Die Ereignisse in Fukushima könnten mehr als eine Fussnote der Geschichte gewesen sein. Langjährige Befürworter von Atomkraftwerken mutierten vor dem Hintergrund der glühenden Reaktoren in Japan zu Skeptikern, Kernkraftwerke wurden vom Netz genommen und der Ausstieg aus der Atomenergie schien unausweichlich geworden zu sein. Es begann sich eine energiepolitische Wende abzuzeichnen, obwohl unklar blieb, wie die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen ohne Atomstromstrom reduziert werden kann, wie ambitionierte Klimaschutzziele erreicht werden und wie rasch erneuerbare Energiequellen einen grossen Teil des gesellschaftlichen Energiehungers stillen können.
Die Ereignisse in Fukushima und die angestrebte Energiewende sollen zum Anlass genommen werden, Formen der Energienutzung sowie des Umgangs mit Energie in einer historischen Perspektive zu analysieren.
Agrargesellschaften nutzten lediglich erneuerbare Energiequellen. Das «ancien regime biologique» basierte einerseits auf der kontrollierten Nutzung der Solarenergie sowie der Wind- und Wasserkraft, andererseits stützte es sich indirekt auf die Photosynthese, die thermische und mechanische Energieträger hervorbrachte (z.B. Holz, Torf und Stroh als thermische Brennstoffe und Pflanzen als mechani-sche Energie für Tiere und Menschen).
In dieser Perspektive waren Agrargesellschaften nachhaltig, obwohl sie ihre natürliche Umwelt umgestalteten. Gleichzeitig waren sie in einem «Nullsummenspiel» gefangen, weil die agrarische Produktionsweise ausser in seltenen Ausnahmesituationen weder lineare noch kumulative Wachstumsprozesse zuliess, sondern lediglich die (Um-)Verteilung des Bestehenden erlaubte. Erst die intensive Nutzung des «unterirdischen Waldes» (der zunehmende Abbau der Steinkohle und später auch weiterer fossiler Energieträger) führten im Verlauf der Industrialisierung zu einem schleichenden Bedeutungsverlust des Bodens als Schlüsselenergieträger.
Die Industrialisierung war eine erste Zäsur. Eine zweite fand nach dem Zweiten Weltkrieg statt, als u.a. steigende Reallöhne und sinkende Energiepreise zum sogenannten «Wirtschaftswunder» (Golden Age, Les trente glorieuses) führten. In diesen Jahren erfuhren der Energieverbrauch, der Flächenbedarf der Siedlungen, das Abfallvolumen und die Schadstoffbelastung der Umwelt einen entscheidenden Wachstumsschub und veränderten Mensch-Umwelt-Beziehung nachhaltig.
Erwünscht sind Artikel, die die Formen verschiedener Energieträger über alle Epochen in den Blick nehmen. Wir stellen uns Beiträge vor, die – unter anderem – eine ressourcenökonomische Perspektive einnehmen, die Energiewende thematisieren, Widerstände gegen neue Energieformen aufarbeiten oder Energie als Konfliktressource thematisieren. Der geplante Schwerpunkt der traverse 3/2013 soll acht Artikel à ca. 10–12 Seiten umfassen.
Wir laden Interessierte ein, uns bis spätestens 27. Oktober 2012 ein Abstract von ca. 1 Seite zu senden. Die druckreifen Manuskripte müssen bis 15. März 2013 eingereicht werden. Die Abstracts sind an Marc Gigase (marc.gigase@revue-traverse.ch), Monika Gisler (monikabgisler@gmail.com), Katja Hürlimann (katja.huerlimann@revue-traverse.ch) oder Daniel Krämer (daniel.kraemer@revue-traverse.ch) zu senden.
Verantwortlich für diesen Heftschwerpunkt: Marc Gigase, Monika Gisler, Katja Hürlimann, Daniel Krämer