Workshop: 'Guter Rat. Glück und Erfolg in der Ratgeberliteratur 1900-1940'

Workshop: 'Guter Rat. Glück und Erfolg in der Ratgeberliteratur 1900-1940'

Veranstalter
Stephanie Kleiner / Robert Suter, Wissenschaftliche Mitarbeiter im Konstanzer Exzellenzcluster "Kulturelle Grundlagen von Integration"
Veranstaltungsort
Universität Konstanz, Tagungsraum K 7
Ort
Konstanz
Land
Deutschland
Vom - Bis
11.04.2013 - 12.04.2013
Website
Von
Stephanie Kleiner / Robert Suter

Glück und Erfolg können als regulative Leitideen bei der Gestaltung individueller Lebensläufe im 20. Jahrhundert gelten. Als „trading zone“ (Galison 1997) zwischen Gegenwartsgestaltung und Zukunftsplanung, Psychologie und Lebensphilosophie, kollektiven Ansprüchen und individuellen Wünschen, ökonomischer Realität und phantasmatischer Anspruchshaltung hat sich dabei die Ratgeberliteratur etabliert. Ihre Analyse ermöglicht die Rekonstruktion konkreter alltäglicher Praktiken, die Glück und Erfolg mit spezifischen Subjektivierungsformen kombinieren und dadurch in eine symbolische Ordnung überführen. Durch solch eine praxeologische Annäherung will der Workshop die vielfältigen und keineswegs immer harmonischen Beziehungen zwischen Glück und Erfolg thematisieren. Indem er zudem das Augenmerk auf die Zeitspanne von 1900 bis 1940 legt, wird ein von der historisch, soziologisch und literaturwissenschaftlich ausgerichteten Forschung, deren Interesse bislang mehr der Genealogie der Therapiegesellschaft nach dem 2. Weltkrieg (Brüsemeister 2004; Traue 2010; Illouz 2011; Maasen 2011) oder einer zeitübergreifenden Kulturgeschichte des Ratgebens (Helmstetter 1999) galt, wenig behandelter Zeitraum ins Zentrum des Interesses gerückt. Diese Zurückhaltung überrascht umso mehr, als die Expansion des Beratungswissens, wie insbesondere am Beispiel der Sexualberatung nachgewiesen worden ist (Maasen; Jensen 2011), schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beginnt (Himes 1940). In diesem Zeitraum werden durch die Psychoanalyse die Grundlagen für die Therapiegesellschaft gelegt, zentrale Konzepte wie die Autosuggestion eingeführt, die Unsicherheiten der Moderne als Zeitalter der Extreme durch stark normativ gefärbte Verhaltenslehren bekämpft (Lethen 1994). Nicht zufällig fallen Klassiker wie Emile Coués La maîtrise de soi-même par l’autosuggestion consciente (1922), Gustav Großmanns Sich selbst rationalisieren (1927), Napoleon Hills The Law of Success (1928) oder Franz Jungs Essays über Glückstechniken (1921-23) in diese Sattelzeit der Ratgeberliteratur. Anders als in der späteren Ratgeberliteratur stand in diesen Ratgebern nicht das Phantasma einer direkten Interaktion, wie sie durch die therapeutische Szene vorgegeben ist, im Mittelpunkt, sondern die indirekte suggestive Einflussnahme in Schriftform, die sich in Rezeptionsanweisungen, aber auch in der Empfehlung bestimmter Aufschreibepraktiken niederschlug. Die medialen Implikationen schriftlicher Ratgeber, die sich an ein zerstreutes Rezepientenkollektiv richteten, sollen am geplanten Workshop mitreflektiert werden.

Der Workshop verfolgt daher primär zwei Erkenntnisinteressen: 1) Zunächst geht es darum, anhand der Ratgeberliteratur eine historische Typologie glücks- und/oder erfolgsbasierter Subjektivierungsformen aufzustellen, um dadurch einen Rahmen zu schaffen, der die mit ihnen verbundenen Formen sozialer Agency vergleichbar macht; 2) gilt das Interesse der den Ratgebern eigenen Mediologie, d.h. jenen Techniken der indirekten Lenkung, die Individuen in die Lage versetzen sollen, sich selbsttätig auf in der Zukunft liegende Glücks- und Erfolgsmomente auszurichten.

