Salman Schocken. Archäologie eines deutsch-jüdischen Lebens und seines Kontextes

Salman Schocken. Archäologie eines deutsch-jüdischen Lebens und seines Kontextes

Veranstalter
Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz; Dr. Sabine Wolfram und Doreen Mölders M.A.
Veranstaltungsort
Vortragssaal im Staatlichen Museum für Archäologie Chemnitz
Ort
Chemnitz
Land
Deutschland
Vom - Bis
07.10.2013 - 09.10.2013
Deadline
13.09.2013
Von
Doreen Mölders

Als Salman Schocken den „jüdischen Menschen“ in seiner Maccabäerrede 1913 mit den Worten „geschäftige Berufsarbeit und äußerlicher Genuß sind die zwei Welten seines Daseins“ beschrieb, charakterisierte er sich selbst damit ausgesprochen treffsicher. In seiner Person waren Eigenschaften vereint, die ihn nicht nur zu einem der erfolgreichsten Unternehmerfiguren der Weimarer Republik, sondern auch zum Literaturliebhaber, Sammler, Kunstmäzen, Bauherrn und glühenden Verfechter einer Renaissance jüdischer Philanthropie werden ließen. Ausdruck seiner sachlich kaufmännischen Tätigkeit einerseits sowie seiner Leidenschaft für deutsche und jüdische Kultur andererseits sind unter anderem der Schocken Warenhauskonzern mit über 30 Filialen, eine umfangreiche Privatsammlung mit Erstdrucken, Manuskripten, Grafiken, Plastiken und Münzen sowie die Schocken-Bücherei mit 92 Bänden als prominenteste Publikationsreihe des Schocken Verlags in Berlin.

Als Unternehmer, Bibliophiler, Kunst- und Kulturmäzen, aber vor allem als Zionist bewegte er sich in einem kulturpolitisch einflussreichen Netzwerk, dessen Akteure wie Erich Mendelsohn, Martin Buber, Chaim Weizmann, Kurt Blumenfeld und später Hannah Arendt sein Denken und Wirken beeinflussten. Bis heute spiegelt sich die Verbindung aus einer wirtschaftlich-funktionellen Begabung und einem kreativ-intellektuellen Interesse in jenen Bauten des Schocken Konzerns deutlich wider, deren Schöpfer Erich Mendelsohn war. Dieser verstand es offensichtlich, den modernen kaufmännischen Visionen Salman Schockens ein passendes architektonisches Gesicht zu geben. Ein ausgezeichnetes Beispiel dieser Synthese ist das Kaufhaus Schocken in Chemnitz, das 1930 seine Türen für die Kundschaft öffnete. Dieser markante Bau mit „subtil aufeinander abgestimmten Größenverhältnissen“ (1) vereint bis ins Detail die Vorstellungen von Salman Schocken, industriell gefertigte Waren in einem entsprechend ästhetischen Ambiente anzubieten, ohne dass sich die Aufmerksamkeit der Kunden zu sehr auf das Haus richte.

Nachdem beide Protagonisten Deutschland 1933 aufgrund zunehmender antisemitischer Maßnahmen der Nationalsozialisten verließen, hielten sie an ihrer erfolgreichen Zusammenarbeit fest. So entwarf und realisierte Mendelsohn in Jerusalem die Schocken Villa, die Schocken Bibliothek und die Erweiterung der Hebräischen Universität, an deren Planung Salman Schocken maßgeblich beteiligt war. Nach nur wenigen Jahren verließ der eine wie der andere allerdings Palästina, um in die USA zu emigrieren.

