Erhard Weigel und die Wissenschaften

Erhard Weigel und die Wissenschaften

Veranstalter
Erhard-Weigel-Gesellschaft e. V., Jena; Prof. Dr. Dr. Olaf Breidbach, Institut für Geschichte der Medizin, Naturwissenschaft und Technik „Ernst-Haeckel-Haus“, Friedrich-Schiller-Universität Jena
Veranstaltungsort
Konferenzraum im Stadtmuseum Jena "Göhre"
Ort
Jena
Land
Deutschland
Vom - Bis
10.12.2011 -
Deadline
31.07.2011
Website
Von
Herbst, Klaus-Dieter

Die Entwicklung der Wissenschaften in der Frühen Neuzeit ist ein hochkomplexer Prozess, dem man sich theoretisch erst dann nähern kann, wenn man ihn unter verschiedenen Aspekten betrachtet. Die Einzelwissenschaften emanzipieren sich aus kirchlicher Bevormundung und differenzieren sich in einem bisher nicht gekannten Maße aus. Neue Wissenschaften entstehen, altbekannte Wissenschaften werden neu begründet. Stärker als bislang geschehen wird das experimentelle Wissen aufgewertet. Auch die sozialen und kommunikativen Rahmenbedingungen der Wissenschaft ändern sich: Neben den Universitäten erlangen mit der Stärkung der Fürstenmacht auch die Höfe eine zunehmende Bedeutung als Anziehungspunkte für Künstler und Gelehrte; Nationalakademien formieren sich, in denen mit fürstlicher Förderung innovative und anwendungsorientierte Forschung betrieben wird. Nachdem schon die Erfindung des Buchdruckes den gelehrten Informationsaustausch revolutioniert hatte, erlangen neben dem gelehrten Briefwechsel ab dem späten 17. und im 18. Jahrhundert Journale als Medien gelehrter Kommunikation eine wachsende Bedeutung.

Begleitet wird der Prozess der realen Wissenschaftsentwicklung von Reflexionen über den Status und die Funktion der Wissenschaft. Neben dem aristotelischen Verständnis der Wissenschaft als habitus intellectualis, bei dem der subjektive Wissensvollzug im Vordergrund steht, bildet sich im Ramismus unter stoischem Einfluss ein Verständnis der Wissenschaft als System von Sätzen aus, in welchem sich das moderne, objektive Verständnis der Wissenschaft als Gesamtheit von Erkenntnissen, Beobachtungen, Regeln und Sätzen vorbereitet. Eine zunehmende Praxisorientierung der Wissenschaft, durch die das aristotelische Konzept einer um ihrer selbst betriebenen Theoria zunehmend in Frage gestellt wird, äußert sich zum einen in Diskussionen über den Nutzen der Wissenschaft, zum anderen in einem veränderten Erfahrungsbegriff, bei dem an die Stelle der alltäglichen Beobachtung das Experiment als eine durch artefaktische Eingriffe in die natürlichen Abläufe aufbereitete Erfahrung tritt. Die Erfolge in der mathematischen Naturwissenschaft haben auch Rückwirkungen auf die Philosophie und schlagen sich u. a. in mathematikorientierten universalwissenschaftlichen Konzep-tionen nieder, welche die Verfahrensweisen und die Gewissheit von Arithmetik und Algebra auch auf außermathematische Zusammenhänge zu übertragen trachten. Der zeitgenössische wissenschaftstheoretische Diskurs wird aber außer durch Mathematik und Naturwissenschaften auch durch älteres Gedankengut beeinflusst, zu dem neben der nach wie vor einflussreichen aristotelischen Schulphilosophie auch esoterische Strömungen wie Hermetismus, Alchemie, Astrologie und Kabbala gehören.

Zu fast allen diesen genannten Aspekten finden sich Anknüpfungspunkte im Schaffen von Erhard Weigel. Auf einer Tagung zum Thema „Erhard Weigel und die Wissenschaften“ sollen diese diskutiert werden. Untersucht werden sollten z.B. folgende Themen bzw. Fragen:
1. Um Weigel als Wissenschaftstheoretiker zu verstehen, sind seine einschlägigen Schriften zu analysieren. Wie ordnen sich seine Anschauungen in den zeitgenössischen Diskurs um ein neues Verständnis von Wissenschaft ein und in welche Traditionslinien ist er einzuordnen?
2. Weigel hat als Einzelwissenschaftler in verschiedenen Disziplinen (Mathematik, Physik, Astronomie, Geographie, Pädagogik) geforscht und veröffentlicht. Diese Schriften, vor allem akademische Traktate, aber auch Gelegenheitsschriften, sind bisher selten als separate einzelwissenschaftliche Abhandlungen thematisiert worden. Denkbar sind Untersuchungen, die Weigels Beiträge zu einer Einzelwissenschaft (wie etwa der Astronomie) analysieren. Ist die These, dass Weigel keinen eigenständigen Beitrag zu einer einzelwissenschaftlichen Disziplin geleistet hat, tatsächlich richtig?
3. Wie stand Weigel zu den esoterischen Wissenschaften? Gibt es bei ihm Versuche, sich in diese Tradition zu stellen bzw. diese zu kritisieren?
4. Weigels Engagement für wissenschaftliche Gesellschaften ist eine Invariante in seiner Biographie. Dies zeigt sich von der Gründung seiner Jenaer societas quaerentium bis hin zu seinem Bemühen, ein reichsweites collegium artis consultorum zu installieren. Was sind seine Beweggründe, worin unterscheiden sie sich von, worin stimmen sie überein mit den zeitgenössischen Sozietätsbestrebungen?
5. Erwünscht sind auch Beiträge zu anderen Wissenschaftlern der Weigel-Zeit, vorzugsweise zu mit Weigel in Kontakt stehenden Gelehrten. Die Fragestellungen, die unter 1. – 3. auf Weigel hin formuliert wurden, können auf andere Autoren angewendet werden.
6. Die Tagung soll auch ein Forum sein zur Diskussion von allgemeinen Fragen der Wissenschaftsentwicklung in der Frühen Neuzeit. Dabei sollen möglichst verschiedene Ansätze erprobt werden, wie z.B. durch Anwendung sozialhistorischer, kulturhistorischer, ideen- und begriffsgeschichtlicher Methoden.

Angebote für Referate werden mit einer halbseitigen Zusammenfassung erbeten an den Vorsitzenden der Erhard-Weigel-Gesellschaft oder an den Leiter des Instituts für Geschichte der Medizin, Naturwissenschaft und Technik an der Universität Jena.

Programm

Kontakt

Dr. Klaus-Dieter Herbst
klaus-dieter-herbst@t-online.de
oder
Prof. Dr. Dr. Olaf Breidbach
Olaf.Breidbach@uni-jena.de


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Deutsch
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