Brüsemeister, Thomas, Rainer Schützeichel (Hg.), Die beratene Gesellschaft. Zur gesellschaftlichen Bedeutung von Beratung, Wiesbaden 2004.
Coué, Emile, Die Selbstbemeisterung durch bewußte Autosuggestion [1922], Basel 2005.
Gallison, Peter, Image & logic. A material culture of microphysics, Chicago 1997.
Großmann, Gustav, Sich selbst rationalisieren. Lebenserfolg ist lernbar [1927], Grünwald 1993.
Helmstetter, Rudolf, „Guter Rat ist (un)modern. Die Ratlosigkeit der Moderne und ihre Ratgeber“, in: Gerhart von Graevenitz (Hg.), Konzepte der Moderne (DFG-Symposion 1997), Stuttgart 1999, S. 147-172.
Himes, Norman Edwin, Your marriage. A guide to happiness, New York/Toronto 1940.
Illouz, Eva, Die Errettung der modernen Seele, Frankfurt am Main 2011.
Jensen, Uffa, „Die Konstitution des Selbst durch Beratung und Therapeutisierung. Die Geschichte des Psychowissens im frühen 20. Jahrhundert“, in: Maasen, Sabine, Jens Eberfeld, Pascal Eitler und Maik Tändler, Hg., Das beratene Selbst. Zur Genealogie der Therapeutisierung in den ‚langen’ Siebzigern, Bielefeld 2011, S. 37-56.
Jung, Franz, Die Technik des Glücks / Mehr Tempo! Mehr Glück! Mehr Macht! [1921-23], Hamburg 1987.
Lethen, Helmut, Verhaltenslehren der Kälte. Lebensversuche zwischen den Kriegen, Frankfurt am Main 1994.
Maasen, Sabine, Jens Eberfeld, Pascal Eitler und Maik Tändler (Hg.), Das beratene Selbst. Zur Genealogie der Therapeutisierung in den ‚langen’ Siebzigern, Bielefeld 2011.
Traue, Boris, Das Subjekt der Beratung. Zur Soziologie einer Psycho-Technik, Bielefeld 2010.

Programm

Programm zum Workshop:
„Guter Rat. Glück und Erfolg in der Ratgeberliteratur, 1900-1940“,
11./12. April 2012, Tagungsort: Universität Konstanz, Raum K7

(Konzept und Organisation: Stephanie Kleiner und Robert Suter)

Donnerstag, 11. April 2012

Panel I (Moderation: Robert Suter)

09.00-09.30h:
Stephanie Kleiner/Robert Suter (Konstanz): Einleitung

09.30-10.30h:
Rudolf Helmstetter (Erfurt):
Erfolg – ein Begriffs-Parvenu. Zu einem Phantasma der Moderne

10.30-11.00h: Kaffeepause

11.00-12.00h:
Stefanie Duttweiler (Zürich):
Glück durch dich Selbst. Subjektivierungsformen in der Ratgeberliteratur der 1920er Jahre

12.00-13.30h: Mittagspause

Panel II (Moderation: Bernhard Kleeberg)

13.30-14.30h:
Wim Peeters (Dortmund):
Selbsthilfe durch die „Macht des Beispiels“. "Der Weg zum Erfolg durch eigene Kraft" von Hugo Schramm-Macdonald

14.30-15.30h:
Astrid Ackermann (Jena):
„Das Glück im Kleinen“. Weibliche und männliche Wege zum Glück in der Ratgeberliteratur

15.30-16.00h: Kaffeepause

16.00-17.00h:
Roman Rossfeld (Zürich):
„Kundschaft ist kein Erbgut“. Handelsreisende im Spiegel der modernen Ratgeberliteratur, 1880-1930

17.00h-18.00h:
Malte Bachem (Zürich):
Beruf und Persönlichkeit. Zuordnungsroutinen der Berufsberatung in der Schweiz um 1920

Anschließend gemeinsames Abendessen

Freitag, 12. April 2012

Panel III (Moderation: Stephanie Kleiner)

09.00-10.00h:
Stefan Rieger (Bochum/Konstanz):
(Selbst-)Induktion. Zur Physik des Glücks

10.00-11.00h:
Heiko Stoff (Braunschweig):
Der erfolgreiche Mensch. Ludwig Lewins transatlantisches Projekt, 1928

11.00-11.30h: Kaffeepause

11.30-12.30h:
Thomas Steinfeld (SZ):
„Ich will, ich kann“. Über den doppelten Übergang der Lebensphilosophie zu Selbstoptimierung und Formalismus bei Broder Christiansen.

12.30-13.00h: Abschlussdiskussion

Kontakt

Stephanie Kleiner
Universität Konstanz
Postfach Y 213
Stephanie.Kleiner@uni-konstanz.de
Tel. 07531/885601