Der Holocaust als auch die Erinnerungskultur beider deutscher Staaten nach 1945, die vielmehr auf Verdrängen, Vergessen und Auslassen ausgerichtet war, führten dazu, dass Salman Schocken und dessen jüdische Bildungsarbeit heute in Deutschland nahezu vergessen sind. Diese Lücke im kulturellen Gedächtnis will das Staatliche Museum für Archäologie im ehemaligen Kaufhaus Schocken Chemnitz zukünftig schließen. Ab 2014 sind drei Dauerausstellungen zu den Themen 1. Leben und Wirken des Architekten Erich Mendelsohn, 2. Geschichte und Philosophie des Schocken Konzerns sowie 3. die Person Salman Schocken als Sammler, Bibliophiler und Verleger zu sehen. Als Auftakt wollen wir im Rahmen der oben genannten internationalen wissenschaftlichen Tagung mit Expertinnen und Experten nicht nur über unsere Rechercheergebnisse und Ausstellungskonzepte diskutieren, sondern außerdem neue Fragen aus der jüdischen Zeit- und Kulturgeschichte sowie der Konsum- und Bauforschung an bekanntes Quellenmaterial stellen. Im Zentrum sowohl der Ausstellungen als auch der Tagung stehen die Gesellschafts- und Kulturarbeit der Protagonisten als Intellektuelle und Visionäre eines modernen Judentums einerseits und die Einordnung biographischer Daten in zeitgeschichtliche Diskurse andererseits. So ist beispielsweise danach zu fragen, in wie weit sich in der Kaufhausphilosophie des Schocken Konzerns der Aufstieg der deutsch-jüdischen Wirtschaftselite im Deutschen Kaiserreich und die ökonomisch-politische Moderne spiegeln.

Als Referentinnen und Referenten haben wir Verlegerinnen, Historiker, Kunst- und Literaturwissenschaftler sowie Architektinnen eingeladen. Die interdisziplinäre und internationale Ausrichtung der Tagung ist dabei auch eine Referenz an die Interessen sowie Lebens- und Schaffensräume von Salman Schocken und Erich Mendelsohn in Polen, Deutschland, Israel, England, Schweiz und den USA und an die globale Verbreitung ihres geistigen und materiellen Erbes.

Die Tagung ist öffentlich. Da die Plätze begrenzt sind, ist eine Anmeldung bis zum 13. September wünschenswert. Es wird eine Teilnahmegebühr in Höhe von reg. 30,- EUR/erm. 15,- EUR erhoben.

(1) Regina Stephan, »Die Ware ist das Primäre – ihrer Anpreisung dienen alle baulichen Maßnahmen«. Warenhäuser in Berlin, Breslau, Chemnitz, Duisburg, Nürnberg, Oslo und Stuttgart 1924 bis 1932. In: Erich Mendelsohn – Dynamik und Funktion. Realisierte Visionen eines kosmopolitischen Architekten (Ostfildern-Ruit 2003²) S. 130.

Programm

Montag, 07. Oktober 2013

8:00-9:00 Registrierung

9:00 Begrüßung

9:30 Konzeptvorstellung der „Erkerausstellungen“ im Staatlichen Museum für Archäologie Chemnitz

Prof. Dr. Regina Stephan (Mainz)
Leben und Wirken von Erich Mendelsohn

Dr. Jürgen Nitsche (Chemnitz)
Das Kaufhaus Schocken – Geschichte und materielle Welt

Sabine Hanke / Tomke Hinrichs M.A. (Dresden)
Salman Schocken – Bibliophiler, Sammler und Verleger

10:30 Pause

11:00 Eröffnungsvortrag

Prof. Dr. Julius H. Schoeps (Potsdam)
Salman Schocken und andere – der Aufstieg der deutsch-jüdischen (Wirtschafts-)Elite im Kaiserreich und in der Weimarer Republik

11:30 Panel 1: Salman Schocken: Zeithistorischer Kontext und die (Kultur-)Zionistische Bewegung
Moderation: Dr. Olaf Glöckner (Potsdam)

Anna Magdzinska M.A. (Poznan, Polen)
History and emigration of the Jews from the Province of Posen in 1870-1914

Dr. Clemens Vollnhals (Dresden)
Jüdisches Leben und Antisemitismus in Sachsen 1871-1945

12:30 Pause

13:30 Fortsetzung Panel 1

Dr. Stephen Poppel (New York, USA)
Salman Schocken and the Zionist Association

Dr. Stefanie Mahrer (Basel, Schweiz)
Salman Schocken: Lebensjahre in Palästina

14:30 Pause

15:00 Panel 2: Salman Schocken als Sammler und Bibliophiler, Moderation: Dr. Norbert Haase (Dresden)

Rabbi Baruch Yonin (Jerusalem, Israel)
Salman Schocken as a passionate collector of Judaica and Hebraica

