Sprachspiele des Ratgebens. Zu Analyse und Theorie einer sprachlichen Handlung

Sprachspiele des Ratgebens. Zu Analyse und Theorie einer sprachlichen Handlung

Veranstalter
Prof. Dr. Michael Niehaus / Dr. Wim Peeters, Institut für deutsche Sprache und Literatur, Fakultät Kulturwissenschaften, TU-Dortmund
Veranstaltungsort
IBZ der TU Dortmund
Ort
Dortmund
Land
Deutschland
Vom - Bis
22.03.2012 - 24.03.2012
Deadline
20.12.2011
Website
Von
Peeters, Wim

Interdisziplinäre Tagung an der TU Dortmund

Das Ratgeben ist ein grundlegender Sprechakt. Es ist kaum eine Kultur denkbar, in der keine Sprechakte vorkommen, die als Ratgeben beschrieben werden können. Wer einen Rat gibt, stellt eine Handlungs- oder Verhaltensmöglichkeit in den Raum, ohne dabei unmittelbar direktiv zu sein. Die ersten naturrechtlich/sprechakttheoretischen Erwägungen über den Rat bei Thomas Hobbes im "Leviathan" grenzen das Ratgeben vom Befehlen ab – ein Rat zeichnet sich dadurch aus, dass sich der Adressat zumindest nominell frei entscheiden kann, ob er den Rat ablehnen oder befolgen möchte. In der abendländischen Kultur haben sich viele mehr oder weniger institutionalisierte Formen des Ratgebens ausgebildet. Gegenwärtig, so wird konstatiert, befindet sich die westliche Gesellschaft "in einem Zeitalter der Beratung, in einer Epoche der metastasierenden Konsultationsbedürfnisse und -angebote" (Thomas Macho).

Beratung kommt an allen Orten der Gesellschaft vor: als psychosoziale Beratung, als Verkaufsberatung, als Unternehmensberatung, als Rechtsberatung. Sie findet in unterschiedlichen Medien statt: mündlich, schriftlich, im Fernsehen, im Internet. Und sie tritt in sehr heterogenen institutionellen Formen auf: anonym, von Person zu Person, von Klient zu therapeutischen Institutionen, von Organisation zu Organisation. Zu den Disziplinen, die sich dieses heterogenen Feldes unter wechselnden Aspekten angenommen haben, gehören vor allem die Soziologie, aber auch die Pädagogik und die Kommunikationswissenschaften.

Im Unterschied zu den bisherigen Annäherungen möchte die Tagung "Sprachspiele des Beratens" einen Zugang wählen, der daran erinnert, dass Beratung zunächst einmal mit dem Sprechakt des Ratgebens verknüpft ist. Es wird unterstellt, dass die Logik dieses Sprechakts den Prozess der Beratung auch dann grundiert, wenn er auf der Oberfläche kaum vorzukommen scheint. Mit der Fokussierung auf die Sprachhandlungsstruktur des Ratgebens rücken zugleich die Bedingungen des Gelingens und Misslingens von Beratung in den Blick. Erst die Analyse der Sequenz, in die der Sprechakt des Ratgebens eingebettet ist, die Analyse der Narrationen, in denen er modelliert wird, und die Analyse der Positionen, die in ihm involviert sind, macht die grundlegende Störanfälligkeit von Beratung sichtbar.

Vor diesem Hintergrund versteht sich die Tagung als interdisziplinäres Gespräch, in dem sprach- und kommunikationswissenschaftliche, literaturwissenschaftliche und diskursanalytische Fragestellungen sich miteinander verbinden. Erwünscht sind sowohl gegenwartsbezogene als auch historische Analysen, die einen neuen Blick auf die Gegenwart ermöglichen. Aus diesem Ansatz ergeben sich die folgenden drei Themenbereiche:

1. Sprechakttheoretische / Gesprächsanalytische Überlegungen zum Ratgeben

Der erste Teilbereich ist sprachwissenschaftlich orientiert. Hier geht es darum, aus verschiedenen Blickwinkeln zu einer möglichst genauen Beschreibung der Logik zu kommen, dem Beraten in kommunikativen Kontexten unter Berücksichtung auch der normativen Dimension zugrunde liegt. Das Paradigma ist hierbei die mündliche Sprechaktsequenz bzw. Sprachhandlungsstruktur des Beratens. Es wird davon ausgegangen, dass andere Formen des Ratgebens als Ableitungen beschrieben werden können.

