Politische Tiere

Politische Tiere

Veranstalter
Forschungszentrum für Historische Geisteswissenschaften Goethe Universität Frankfurt (Susanne Scholz); ATTRACT-Projekt Ästhetische Figurationen des Politischen, Université de Luxembourg (Martin Doll / Oliver Kohns)
Veranstaltungsort
Ort
Frankfurt am Main
Land
Deutschland
Vom - Bis
28.11.2013 - 30.11.2013
Deadline
30.11.2012
Von
Susanne Scholz

---------English Version below----------

1. Das Tier als Symbol für souveräne Macht. Die Grenze zwischen Mensch und Tier ist zu Beginn der politischen Philosophie, gängigen Interpretationen zufolge, identisch mit der Begrenzung politischer Teilhabe: Außerhalb der polis gebe es Aristoteles zufolge nur Tiere, Götter und Idioten. Diese traditionelle Tier-Mensch-Unterscheidung wurde in den letzten Jahren mehrfach in Zweifel gezogen (Derrida 2009-2011, 2010, vgl. Kenny 2012). Doch als Symbol und als Metapher steht das Tier schon von Anfang an im Zentrum der politischen Welt. Die älteste politische Bildlichkeit verweist auf die Tierwelt: Bereits die Sphinx von Giseh (3. Jahrtausend v.Chr.) stellt den darin bestatteten Pharao mit dem Körper eines Löwen dar – und begründet damit eine bis heute beliebte Darstellung des Monarchen als Löwe. Die Kulturgeschichte der »politischen Zoologie« kennt seitdem kaum Tiere, die nicht in bestimmten Zeiten und Kontexten bildspendend wurden, um politische Verhältnisse oder politische Utopien darzustellen. Es gibt die klassischen Wappentiere wie Löwen (oder Pferde), die eine bestimmte ikonographische und metaphorische Tradition voraussetzen. Aber diese Wappentiere sind nichts als die konventionalisierten Ergebnisse unzähliger Narrative: Deren Bildfeld reicht von der Symbolik des »Leviathan« (des Seeungeheuers, das als Wal dargestellt wird) über Machiavellis Anweisung an den Fürsten, ein Fuchs zu sein bis zur Semantik des Wolfs (nicht nur bei Hobbes). Die ikonographische Tradition des »Tiervergleichs« ist inzwischen in der Forschung recht gut skizziert (vgl. Brückle 2011).

2. Tierische Kollektive und das »Volk« oder die menschliche Gesellschaft. Weniger gut erforscht ist das Verhältnis zwischen Tieren und menschlicher Kollektivität: Diese Relation tritt in mindestens drei Erscheinungsformen zutage:

- erstens als Kontrastrelation, als politisches Ausschlussprinzip, wie in den traditionellen Interpretationen des »zoon politikon« bzw. deren radikaler Infragestellung (dann wird politisches Zusammenleben zur Eigenschaft auch nicht-menschlicher Tiere)

- zweitens als Korrespondenzrelation, als Analogisierung animalischer und sozio-politischer Ordnungen, einerseits um Gesellschaftsordnungen zu naturalisieren oder um sie andererseits in Frage zu stellen

- drittens als Äquivalenzrelation, als Interaktion, als Beziehung zwischen Mensch und Tier, die selbst politisch ist.

Von besonderem Interesse soll dabei das zweite Analogieverhältnis sein. Auch hier gibt es wichtige Traditionslinien: Von der pastoralen Vorstellung der Schafherde über Mandevilles politischer Ökonomie in der Form einer Abhandlung über den Bienenstaat (»The Fable of the Bees«, 1723) bis zur Kritik an den »Schwärmern« in der Aufklärung (und der Fortführung der Schwarmmetapher für nicht-hierarchische Organisationsformen in der Netzkultur der Gegenwart). Der Tierstaat oder tierische Sozialformen können als utopisches Modell für kommunitaristische Weltordnungen dienen, als bildliche Darstellung sozialer Organisation oder als abschreckende Dystopie. Diese strukturelle Affinität zwischen der politischen Sphäre und der zoologischen Imagination bleibt noch genauer zu erforschen.

