Egodokumente oder Selbstzeugnisse, seien es Tagebücher, Erinnerungen, Reisebeschreibungen oder Selbstreflexionen jeglicher Art, haben die Nachwelt von jeher interessiert, sie erfreuen sich jedoch seit den 1980er Jahren des besonderen und kontinuierlichen Interesses der Historiker, erlauben sie doch einen tieferen Einblick in das Denken und Fühlen von Menschen anderer Epochen als die meisten anderen Quellen. Im Folgenden sollen unter Selbstzeugnissen oder Niederländisch Egodocumenten nach einer Definition von Rudolf Dekker Texte verstanden werden, „waarin die auteur spreekt over eigen handelen en gevoelens of over zaken die hem perzoonlijk bezighouden“ (1988) und deren wichtigstes Kriterium nach Benigna von Krusenstjern die „Selbstthematisierung“ des Autors ist (1994). Ihr inhaltlich-formales Spektrum reicht von Selbstkonstruktion und Selbstinszenierung über Selbstreflexion und Selbstrechtfertigung bis hin zu Berichten über das tägliche Leben zu Hause und über Reisen in die Fremde.
In ihrer ganzen Vielfalt begegnen Selbstzeugnisse in Adelsarchiven. Dies hängt mit der besonderen Stellung des Adels in der frühneuzeitlichen Gesellschaft zusammen. Zunächst verstehen sich Adelige in besonderer Weise als Repräsentanten ihres Standes und ihrer Familie, wie dies exemplarisch an der Stiftung von Fideikommissen vor allem seit dem 17. Jahrhundert deutlich wird. Dabei überschreiten die familiären Netzwerke nicht selten die Grenzen von Konfessionen, Territorien und Nationen. Aufgrund der finanziellen Lage und der sozialen Stellung des Adels verfügten wenigstens die männlichen Vertreter über ein gewisses Maß an Bildung, das sie durch Reisen erweitern und vertiefen konnten. Während der weitere Lebensweg die einen zu Verwaltern ihrer Güter bestimmte, führte er die anderen in geistliche oder weltliche Stifte, an fürstlichen Höfe oder zum Militär, was diesen wiederum ein hohes Maß an Mobilität ermöglichte. Schließlich waren sie unter Berufung auf die Declaratio Ferdinandea bis ins 17. Jahrhundert hinein in der Wahl und Ausübung ihrer Konfession freier als andere gesellschaftliche Gruppen. Sie verfügten über die Muße, Reflexionen über sich selbst zu verfassen, und die Chance, dass ihre Papiere erhalten blieben, war dadurch gewahrt, dass sie auf ihren Häusern eigene Archive unterhielten.
Der Deutsch-Niederländische Arbeitskreis für Adelsgeschichte bzw. de Nederlands-Duitse Kring voor Adelsgeschiedenis, eine Gruppe von Archivaren und Historikern aus Nordwestdeutschland und den Niederlanden, die sich mit Adelsgeschichte befassen, wird seine dritte Tagung dieser Quellengruppe der Selbstzeugnisse bzw. Egodocumenten in Adelsarchiven widmen. Unterstützt wird er dabei von den Vereinigten Westfälischen Adelsarchiven e.V. Nach zwei einleitenden Referaten von Rudolf Dekker und Maarten van Driel über die Besonderheiten adeligen Selbstverständnisses und seines Ausdrucks wird der erste Teil von Selbstzeugnissen landsässiger Adeliger bestimmt, die sich auf ihren Gütern über Fragen der Familie, der Konfession und des täglichen Lebens äußern. Der öffentliche Abendvortrag wird die Tagebücher des Deutschen Sigurd von Ilsemann vorstellen, der Kaiser Wilhelm II. ins niederländische Exil folgte und dort seine Position als Deutscher auf niederländischem Boden neu bestimmen musste.
Der zweite Tag ist zunächst Selbstzeugnissen von Adeligen als Kavalieren und Militärs auf Reisen gewidmet; mit den Aufzeichnungen von General Graf Gronsveld begegnet hier auch ein Selbstzeugnis in seiner Entwicklung von der handgeschriebenen Erstfassung bis zur Veröffentlichung im Druck. In der letzten Arbeitssitzung, die sich ausschließlich mit Selbstzeugnissen von adeligen Frauen im 19. und frühen 20. Jahrhundert befasst, werden diese auf die Eigenheiten von Tagebücher weiblicher Verfasser, auf die Rolle der adeligen Hausfrau und Mutter und schließlich auf die der Beobachterin einer untergehenden Adelskultur hin untersucht.
Anmeldungen: werden bis zum 31. Mai 2013 an das LWL-Archivamt für Westfalen erbeten. Das Anmeldeformular finden Sie unter http://www.lwl-archivamt.de.
Kosten: 25,00 € (Tagungsgebühr) bzw. 10,00 € (Studenten) werden bei der Anmeldung im Tagungsbüro erhoben.
Unterkunft: Unter dem Stichwort „Egodokumente“ sind bis zum 24.05.2013 Zimmer im Hotel Europa reserviert. Diese Zimmer können gebucht werden über: Münster Marketing, Tel.: 0049 (0) 251 492 2726, Fax: 0049 (0) 251 492 7759, E-Mail: tourismus@stadt-muenster.de.
Kontakt LWL-Archivamt für Westfalen, Jahnstr. 26, D-48147 Münster Tel.: 0049 (0) 251 591-3890, Fax: 0049 (0) 251 591-269, E-Mail: lwl-archivamt@lwl.org, http://www.lwl-archivamt.de