Tingeltangel, Schnulze, Trash. Populäre Musik und Kulturkritik

Tingeltangel, Schnulze, Trash. Populäre Musik und Kulturkritik

Veranstalter
Universität Basel; Deutsches Volksliedarchiv Freiburg
Veranstaltungsort
Universität Basel
Ort
Freiburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
12.10.2012 - 14.10.2012
Deadline
01.04.2012
Von
Dr. Fernand Hörner

Seitdem das Bürgertum sich im 19. Jahrhundert als kulturell maßgebliche Schicht etablierte, wird Kulturkritik ein prägender Faktor: Die moderne westliche Gesellschaft zeichnet sich nicht nur dadurch aus, dass ihre kulturellen Erscheinungen der Kritik unterzogen werden, sondern, daraus folgend, dass die Kultur wesentlich eine der Kritik ist. Kritik der Kultur und Kultur der Kritik. Mit dem verstärktem Aufkommen des bürgerlichen Interesses an der Musik im 19. Jahr¬hundert geht als Konstante eine kulturkritische Auseinandersetzung mit der populären Musik einher. Die Tagung nimmt diese Kulturkritik zeitlich und thematisch vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart in den Blick, um nach Parallelen und Unterschieden in diesen Diskursen zu fragen. Dabei lassen sich, trotz einer charakteristischen Offenheit – Kulturkritik kann alles betreffen und jederzeit von jedem, der sich berufen fühlt, hervorgebracht werden –, fünf grundsätzliche Spannungsfelder festmachen, auf denen kulturkritische Debatten ausgefochten werden.

1. Ästhetik und Ethik
Ästhetische und ethische Urteile über Popularmusik scheinen eine ambivalente und kaum zu trennende Verbindung einzugehen: Ebenso wie ästhetische Urteile an eine ethische Stellungnahme gekoppelt sind, werden auch moralische Urteile an Gestalt und Wirkung der Popularmusik begründet. Interessant ist hier das konstante Wortfeld in den sukzessiven Bezeichnungen Gassenhauer, Schlager, Hit: Popularmusik scheint nach dieser Isotopie eine körperliche, um nicht zu sagen brutale Dimension zu haben, in der Vergeistigung und Sub-tilität fehl am Platze sind.
Stichwörter: Adorno (Kulturindustrie, Jazzkritik); „Gewaltmusik-Musikgewalt“, gute Klänge und böse Klänge, Popmusik und Sex(ualisierung), Kitschdebatte, Primitivismus

2. Inklusion und Exklusion
Musik dient dazu, Identitäten durch Abgrenzung herzustellen. Die Kulturkritik hat an diesen Inklusions- und Exklusionstendenzen Anteil, indem sie die Musik „der anderen“ herabwürdigt. Dabei vermischen sich genuin politische Diskurse mit anderen Wertsphären: Die politisch unerwünschte Musik ist in dieser Perspektive auch die ästhetisch und ethisch Minderwertige.
Stichwörter: rechts/links, sozialistisch/kapitalistisch, arisch/jüdisch, schwarz/weiß, Mann/Frau, Underground/Establishment

3. Tradition und Moderne
Die im Übergang von Barock zur Klassik insbesondere in England und Frankreich erhitzt geführte Querelle des Anciens et des Modernes um die Frage, ob zeitgenössische Künstler den antiken Vorbildern das Wasser reichen oder diese gar übertreffen könnten, zeichnet sich auch hier unter ähnlichen Vorzeichen ab. In der Debatte über Popularmusik tut sich der Graben vor allem zwischen Jung und Alt, Traditionalisten und Erneuerern, U- und E-Musik oder auch regionaler Identität und Globalisierung auf.
Stichwörter: Volkslied vs. Gassenhauer, Verfalls- und Dekadenzdebatte, Topos der guten alten Zeit, Kritik an Mode/Hype, volkstümliche Musik

4. Künstlerischer Anspruch und „Kommerz“
Anerkennung, symbolisches Kapital im Sinne Pierre Bourdieus, gewinnt der Künstler, indem er sich einer autonomen Musikästhetik verschreibt und keinen äußerlichen Zwängen unter-ordnet. Kommerzieller Erfolg wird automatisch mit dem Verzicht auf künstlerischen Aus-druck und der Anpassung an den Massengeschmack in Verbindung gebracht, sei es als Anklage von Starkult und Kulturindustrie oder auch in internen Diskussionen in den unter-schiedlichsten Sparten der Popmusik (Rock, Elektro, HipHop, Heavy Metal etc.). Paradoxerweise verweist der inflationär gebrauchte Begriff independent dabei nicht nur auf künstlerische Autonomie, sondern auch auf eine enge Verpflichtung zur Traditions-bewahrung der jeweiligen Musik(sub)kultur.
Stichwörter: Mainstream, Gewinnerzielung, Kritik an Film- und U-Musik, Originalitätspostulat, Avantgarde-Gestus, Elitarismus

5. Authentizität und Medialisierung
Die Klage über die mediale Verbreitung der Musik und der einhergehende Aura-Verlust im Sinne Walter Benjamins ist eine weitere, sich immer weiter nach hinten verschiebende Konstante. So wie zunächst das Grammophon in Konkurrenz zur aufgeführten Musik tritt, konkurrieren dann die Schallplatte mit der CD um den gefühlten authentischeren Sound und schließlich der im Internet verfügbare mp3-Song mit der Original-CD. Das „ursprünglichere“ Musikformat wird dabei stets als origineller und authentischer als sein Nachfolger, der weitere Verbreitung ermöglicht, behauptet.
Stichwörter: Qualifizierung von Medienformaten, Kritik an einzelnen Medien (Schallplatte, Radio, Fernsehen, Internet ...), Medien-Nostalgie, web 2.0

Vorschläge für Ihren Tagungsbeitrag (Referat 20 Minuten) unter Angabe eines möglichen Panels richten Sie bitte bis zum 1.4. 2012 an:
Prof. Dr. Matthias Schmidt, Universität Basel: Matthias.Schmidt@unibas.ch
Dr. Fernand Hörner, Deutsches Volksliedarchiv: fernand.hoerner@dva.uni-freiburg.de

Programm

Kontakt

Fernand Hörner

Rosastraße 17-19
D-79098 Freiburg im Breisgau
++ 49 (0)761/7050318
++ 49 (0)761/7050328

fernand.hoerner@dva.uni-freiburg.de

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