Folgende Fragenkomplexe sind denkbar:

Tiere als Herrscher / Tiere als »Masse«: Welche Regierungsform und welche Politik werden durch Tiere dargestellt / gefordert? Welche historischen Konzepte von »Vermassung« oder »Vergesellschaftung« lassen sich daran ablesen? Wie funktioniert die Analogisierung von biologischen (animalischen) und sozio-politischen Ordnungen? Welchen Stellenwert hat dabei der Moment der Selbstorganisation?

Tiere und Geschlecht: welche spezifisch männlichen oder weiblichen Imaginationen politischer Herrschaft bevölkern unser politisches Bestiarium (z.B. die Bienenkönigin als spezifisch weibliche, der Wolf als spezifisch männliche Figuration von Herrschaft)? Welche Rolle spielt Gender in ‚tierischen‘/ in Tierbildern dargestellten Gemeinschaften? Handelt es sich um Formen von Intersektionalität?

Mediale Repräsentationen politischer Tiere:
1.) Die »Fabel« und andere narrative Formen: Wie erzählt man über politische Tiere? Wie wird der König bzw. das Volk in der Fabel narrativ dargestellt?
2.) Tiere in Karikaturen, Comics, Graphic Novels und in der Animation. Was ist jeweils die Funktion der Bildlichkeit des Tiers, zwischen Entertainment und subversivem Potential (von Disney’s DSCHUNGELBUCH zu Art Spiegelman’s MAUS)?
3.) Tiere im Film oder in der TV-Serie: z.B. im B-Movie als Bedrohung der menschlichen Welt von einem radikalen Außenstandpunkt oder als zur Gefahr gewordener Teil des eigenen Lebensumfelds (z. B. THE BIRDS, USA 1963, PLANET OF THE APES, USA 1968; PHASE IV, USA 1974, ARACHNOPHOBIA, USA 1990, STARSHIP TROOPERS, USA 1997, ANTZ, USA 1998). Inwiefern kann die Nicht-Individualisierung der Tiere (Spinnen, Vögel) als politische Allegorie interpretiert werden? Welche Implikationen ergeben sich wiederum, wenn die Tiere als Kollektivkörper, als kollektives Individuum agieren? Welche politischen Idealbilder verbergen sich hinter den zahlreichen Anthropomorphisierungen? Welche Beziehung zwischen Mensch und Tier wird imaginiert?

Falls Sie an der Tagung interessiert sind schicken Sie bitte ein Abstract von 250-300 Wörtern und ein kurzes CV bis zum 30. November 2012 an das »Attract«-Projekt »Ästhetische Figurationen des Politischen« (info@figurationen.lu) und an Prof. Dr. Susanne Scholz (s.scholz@em.uni-frankfurt.de) und Dr. Martin Doll (martin.doll@uni.lu).

Weitere Informationen auch unter: http://figurationen.lu

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English Version:

1. Animals as symbols/images of sovereign power:
From the very beginning of political theory, the border between man and beast has been symbolically deployed to represent the limits of sovereign power or political participation. Outside of
the polis, Aristotle claimed, there were only animals, gods and idiots. This traditional distinction between man, the zoon politikon, and the animal world has come under pressure in recent years. Despite their symbolic exclusion from the realm of political action, animals have been at the centre of political thought from its very beginning, mainly in the form of metaphors and symbols, and the cultural history of political zoology knows great numbers of animal comparisons. Classical heraldic animals like the lion or the horse draw on certain iconographic and metaphoric traditions; in essence these constitute the (pictorial) conventionalization of cultural narratives whose semantic field stretches from the Sphinx of Gizeh which represents the pharaoh with the body of a lion, to the symbolism of Leviathan (the sea monster which is traditionally represented as a whale), to Machiavelli’s exhortation to the prince to act like a fox, to the symbolic potential/potency of the wolf (not only in Hobbes).