Mögliche Themen:

Analytische Rekonstruktion von Sequenzen des Ratgebens; Abgrenzung von verwandten Sprechakten; empirische Untersuchungen zu Feldern des Ratgebens; Überlegungen zum Verhältnis von Sprechakt und Institution u.a.

2. Sprechakte des Ratgebens in der Literatur

Dieser im engeren Sinne literaturwissenschaftliche Teilbereich widmet sich fiktionalen Darstellungen aus dem Drama und der Erzählliteratur. Ziel ist dabei weniger eine literaturgeschichtliche Verortung als ein – an den Teilbereich 1 anschließender – Beitrag zur Theorie des Ratgebens. Es geht um Beschreibung der Formen, in denen kulturell bedeutsame Situationen des Ratgebens auftauchen und modelliert werden. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei der strukturellen Störanfälligkeit der Ratgeberkommunikation gelten: In der Literatur werden weniger die Fälle als die Unfälle des Ratgebens thematisch.

Mögliche Themen:

Der beratene Souverän im barocken Trauerspiel, Beratungsresistenz im Schelmenroman; Formen des Ratgebens im Entwicklungsroman; das charismatische Ratgeben in literarischen Texten; zur Figur des falschen Ratgebers u.a.; das Orakel und seine funktionalen Äquivalente in verschiedenen Erzählformaten u.a.

3. Zur Selbstpositionierung des Ratgebers

Der dritte Teilbereich geht von einer eher diskursanalytischen Fragestellung aus. Gefragt wird, wie sich ein Ratgeber in einer Veröffentlichung implizit oder explizit selbst als solcher zu positionieren versucht. Das kann in sehr verschiedenen Diskursen und auf sehr unterschiedlichen theoretischen Niveaus funktionieren. Selbstpositionierungen finden sich in den Fürstenspiegeln ebenso wie in den Vorworten aktueller Glücksratgeber. Die diskursiven Selbstpositionierungen können daraufhin beobachtetet werden, inwiefern das Fehlen einer tatsächlichen Ratgeberkommunikation hier reflektiert, theoretisiert und zu kompensieren versucht wird. Komplementär dazu sollen auch diskursive Praktiken der Selbstpositionierung des Beratenen beleuchtet werden.

Mögliche Themen:

Selbstpositionierungen in Fürstenspiegeln, selbsternannte Ratgeber in der politischen Philosophie; Problematisierung der eigenen diskursiven Position in lebenspraktischen Ratgebern usw. des 19. bis 21. Jahrhunderts; Reflexion medialer Umbrüche (von früher Ratgeberliteratur in Dialogform bis zum Internet)

Kurze Abstracts für halbstündige Beiträge mit biobibliographischen Angaben sind bis zum 20. Dezember 2011 erbeten (per Mail an beide Veranstalter). Alle Beiträge sollen an eine interdisziplinäre Diskussionsrunde adressiert sein.

Kontakt für Rückfragen und Abstracts:

Prof. Dr. Michael Niehaus
Dr. Wim Peeters

TU-Dortmund
Fakultät Kulturwissenschaften
Institut für deutsche Sprache und Literatur
Emil-Figge-Str. 50
D 44221 Dortmund

Tel.: +49 (0)231 755 5451 (Niehaus)
Tel.: +49 (0)231/755-7450 (Peeters)

michael.niehaus@tu-dortmund.de
Wim.Peeters@udo.edu

Programm

Kontakt

Wim Peeters

Institut für deutsche Sprache und Literatur, TU Dortmund, Emil-Figge-Str. 50, 44221 Dortmund
+49 (0)231/755-7450

Wim.Peeters@gmx.de