
Dr. Ingo Wiwjorra

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm das Interesse an einheimischen archäologischen Funden sprunghaft zu. Hunderte, zum Teil reich illustrierte Monographien und Zeitschriftenbeiträge zeugen von einer mit großem Engagement betriebenen archäologischen Forschung. Neu entdeckte heidnische Urnen, römische Mauerreste oder fossile Knochen wurden beschrieben, gezeichnet, datiert und mit Leidenschaft interpretiert. Mittelalterliche Ruinen und vorgeschichtliche Geländedenkmäler in der Landschaft galten jetzt als bewahrenswert und wurden erstmals unter staatlichen Schutz gestellt. Neu gegründete Geschichts- und Altertumsvereine boten einen organisatorischen und gesellschaftlichen Rahmen, um das ‚vaterländische Alterthum‘ zu erkunden und publik zu machen.

Ausgrabung, Sammlung und Publikation archäologischer Funde stehen in einer frühneuzeitlichen Gelehrtentradition und haben einen überschaubaren Literaturkanon hinterlassen. Wie aber ist der regelrechte ‚Altertümer-Boom‘ zu erklären, der sich ab dem Beginn des 19. Jahrhunderts beobachten läßt? Schon die Zeitgenossen haben die ‚vaterländische Altertumskunde‘ mit einem nach den Befreiungskriegen „neu erwachten Nationalbewußtsein“ legitimiert. Diesen bis in die jüngste Zeit verwendeten Topos gilt es kritisch zu hinterfragen: Wie hängen die seinerzeit aufkommenden Nationsvorstellungen mit dem rapide anwachsenden Interesse am einheimischen Altertum zusammen? In welcher Weise konkurrierten oder ergänzten sich hier altständisches oder partikularstaatliches Landesbewußtsein mit dem modernen Nationsgedanken? Inwieweit war die Beschäftigung mit den Schrift- und Sachaltertümern eine Reaktion auf Traditionsverluste nach dem Untergang des Alten Reiches?

Ziel der geplanten Tagung ist es, die politischen und sozialen Kontexte der archäologischen Altertumskunde zwischen ca. 1800 und 1860 differenzierter herauszuarbeiten. Hierbei gilt es, den Blick für die Beweggründe der grabenden, sammelnden und publizierenden Akteure zu schärfen. Leitende Fragen sollen sein:

1. Unter welchen politischen und sozialen Rahmenbedingungen institutionalisiert und professionalisiert sich die archäologische Praxis in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts?

2. Welchen Stellenwert hat das Ausgraben, Bewahren und Sammeln archäologischer Funde im Tätigkeitsspektrum der Geschichts- und Altertumsvereine?

3. Inwieweit läßt die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit archäologischen Funden und ihren ethnischen Interpretationen Bezüge zum Nationsdiskurs (der ‚Rede über die Nation‘ ab ca. 1780) in Deutschland, Österreich und der Schweiz erkennen?

4. Inwieweit spielen soziale Herkunft, Selbstverständnis und Berufsgruppen der Initiatoren archäologischer Forschung eine Rolle für ihre Initiative?

Für die Untersuchung dieser Fragen sind voraussichtlich die folgenden thematischen Schwerpunkte vorgesehen:

- Archäologische Forschung und moderner Staat. Denkmalschutz und historisches Selbstverständnis in Ländern/Kantonen und Territorien
- Erkenntnisinteressen im Wettstreit? Archäologien der Römer, Kelten, Slawen, usw.
- Der fossile Mensch: Debatten bis zur Entdeckung des ‚Neandertalers’ 1856
- Methodische Innovationen: Datierung (Dreiperiodensystem); Grabungstechnik; Kartographie
- Profis und Dilettanten: Entwicklung und Wandel gelehrten Selbstverständnisses
- Bildliche Darstellungen archäologischer Funde, Reproduktionstechniken und Publikationswesen (Lithographie und Kupferstich, Verlage und Buchproduktion usw.)
- Biographien der Akteure
- Altertümersammlungen und Bibliotheken von Altertumsforschern und Altertumsvereinen
- Institutionen: Altertumsvereine und Universitäten
- Popularisierung archäologischer Forschung (in Zeitungen, Kalendern, Schulbüchern usw.)
- Quellen für die Geschichte der Archäologie: Nachlässe, Briefwechsel, Tagebücher

Die Tagung ist fächerübergreifend ausgerichtet und richtet sich nicht nur an Archäologen, sondern besonders auch an Germanisten, Volkskundler, Historiker und andere interessierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Sie soll anstelle einer ‚klassischen‘ Forschungsgeschichte (im Sinne einer Erfolgsgeschichte der modernen Archäologien) neuen und weiterführenden Interpretationen ein Forum bieten, die den historischen Kontext archäologischer Forschungen einbeziehen. Die Referenten sollten bevorzugt Primärquellen, Archivalien und die gedruckten zeitgenössischen Publikationen auswerten bzw. ausgewertet haben. Vor allem die gedruckte Überlieferung läßt sich nun einfach recherchieren, neu lesen und interpretieren. Die wichtigsten Schriften wurden und werden im Rahmen des DFG-Projekts „Archäologische Forschungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz von der Auflösung des Alten Reichs bis 1852“ bibliographiert, digitalisiert und erschlossen: <http://forschung.gnm.de/htm/htm2/dlib/p01.html>

Interessierte Referentinnen und Referenten wenden sich bitte mit einer kurzen Zusammenfassung des Tagungsbeitrages bis spätestens 30.04.2011 an unten stehende Kontaktadresse. Besonders die Autorinnen und Autoren jüngerer Forschungsarbeiten sind willkommen! Eine Übernahme der Kosten für An- und Abreise sowie für die Unterbringung ist vorgesehen. Die Publikation eines Tagungsbandes ist geplant.

Programm

Contact (announcement)

Ingo Wiwjorra

Germanisches Nationalmuseum, Kartäusergasse 1, 90402 Nürnberg

0911-1331-153

i.wiwjorra@gnm.de


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German
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