Sicherheitskulturen im 20. Jahrhundert. Deutschland und Russland/Sowjetunion im Vergleich

Sicherheitskulturen im 20. Jahrhundert. Deutschland und Russland/Sowjetunion im Vergleich

Veranstalter
Dr. Natalia Rostislavleva, Russische Staatliche Geisteswissenschaftliche Universität, RGGU; Prof. Dr. Arnd Bauerkämper, Freie Universität Berlin
Veranstaltungsort
Russische Staatliche Geisteswissenschaftliche Universität, RGGU
Ort
Moskau
Land
Russian Federation
Vom - Bis
30.03.2012 - 31.03.2012
Deadline
05.09.2011
Website
Von
Bauerkämper, Arnd

Die Ausweitung staatlicher Sicherheitspolitik ist besonders seit den Anschlägen, die am 11. September 2001 das World Trade Center in New York und Pentagon in Washington trafen, intensiv diskutiert worden. Nach dem Beginn des vom früheren amerikanischen Präsidenten proklamierten War on Terror und der Inhaftierung gefangener Terroristen auf dem Stützpunkt Guantánamo Bay, wo sie nicht der ordentlichen Strafgerichtsbarkeit unterstehen, hat sich darüber aus eine heftige Kontroverse über die Legitimität umfassender staatlicher Sicherheitskompetenzen entwickelt. So wiesen Kritiker der amerikanischen Politik in anderen Staaten, aber auch in den USA selber auf den Stellenwert hin, den die Verfassung des Landes der Sicherung individueller Freiheitsrechte zuweist. Ähnliche Auseinandersetzungen haben in vielen europäischen Staaten zu einer nachhaltigen, bis zur Gegenwart anhaltenden politischen Polarisierung geführt. So ist auch in Russland über das Ausmaß und die Formen staatlicher Sicherheitspolitik – vor allem gegenüber Anschlägen tschetschenischer Terroristen – diskutiert worden. In Deutschland hat besonders die Gefahr, die von radikal islamistischen Gruppen ausgegangen ist, anhaltende Konflikte ausgelöst, so über die Erfassung und Weitergabe persönlicher Daten. Darüber hinaus sind in beiden Staaten auch der Schutz vor Lebensrisiken (z.B. Krankheit, Unfälle und Alter) und der Wohlfahrtsstaat im Hinblick auf das Verhältnis von Sicherheit und Freiheit umstritten geblieben.

Auseinandersetzungen über diese beiden Leitwerte sind aber keineswegs erst in den letzten Jahren geführt worden. Vielmehr verstärkte sich in Europa angesichts neuer Erfahrungen von Kontingenz bereits im späten 19. Jahrhundert – freilich in variierendem Ausmaß und unterschiedlichen Formen – ein Sicherheitsbedürfnis, das sich u. a. in Ausweitung polizeilicher Kompetenzen und im Übergang zu staatlicher Wohlfahrtsfürsorge niederschlug. Im 20. Jahrhundert bildeten sich schließlich vor allem in Demokratien, in denen staatliche Maßnahmen (einschließlich Gewalt) zur Herstellung von Sicherheit legitimiert werden musste, Auseinandersetzungen über die Balance von Freiheit und Sicherheit heraus. Dabei haben unterschiedliche Akteure die Konzepte für unterschiedliche, oft sogar konträre Ziele in Anspruch genommen. So ist „Freiheit“ wiederholt ebenso für „Sicherheit“ vereinnahmt worden wie umgekehrt. Der Workshop soll anhand von Studien zur Geschichte Russlands bzw. der Sowjetunion und Deutschlands seit dem 19. Jahrhundert die Sicherheitskulturen konturieren und erklären, in denen sich die jeweils vertretenen Werte, Normen und Ziele zum Verhältnis von Freiheit und Sicherheit niederschlugen (Christopher Daase). Über die Wahrnehmungen und Diskurse hinaus sind aber auch die diesbezüglichen Handlungspraktiken einzubeziehen – z. B. die Gesetzgebung –, die Eindämmung von Gefahren und der Verringerung von Unsicherheit dienen sollten. Damit können die Konflikte und die Machtverhältnisse herausgearbeitet werden, die jeweils über die Balance von Freiheit und Sicherheit in den beiden Staaten entschieden. Diese Auseinandersetzungen verweisen auf Ähnlichkeiten und Unterschiede in den politischen Kulturen der beiden Länder, d.h. auf die Sinnbezüge, die der von Interessen und Werten geleiteten Lebenspraxis handelnder politischer Akteure zu Grunde liegen (Karl Rohe). Letztlich wird damit das jeweils vorherrschende Verhältnis zwischen Politik und Gesellschaft seit dem Ersten Weltkrieg konturiert.

Themenfelder für mögliche Beiträge:
- Terrorismus
- Sozialpolitik
- politischer und gesellschaftlicher Protest (z. B. Studentenbewegung in der Bundesrepublik)
- Institutionen (z. B. Polizeibehörden) und Akteure (z. B. Eliten und Dissidenten).

Der Workshop wird am 30. und 31. März 2012 an der Russischen Staatlichen Geisteswissenschaftlichen Universität (Moskau) stattfinden. Er soll vor allem fortgeschrittene Studierende und Doktoranden aus Russland und Deutschland zusammenführen. Die Konferenzsprachen sind Deutsch und Russisch. Eine Simultanübersetzung während des Workshops ist vorgesehen.

Vorschläge für Beiträge (möglichst vergleichend) senden Sie bitte mit Titelangabe und einer kurzen Zusammenfassung (maximal 4.000 Zeichen) gemeinsam mit ihren Kontaktdaten bis spätestens 5. September 2011 an Dr. Natalia Rostislavleva (ranw@mail.ru; Beiträge in russischer Sprache) oder Prof. Dr. Arnd Bauerkämper (baue@zedat.fu-berlin.de; Beiträge in deutscher Sprache).

Programm

Kontakt

Arnd Bauerkämper
FU Berlin
baue@zedat.fu-berlin.de