Arbeitsrhythmus und Anstaltsalltag. Arbeit als Therapie in psychiatrischen Anstalten vom Kaiserreich bis in die Zeit des Nationalsozialismus

Arbeitsrhythmus und Anstaltsalltag. Arbeit als Therapie in psychiatrischen Anstalten vom Kaiserreich bis in die Zeit des Nationalsozialismus

Veranstalter
Prof. Dr. Schmiedebach / Dr. Ankele, Institut für Geschichte und Ethik der Medizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf; in Kooperation mit Prof. Dr. Eva Brinkschulte, Bereich Geschichte, Ethik und Theorie der Medizin der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Veranstaltungsort
Institut für Geschichte und Ethik der Medizin (Haus N30b), Großer Hörsaal (EG)
Ort
Hamburg-Eppendorf
Land
Deutschland
Vom - Bis
11.04.2013 - 12.04.2013
Von
Monika Ankele, Institut für Geschichte und Ethik der Medizin Hamburg

In der Weimarer Reichsverfassung von 1919 wurde festgehalten, dass „[j]eder Deutsche […] unbeschadet seiner persönlichen Freiheit die sittliche Pflicht [hat], seine geistigen und körperlichen Kräfte so zu betätigen, wie es das Wohl der Gesamtheit erfordert“. Im Kontext des Weimarer Sozialstaates schien sich – diesem Grundsatz folgend – die Wiederherstellung der Arbeitskraft zu einer medizinischen Leitidee zu entwickeln, der die Psychiatrie mit der Ausweitung der Arbeitstherapie nachzukommen versuchte. Patienten wurden auf dem Anstaltsgelände oder in einer Pflegefamilie für Arbeiten, vorzugsweise im landwirtschaftlichen, handwerklichen oder häuslichen Bereich, herangezogen. Die Arbeitsfähigkeit der psychisch Kranken zu verbessern, um ihnen die als notwendig erachtete Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu ermöglichen, war deklariertes Ziel. Darüber hinaus hatte die Arbeitstherapie auch einen ökonomischen Zweck: Über die von den Patienten erbrachten Arbeitsleistungen sollten sich die staatlichen Ausgaben für den Anstaltsbetrieb minimieren. Diese Trendwende in der Behandlung psychisch Kranker war jedoch keineswegs unumstritten. Ebenso wenig stellte sie ein Novum dar. Die Vorstellung, dass Arbeit und Beschäftigung sich therapeutisch nutzen lassen, existierte bereits seit dem frühen 19. Jahrhundert. Und in der NS-Zeit stellte die Arbeitsfähigkeit das entscheidende Selektionskriterium der systematischen Massenvernichtungsaktionen dar. Ziel der Tagung ist es, das Ineinandergreifen von ökonomischen und (sozial-)politischen Gegebenheiten, therapeutischen Zielsetzungen und kulturellen Deutungsmustern am Beispiel der Arbeitstherapie in der Zeit von Kaiserreich bis in die Zeit des Nationalsozialismus zu erfassen und anhand konkreter Fallbeispiele zu erörtern.

Um eine Anmeldung zur Tagung wird bis zum 25.03.2013
per E-Mail an m.ankele@uke.de gebeten. Die Tagungsgebühr beträgt 10.- € (Barzahlung vor Ort).

Programm

Donnerstag, 11.04.2013:

14.00 Uhr
Begrüßung und Einführung in das Thema
Prof. Dr. Heinz-Peter Schmiedebach und Dr. Monika Ankele

14.45 - 15.30 Uhr
Sektion I: Arbeit in der „Irrenanstalt“ – Ordnung und Organisation
Moderation: Prof. Dr. Heinz-Peter Schmiedebach

Neutralisierung „sozialer Folgen“ psychischer Krankheit oder „Die Irrenanstalt nach allen ihren Beziehungen“? Irrenanstalt als Organisation
Dr. Kai Sammet (Hamburg)

15.30 – 16.00 Uhr Pause

16.00 – 17.30 Uhr
Sektion II: Patienten-Arbeit vor dem Ersten Weltkrieg – Therapie und Ökonomie
Moderation: Prof. Dr. Eva Brinkschulte

Heilsam, förderlich, wirtschaftlich – Zur Rechtfertigung der Arbeitstherapie in der Landes- Heil- und Pflegeanstalt Uchtspringe 1894-1914
Anna Urbach (Magdeburg)

Patienten-Arbeit in ländlichen psychiatrischen Anstalten. Form, Inhalt und Bewertung im Spannungsfeld zwischen therapeutischem Zweck und ökonomischem Nutzen
Dr. Thomas Müller (Ravensburg)

17.30 – 17.45 Uhr Pause

17.45 – 18.30 Uhr
Museum im Aufbau. Präsentation des Ausstellungskonzepts für das Medizinhistorische Museum Hamburg und Führung durch die Sammlung
Dr. Antje Zare, Kuratorin

Freitag, 12. April 2013

10.00 – 12.15 Uhr
Sektion III: Arbeitstherapie in der Weimarer Zeit – Legitimation und Arbeitsalltag
Moderation: Prof. Dr. Heinz-Peter Schmiedebach

Der Worumwille von Arbeit als Therapie. Zur Anthropologie und Ethik psychiatrischer Arbeitstherapie der Weimarer Zeit
Dipl.-theol. Mathias Wirth (Hamburg)

Arbeit und Arbeitstherapie im Alltag der Staatskrankenanstalt Langenhorn bei Hamburg –Patientenperspektiven
Dr. Monika Ankele (Hamburg)

Praktiken der Normalisierung – Bildung und Arbeit für „geistesschwache“ Kinder und Jugendliche in den Wittenauer Heilstätten
Dr. Petra Fuchs (Berlin)

12.15 – 13.00 Uhr Pause

13.00 – 14.30 Uhr
Sektion IV: Arbeit in der Psychiatrie im Nationalsozialismus Leistungsparameter und Selektionskriterium
Moderation: Prof. Dr. Eva Brinkschulte

Arbeit und Gesundheit in der psychiatrischen Einweisungspraxis des Zweiten Weltkrieges
Stefanie Coché, M. A. (Köln)

„Arbeitet nichts…“ – ökonomische „Brauchbarkeit“ als Selektionskriterium der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Aktion „T4“
Dr. Maike Rotzoll (Heidelberg)

14.30 – 15.15 Uhr
Abschlussdiskussion
Moderation: Prof. Dr. Heinz-Peter Schmiedebach, Dr. Monika Ankele, Prof. Dr. Eva Brinkschulte

Kontakt

Monika Ankele

Institut für Geschichte und Ethik der Medizin Hamburg

m.ankele@uke.de

http://www.uke.de/institute/geschichte-medizin/downloads/institut-geschichte-ethik-medizin/20130411_TagungArbeitsrhythmus_online.pdf