In den vergangenen Jahrzehnten sind in Deutschland, Polen und anderen Ländern unzählige Arbeiten erschienen, die sich mit dem Zweiten Weltkrieg insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt der deutsch-polnischen Beziehungen beschäftigen. Demgegenüber wird der Erste Weltkrieg in weitaus geringerem Maße erforscht und diskutiert. Das ist verwunderlich, ist doch häufig die These zu hören, dass es den Zweiten Weltkrieg ohne den Ersten nicht gegeben hätte.
Selbst wenn man diese These nicht in ihrer ganzen Absolutheit teilen mag, lässt sich doch nicht von der Hand weisen, dass die Situation Deutschlands, Russlands und Polens am Ende des Ersten Weltkriegs den Nährboden für weitere Konflikte barg. Im Ergebnis des Ersten Weltkriegs brach die preußisch-deutsche Monarchie zusammen. Es entstand die Weimarer Republik, die sich erst etablieren musste und der viele Bürger distanziert gegenüberstanden. Im Ersten Weltkrieg ging auch das russische Zarenreich unter. Lenins Oktoberrevolution begründete die Sowjetunion.
Nicht zuletzt auf Grund der Tatsache, dass Russland, Preußen-Deutschland und Österreich-Ungarn – die drei Mächte, die den polnischen Staat 123 Jahre lang unter sich aufgeteilt hatten –, im Ersten Weltkrieg in ihrer bisherigen Form zu bestehen aufhörten, konnte Polen im November 1918 seine staatliche Unabhängigkeit wiedererlangen. Seither verfügten Deutschland und Russland über keine gemeinsame Grenze mehr. Die II. Polnische Republik entstand auf Kosten von Gebieten, die vorher zu Deutschland, Russland bzw. Österreich-Ungarn gehört hatten. Das konnte situationsbedingt zwar gar nicht anders sein, wurde jedoch keineswegs allgemein begrüßt. Manche deutsche Militärs zum Beispiel sahen in dem wiedererstandenen Polen einen „Saisonstaat“, der bald wieder von der Landkarte verschwinden müsse.
Die drei genannten Faktoren spielten eine wichtige Rolle in der Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs. Die politischen Umstrukturierungen in Russland, Deutschland und Polen waren mitverantwortlich dafür, dass sich die Beziehungen der drei Staaten zueinander im Lauf der Zwischenkriegszeit keineswegs in Richtung Ausgleich, Dialog und Entspannung entwickelten. Letztlich unterschied sich die Lage am Vorabend des Zweiten Weltkriegs fundamental von der Situation im und nach dem Ersten Weltkrieg.
Auf der Tagung soll dieses Thema unter dem Gesichtspunkt der deutsch-polnischen Beziehungen in einem Kreis ausgewählter Wissenschaftler aus Deutschland und Polen in Vorträgen analysiert und diskutiert werden.
Geplanter Tagungsort ist das frühere Herrenhaus der Familie von Thadden in Trieglaff/Trzygłów. Von Gut Trieglaff gingen immer wieder wichtige gesellschaftspolitische Impulse aus. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war hier das geistige Zentrum der pommerschen Erweckungsbewegung. Rund zwei Jahrzehnte lang trafen sich damals engagierte Laien und amtsenthobene Pfarrer regelmäßig in Trieglaff, um über die Zukunft ihrer Kirche zu diskutieren. Im Ersten Weltkrieg organisierte Elisabeth von Thadden, die 1944 von den Nazis hingerichtet wurde, auf Gut Trieglaff Konferenzen, auf denen der pommersche Landadel nach Wegen suchte, die aus der feudalen Welt herausführen könnten. Die hier beschriebene Tagung soll an die Tradition der Trieglaffer Konferenzen anknüpfen – und dieses Mal Deutsche und Polen zusammenbringen, um ihre Verständigung und Zusammenarbeit im gemeinsamen Europa zu fördern und zu vertiefen.
Die Tagung wird gefördert von der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit, dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien auf Grund eines Beschlusses des Deutschen Bundestags und dem Verein zur Förderung der deutsch-polnischen Zusammenarbeit e. V.
Anmeldungen zur Tagung: akademiakulice@pro.onet.pl
Unkostenbeitrag für die Teilnahme an der Tagung inkl. Unterbringung und Verpflegung: 80 EUR pro Person.
Projektleitung: Lisaweta von Zitzewitz, Külz-Kulice