Dr. Sigrid von Moisy (München)
Die Adalbert Stifter-Manuskripte der Schocken-Bibliothek

16:00 Diskussion

16:30 Führungen durch das ehemalige Kaufhaus Schocken Chemnitz

19:00 Empfang im Rathaus Chemnitz

Dienstag, 08. Oktober 2013

9:00 Uhr Panel 3: Die Schocken Verlage und das jüdische Buch, Moderation: Dr. Norbert Haase (Dresden)

Prof. Dr. Bernhard Greiner (Tübingen)
Die Juden in der Geschichte: Hermann Cohen und Heinrich Graetz in der Schocken-Bücherei

Dr. Anatol Schenker (Basel, Schweiz)
Der Schocken Verlag in Berlin

Racheli Edelman (Tel Aviv, Israel)
The history of the Schocken Publishing House Ltd. in Tel Aviv

10:30 Pause

11:00 Fortsetzung Panel 3

Prof. Dr. Barbara Hahn (Nashville, USA)
Hannah Arendt und der Schocken Verlag in New York

Altie Karper (New York, USA)
The History of the Schocken Publishing House in New York

Renate Evers (New York, USA)
Die Schocken-Bücherei in der Nachlasssammlung des Leo Baeck Institutes

12:30 Pause

13:30 Panel 4: Salman Schocken im Kontext jüdischer Kaufhausgeschichte und –philosophie
Moderation: Prof. Dr. Gerhard Dohrn-van Rossum (Chemnitz)

PD. Dr. Detlef Briesen (Gießen)
Die Entstehung des modernen Warenhauses

Dr. Thomas Lenz (Luxembourg, Luxembourg)
Konsum und die Modernisierung des Kaiserreichs

Prof. Dr. Gudrun König (Dortmund)
Schöne Dinge – Warenhausästhetik in der Kaiserzeit und Weimarer Republik

15:00 Pause

15:30 Fortsetzung Panel 4

Prof. Dr. Paul Frederick Lerner (Los Angeles, USA)
The Jewish Department Stores in Modern Germany: Excavation a Political and Cultural Trope

John F. Mueller B.A. M.Phil (Cambridge, GB)
Das Sonderkind – Der Schocken-Warenhauskonzern im Vergleich

Dr. Alexander Schmidt (Nürnberg)
Das Schockenkaufhaus in Nürnberg – Beginn der Moderne vor Ort und Zielscheide des Antisemitismus

17:00 Diskussion

19:00 Abendvortrag

Prof. Dr. Hans Peter Hahn (Frankfurt a. M.)
Parallelen zwischen Warenhaus und Archäologischem Museum

Empfang im Staatlichen Museum für Archäologie Chemnitz

Mittwoch, 09. Oktober 2013

9:00 Panel 5: Gestalter der Moderne: Salman Schocken als Bauherr und Erich Mendelsohn als Architekt, Moderation (angefragt): Helge Pitz (Berlin)

Ing. Arch. Tadeáš Goryczka/Jaroslav Nĕmec (Ostrava, Tschechien)
80 years of Bachner Department Store in Ostrava. Erich Mendelsohn and the fate of the Bachner family

Prof. Dr. Regina Stephan (Mainz)
Ansichten – Erich Mendelsohn und die Gestalt des Schocken Konzerns

Dr. Ita Heinze-Greenberg (Zürich, Schweiz)
Erich Mendelsohn, Salman Schocken und Else Lasker-Schüler in Jerusalem

10:30 Pause

11:00 Fortsetzung Panel 5

Hillel Schocken (Tel Aviv, Israel)
Erich Mendelsohn and his buildings in Palestine

Bettina Eichler (Berlin)
Erich Mendelsohn im Exil am Beispiel seines Büros in San Francisco

Dr. Dr. Betina Kaun (Dresden)
Erich Mendelsohn als visionärer Architekt der Moderne

12:30 Uhr Diskussion

Kontakt

Doreen Mölders

Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz
Stefan-Heym-Platz 1, 09111 Chemnitz
++49(0)371-91199964
++49(0)371-91199999

doreen.moelders@lfa.sachsen.de

http://www.archaeologie.sachsen.de/lmv/content/museum/25_303_DEU_Screen.htm
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Sprach(en) der Veranstaltung
Englisch, Deutsch
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