Bereits im 19. Jahrhundert war die Internationalisierung der europäischen Wirtschaftselite, insbesondere im Finanzsektor, aber nicht nur dort, weit vorangeschritten. Neue Industrien wie etwa der Eisenbahnbau, die Exploration von Rohstoffen oder die Produktion von zentralen Industriestoffen wie etwa der Baumwolle erforderten umfangreiche Investitionen und zwar nicht nur in Europa, sondern auch im Osmanischen Reich, den europäischen Imperien und in den beiden Amerikas.
Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts finden wir Unternehmer, ja ganze Unternehmernetzwerke mit einem wachsenden Interesse an Investitionen auf dem Balkan, im Kaukasus, Indonesien, dann vor allem der USA, aber auch in Südamerika und in den afrikanischen Kolonien oder in China, um nur einige der Regionen zu erwähnen. Zu nennen sind hier etwa Unternehmer jüdischer Herkunft wie Hirsch, Rothschild, Beit, Merton oder Hallgarten, aber natürlich auch Unternehmer anderer Konfessionen wie Mitglieder der Herrnhuter Gemeinden oder katholische Investoren aus dem Rheinland oder Protestanten wie Siemens oder Rathenau, um nur einige Namen zu nennen.
Zur gleichen Zeit finden wir bei diesen weltweit agierenden Unternehmern aber auch eine enge Anbindung an nationale, regionale und lokale Loyalitäten und Identitäten, die zuweilen zu bedeutenden mäzenatischen und philanthropischen Engagements führten. Eine nicht unbedeutende Anzahl von Großprojekten in diesem Bereich wie etwa Krankenhäuser, sozialer Wohnungsbau oder Forschungsreinrichtungen, ja ganze Universitäten wurden aus den Gewinnen, die in Übersee erzielt wurden, ins Leben gerufen und finanziert. Interessant ist ebenfalls, dass die Zielsetzung und Art und Weise, wie diese Projekte durchgeführt wurden, oft aus einem intensiven internationalen Austausch resultierten und neue soziale und technische Erkenntnisse einbezogen. Die Tagung vereinigt Fallbeispiele aus verschiedenen europäischen Ländern. Sie geht in diesem Zusammenhang der Rolle von Netzwerken nach und fragt nach der Bedeutung unterschiedlicher Unternehmenskulturen.