Workshop: Die Leges Barbarorum im fränkischen Frühmittelalter
Die Editionen der Lex Salica, die K. A. Eckhardt kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs vorlegte, erscheinen heute als Abschluss einer Periode passionierter Forschungen über die leges barbarorum, jene von den barbarischen Nachfolgekönigen Roms im Westen kodifizierten Rechtsbücher, die hierzulande noch immer als Volksrechte bezeichnet werden. Im Vergleich dazu erscheint die Zahl der sich diesem Felde widmenden Arbeiten in den letzten 50 Jahren beträchtlich reduziert, obwohl sich das Umfeld grundlegend gewandelt hat. Traditionelle Theorien zur ethnischen Identität, namentlich die Ethnogenese Forschung sind infrage gestellt worden, die Meistererzählung vom Untergang Roms ist der „Transformation der römischen Welt“ gewichen, die die Verwandlung und nicht so sehr den Bruch zwischen christlicher (Spät-)Antike und frühem Mittelalter betont. Angesichts dieser mit großem wissenschaftlichen Aufwand und Output verbundenen Paradigmenwechsel fristen die leges heute vergleichsweise ein Schattendasein innerhalb der Frühmittelalterforschung. Gerade diese Paradigmenwechsel erlauben aber eine neue Interpretation dieser Rechtstexte, beispielsweise hinsichtlich stärker konstruiert als ererbt erscheinender ethnischer Identität, oder als Instrumente der Vergewisserung königlicher Autorität in der Tradition römischer Herrschaft (Goetz / Jarnut / Pohl 2003). Überwinden wir die Enge klassischer Rechtsschule-Theorien, eröffnen sich neue Wege der Reflexion, die von der Suche nach den Ursprüngen der modernen Nationen befreit sind (Geary 2002). Sobald die leges nicht länger für die Begründung einer unbeweglichen ethnischen Herkunft in Anspruch genommen werden, eröffnen sich Möglichkeiten, sie stärker als bislang zur grundsätzlichen Verfasstheit und Schriftform normativer Texte zu befragen; Fragen zu ihrer handschriftlichen Überlieferung zu stellen, zu ihrem Zweck und Nutzen in der frühmittelalterlichen Gesellschaft, abgesehen vom Mangel an Beweisen für ihre tatsächliche Anwendung; Fragen zu ihrem ursprünglichen Aufkommen, ihrer weiten Verbreitung und schließlich ihrem Wiederverschwinden im Verlauf des frühen Mittelalters. Dies alles sind mögliche Fragen, die wir in diesem Workshop behandeln möchten. Dazu haben wir Forscher_innen eingeladen, die augenblicklich Forschungsprojekte über die leges barbarborum im fränkischen Frühmittelalter entwickeln, ihre Arbeit mit uns zu teilen.