Der ‚therapeutische Aufbruch’ der Psychiatrie in der Zeit zwischen den Weltkriegen. Deutschland im internationalen Vergleich

Der ‚therapeutische Aufbruch’ der Psychiatrie in der Zeit zwischen den Weltkriegen. Deutschland im internationalen Vergleich

Veranstalter
Volker Roelcke; Hans-Walter Schmuhl
Veranstaltungsort
RWTH Aachen
Ort
Aachen
Land
Deutschland
Vom - Bis
07.06.2012 - 09.06.2012
Website
Von
Volker Roelcke, Hans-Walter Schmuhl

Der Erste Weltkrieg markierte in den Psychiatrien der kriegführenden Staaten eine Wende, galt doch die scheinbar erfolgreiche Behandlung der „Kriegsneurotiker“ als therapeutischer Durchbruch. Zugleich läutete das strenge Regime, das die Wehrpsychiater aufzogen, um „Kriegszitterer“ wieder „fronttauglich“ zu machen, das Zeitalter der „heroischen Therapien“ ein, die den therapeutischen Erfolg ohne Rücksicht darauf suchten, ob sie den Patienten einem Risiko aussetzten, ihm Schmerzen zufügten oder ihm Angst machten. Es folgten in den 1920er Jahren die Malariatherapie der progressiven Paralyse, Mitte der 1930er Jahre die Insulinkoma- und die Cardiazolkrampftherapie, Ende der 1930er/Anfang der 1940er Jahre die Elektrokrampftherapie. Verbreitet findet sich die Annahme, dass die „Schocktherapien“ im nationalsozialistischen Deutschland besonders früh, besonders radikal und/oder besonders rücksichtslos umgesetzt wurden.

Der Workshop soll die Einführung dieser Therapieformen im internationalen Vergleich untersuchen. Erfolgte sie in allen modernen Psychiatrien zeitgleich oder lassen sich Vorreiter und Nachzügler identifizieren? Wie erklären sich mögliche Phasenverzögerungen? Welchen Einfluss übten rechtliche, politische, wirtschaftliche, soziale, kulturelle und wissenschaftliche Rahmenbedingungen auf die Entwicklung aus? Falls sich unterschiedliche Zeit-Abläufe feststellen lassen, wäre zu fragen, ob hier Zusammenhänge bestehen mit der besonders frühen und flächendeckenden akademisch-universitären Etablierung der Psychiatrie in Deutschland (im Gegensatz etwa zu Großbritannien): Gingen die zeitgenössischen therapeutischen Innovationen in Deutschland und andernorts von universitären Kliniken aus? Welche Rolle spielten psychiatrische Anstalten, welche Privatkliniken für wohlhabendes Klientel (etwa das Sanatorium Bellevue/Kreuzlingen)? Gab es in den einzelnen Psychiatrien unterschiedliche Praxen und Kulturen, die sich auf den Umgang mit den innovativen Therapieformen auswirkten? Welche Methoden der Evaluation wurden angewandt? Wie wurde der Erfolg der neuen Therapien beurteilt? In welchem Umfang und mit welchem Tenor wurden Risiken für Leben und Gesundheit, unbeabsichtigte Nebenwirkungen oder off-label-Verwendungen thematisiert? Gab es in diesen Fragen wissenschaftliche Kontroversen? Wie wurde das Verhältnis zwischen den neuen „heroischen Therapieformen“ und neuartigen Ansätzen in der Arbeitstherapie („Aktivere Krankenbehandlung“) und der offenen Fürsorge für psychisch erkrankte Menschen definiert? Wurden die Schock- und Krampftherapien auch im Zusammenhang mit Eugenik/Rassenhygiene bzw. psychiatrischer Genetik gesehen?

Welche Strategien wendeten Psychiater an, um die neuen „heroischen Therapieformen“ gegenüber der Politik und der Öffentlichkeit zu legitimieren, die notwendigen Ressourcen dafür einzuwerben, das Image der Psychiatrie zu beeinflussen?

Besonderes Augenmerk soll auch dem nationalen und transnationalen Transfer der neuen Therapieformen gelten. Wurden die neuen Therapieformen durch Hospitationen und Praktika, im Zuge der Aus- und Fortbildung in andere Staaten vermittelt? Wie wurden die ersten Erfahrungen mit den neuen Therapien in den Fachzeitschriften und auf Fachtagungen kommuniziert? Gab es einen internationalen Diskurs und wenn ja, wo lagen dabei die Grenzen des Sagbaren? Gab es Kontroversen zwischen Psychiatern entlang nationaler Grenzen?

Staaten, die in den internationalen Vergleich einbezogen werden könnten, wären Großbritannien, die USA, die Niederlande, Österreich, die Schweiz, die baltischen Staaten, Skandinavien, Polen oder die Türkei.

Vorschläge mit aussagekräftigem Abstract (max. 1 Seite) bitte per E-Mail bis 10. Oktober 2011 an die Organisatoren.

Programm

Kontakt

Prof. Dr. Volker Roelcke
<Volker.Roelcke@histor.med.uni-giessen.de>

Prof. Dr. Hans-Walter Schmuhl
<hans-walter.schmuhl@Geschichte.uni-bielefeld.de>


Redaktion
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Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
Sprache der Ankündigung