Der athenische Historiker Thukydides ist in vieler Hinsicht ein prägender Autor: Als „Besitz für alle Zeit“ ist sein Werk nach eigenem Bekunden angelegt und soll kommenden Generationen Einblicke in die wahrhaftigen Hintergründe von Krieg und Machtpolitik gewähren, um dergestalt als Lehrstück für ähnlich auftretende Phänomene zu dienen. Selbst Zeitgenosse, Chronist und Kommentator der politischen Vorgänge im ausgehenden 5. Jh. v.Chr., entwirft Thukydides ein Panorama kollidierender Systeme und widerstreitender Vorstellungen in Hellas und darüber hinaus. Das von ihm analysierte Polis-System, das in wechselnder Effizienz die Ordnung in Griechenland konstituierte, soll mittels dieser Tagung als Paradigma herausgestellt werden, das in ganz anderer Konstellation als etwa das Imperium Romanum Lösungen für – modern gesprochen – zwischenstaatliche Problemstellungen zu finden hatte.

Im Rahmen der Internationalen Tagung sollen sollen Thukydides-Interpretationen aus verschiedenen Disziplinen, insbesondere der Althistorie und der Politikwissenschaft, gegenübergestellt und zusammengeführt werden. Beiden Fachrichtungen gilt Thukydides als Urahn, und dennoch hat bislang kaum ein übergreifender Diskurs stattgefunden. Dies gilt im Besonderen für die Tatsache, dass die anglo-amerikanische Thukydides-Rezeption einen erheblichen politischen Einschlag hatte und den antiken Historiker häufig als gegebenes role model für die Bewertung auch aktueller politischer Herausforderungen verstanden hat. Um diesen Ansatz gemeinsam auf den Prüfstand zu stellen, werden prominente internationale Vertreter des Diskurses sowohl die Relevanz des thukydideischen Textes im Hinblick auf die Bewertung herrschafts- und ordnungspolitischer Strategien diskutieren als auch dem Aspekt des Wissenstransfers von der Antike bis in die Moderne Rechnung tragen. Die Konferenz versteht sich als Beitrag zur Intensivierung und Etablierung des Dialogs zwischen den Thukydides rezipierenden Disziplinen.