2. Animal collectives and human communities
While the iconographic tradition of animal comparisons has been well researched in recent years, the imagery of animal collectives for human communities has as yet all but escaped scholarly attention. The relation of animal and human collectives can take different forms. It can appear as

- a relation of opposition, in which participation in political communities of any kind remains a privilege of the human, resulting in political exclusion for the ‘animal part’ of the comparison (as in traditional interpretations of the zoon politikon), or a reversal of this constellation, in which it is a characteristic of the animal world to live in communities and of the human to individualize (as in Hobbes’ use of the wolf metaphor);

- a relation of correspondence in which animal and socio-political communities are analogized with the effect to naturalize, but also to critique forms of power and political order;

- a relation of equivalence, which interrogates the political nature of the relationship of man and animal.

All of these negotiate the anthropological issue of how to differentiate between man and beast (with its implications for questions of agency and the respective values of rationality and emotion, mind and matter, individualism and civic virtue) in the arena of collective thought and action.

The conference wants to focus on the structural affinities between zoological imagination and the political sphere. We are especially interested in the second form of relating human and animal communities. Traditions here reach from pastoral notions of the Shepherd and his flock, to Mandeville’s use of state building insects in The Fable of the Bees, to the metaphor of the swarm in recent notions of swarm intelligence (i.e. non-hierarchical forms of organization in today’s net culture). As the examples make clear, animal comparisons can serve as utopian models for a communitarian way of life just as they function as dystopian deterrents arguing against loss of individual agency and autonomy.

We encourage papers dealing with the following topics:

Animals as sovereigns/ animals as mass phenomenon: which forms of government and political order are represented in animal imagery? Which historical concepts of mass society, collectivization or state building are represented? Which analogies are drawn between biological/ zoological and socio-political forms of order? What is the value of self-organisation?

Animals and gender: which specifically masculine or feminine imaginations inhabit our political bestiarium? How does gender interact with political animal images such as the bee queen, the lone wolf, the lion king etc.? What is the role of gender in animal communities? Are we to describe these as intersectional instances of othering?

Medialisation of political animals:
1. In literature and cultural narrative: which narrative models exist to represent political animals? How are monarchs and peoples represented in the genre of the fable as the classical ‘animal narrative’? How is animal imagery used in the poetic imagination: as allegory, metaphor, emblem?
2. In caricature, comic, graphic novel and animated movie: what is the function of animals here, between entertainment and subversive potential (from Disney’s JUNGLE BOOK to Art Spiegelman’s MAUS).
3. In feature films and TV productions (e.g. THE BIRDS, USA 1963, PLANET OF THE APES, USA 1968; PHASE IV, USA 1974, ARACHNOPHOBIA, USA 1990, STARSHIP TROOPERS, USA 1997, ANTZ, USA 1998). How and why are animals represented as collective bodies? In how far can the non-individualisation of animals be read as a political metaphor, and which ideals and fears are articulated? How do these productions imagine the relation of man and animal?

If you are interested please send an abstract of 250-300 words and a short CV to to the Attract Project »Aesthetic Figurations of the Political« (info@figurationen.lu) and to Prof. Dr. Susanne Scholz (s.scholz@em.uni-frankfurt.de) und Dr. Martin Doll (martin.doll@uni.lu) by 30 November 2012. We will try to secure funding for travel costs and accommodation but we encourage you to apply for funding if your own institution can provide travel grants.

For more informationen see also: http://figurationen.lu

Programm

Kontakt

Martin Doll / Oliver Kohns
Universität Luxemburg
Fakultät für Sprachwissenschaften und Literatur, Geisteswissenschaften, Kunst- und Erziehungswissenschaften
Route de Diekirch
L-7220 Walferdange

martin.doll@uni.lu
und
oliver.kohns@uni.lu

Susanne Scholz
Institut für England- und Amerikastudien, Goethe-Universität, Grüneburgplatz 1, 60323 Frankfurt/ Main
s.scholz@em.uni-frankfurt.de

http://www.fzhg.org/
Redaktion
Veröffentlicht am
Beiträger
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Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Englisch, Deutsch
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