Kulinarische "Heimat" und "Fremde". Migration und Ernährung im 19. und 20. Jahrhundert

Kulinarische "Heimat" und "Fremde". Migration und Ernährung im 19. und 20. Jahrhundert

Veranstalter
Institut für Geschichte des ländlichen Raumes (IGLR), Niederösterreichisches Landesarchiv (NÖLA) und Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück
Veranstaltungsort
NÖ Landhaus, A-3109 St. Pölten, Landhausplatz 1, Ostarrichi-Saal
Ort
St. Pölten
Land
Austria
Vom - Bis
24.05.2013 - 25.05.2013
Deadline
10.05.2013
Von
Ernst Langthaler

Migration und Ernährung zählen nicht zu den traditionsreichsten Themen der Geschichtswissenschaft; sie wurden erst in letzter Zeit im Zuge sozial- und kulturwissenschaftlicher Blickerweiterungen als relevante Forschungsfelder erschlossen. Die Migrationsgeschichte hat die Ernährung als ein wichtiges Interaktionsfeld zwischen MigrantInnen und Aufnahmegesellschaft ausgemacht. Die Ernährungsgeschichte hat an zahlreichen Fallbeispielen gezeigt, wie menschliche Nahrungsweisen und die ihnen zugeschriebenen Bedeutungen direkt mit Migrationen zusammenhängen. Kurz, Ernährung und Migration sind eng verflochtene Phänomene.

Migrationshistorische Perspektive: Essen bildete im Migrationsprozess eine Form von cultural baggage, die eine identitäts- und differenzstiftende Wirkung entfalten konnte. Ernährung führte den MigrantInnen nicht nur lebensnotwendige Nährstoffe zu, sondern diente auch als Zeichen des Eigenen und Fremden – gemäß dem Diktum We Are What We Eat (Donna C. Gabaccia). Im (nicht selten spielerischen) Umgang mit Essen als bedeutungstragendem Symbol verorteten sich verschiedene Generationen von MigrantInnen in einer kulinarischen „Heimat“, die wie alle kulturellen Phänomene zumeist sehr fluide war.

Ernährungshistorische Perspektive: Die europäischen Ernährungskulturen nicht nur der Eliten, sondern auch der Bevölkerung insgesamt stehen seit dem 19. Jahrhundert vermehrt in großräumigen, internationalen bis globalen Austauschbeziehungen. Vor allem die westlichen Wohlstandsgesellschaften orientierten sich seit den 1950er Jahren an der „Verfeinerung“ des Essens (Michael Wildt); da eine zunehmende Zahl von Menschen im Urlaub ins Ausland fuhr, galt „internationale“ Küche vor allem in den Großstädten als modisch. Italienische, chinesische und andere GastronomInnen profitierten von diesem Hunger nach Internationalität im Besonderen, Distinktion im Allgemeinen – und passten die Gerichte ihrer Herkunftsländer dem Geschmack der europäischen Kundschaft an.

Die Tagung Kulinarische "Heimat" und "Fremde“ widmet sich den historischen Wechselbeziehungen zwischen Migration und Ernährung. Sie sucht die Perspektiven von MigrantInnen und „Einheimischen“ dabei gleichermaßen einzubeziehen.

Programm

Freitag, 24. Mai 2013

Einführung

9:00: Begrüßung und Eröffnung

9:30: Ernährung in der Migrationsgeschichte (Sylvia Hahn, Universität Salzburg)

10:00: Migration in der Ernährungsgeschichte (Martina Kaller-Dietrich, Universität Wien)

10:30: Pause

Panel 1: Kulinarische Heimatgefühle

11:00: Von der Farm zum Stammtisch: Essenskulturen deutscher Einwanderer in Nordkalifornien im 19. und 20. Jahrhundert (Leonard Schmieding, Universität Leipzig)

11:20: Europäische Ernährung in der Migration – das Beispiel Brasilien (Tim Wätzold, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt)

11:40: Heimat in der Fremde? Europäisches Ernährungs- und Konsumverhalten im China des 19. Jahrhunderts (Christine Howald, Universität Tsinghua)

12:00: Kommentar (Wiebke Sievers, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien)

12:15: Diskussion

13:00: Mittagspause

Panel 2: Kulinarische Identitätsstiftungen

14:00: Kulinarische Heimat Habsburgermonarchie. Sprache als identitäts- und differenzstiftende Ressource im Vielvölkerstaat (Eveline Wandl-Vogt, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien)

14:20: Alles koscher? Die Erfindung eines jüdischen "ethnic food" im urbanen Kontext (Daniel Gerson, Universität Bern)

14:40: Ernährung und Identität bei österreichischen Migrantinnen in Großbritannien seit 1945 (Isabel Schropper, Wien)

15:00: Kommentar (Christoph Reinprecht, Universität Wien)

15:15: Diskussion

16:00: Pause

Panel 3: Kulinarisches Konfliktpotential

16:30: Im Kräftefeld des Essens. Ernährungsalltag ländlicher Zwangsarbeiter/-innen im Reichsgau Niederdonau 1939-1945 (Ernst Langthaler, IGLR, St. Pölten)

16:50: Bohnen, Speck und Schnaps versus Weissbrot, Bananen und Salami? Das Essen als Konflikt- und Kooperationspotential auf europäischen Bauernhöfen in der Nachkriegszeit (Peter Moser, Archiv für Agrargeschichte, Bern)

17:10: Aneignungen und Entfremdungen: Symbolische Dimensionen des Nahrungskonsums im Migrationsprozess am Beispiel russischsprachiger Juden in Israel und Deutschland (Julia Bernstein, Universität Köln)

17:30: Kommentar (Oliver Kühschelm, Universität Wien)

17:45: Diskussion

18.30: Pause

19:00: Fest anlässlich 10 Jahre IGLR und der Präsentation des NÖ Zentrums für Migrationsforschung

Samstag, 25. Mai 2013

Panel 4: Kulinarische Kontaktzonen

9:00: Vom ambulanten Handel zum Eissalon. Die Geschichte italienischer Eismacher in Deutschland (Maren Möhring, Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam)

9:20: Die Küche der „Anderen“. Chinesische Gastronomie und Ethnizität in Westeuropa 1950-1980 (Lars Amenda, IMIS, Universität Osnabrück)

10:40: Kimchi – Geschmack und Migration. Zur Nahrungskultur von Koreanern in Deutschland (Song Gin-Young, Universität Tübingen)

10:00: Kommentar (Annemarie Steidl, Universität Wien)

10:15: Diskussion

11:00: Pause

Schlussrunde

11:30: Einsichten - Übersichten - Aussichten (Podiums- und Plenumsdiskussion)

12:30: Kleiner Imbiss

Die Tagungsgebühr beträgt EUR 10 (bei Anmeldung bis 10.5.2013) bzw. EUR 15 (bei Nachmeldung). Sie beinhaltet Tagungsmappe, Erfrischungsgetränke und Snacks in den Pausen sowie den verbilligten Bezug des Tagungsbandes (20 statt 30 Euro). Studierende sind bei Vorlage einer Inskriptionsbestätigung von der Tagungsgebühr befreit. Die Teilnahme an der Abendveranstaltung am 24.5.2013 ist kostenlos. Um Anmeldung mittels Web-Formular auf www.ruralhistory.at bis 10.5.2013 wird gebeten.

Kontakt

Anne Unterwurzacher

Institut für Geschichte des ländlichen Raumes
A-3109 St. Pölten, Kulturbezirk 4
+43-2742-9005-16238
+43-2742-9005-16275

anne.unterwurzacher@migrationsforschung.at

http://www.ruralhistory.at