Autonomie der Kunst?! – Zur Aktualität eines gesellschaftlichen Leitbildes

Autonomie der Kunst?! – Zur Aktualität eines gesellschaftlichen Leitbildes

Veranstalter
Prof. Dr. Nina Tessa Zahner / Dr. Uta Karstein, Institut für Kulturwissenschaften der Universität Leipzig
Veranstaltungsort
Neuer Senatssaal der Universität Leipzig, Ritterstraße 26
Ort
Leipzig
Land
Deutschland
Vom - Bis
10.10.2013 - 11.10.2013
Website
Von
Dr. Uta Karstein

Die These von der Autonomie der Kunst diagnostiziert, dass sich Kunst – wie andere Gesellschaftsbereiche auch – nach und nach von feudalen und religiösen Abhängigkeiten gelöst und eigene Spielregeln, Zugangsvoraussetzungen und Selbstbeschreibungen etabliert habe. Hierbei wird der Herausbildung eines Marktes, aber auch der Etablierung der Ästhetik als Wissenschaft und der Ausbildung des bürgerlichen Freiheitsbegriffs zentrale Bedeutung zugeschrieben. Ende des 18. Jahrhunderts konstituiert als Reich der Freiheit und der Emanzipation des bürgerlichen Subjektes jenseits von Allgemeinem und Gesellschaftlichem, radikalisiert sich das Autonomieverständnis mit der l‘art pour l‘art-Bewegung noch ein weiteres Mal. Kunst ist nun nicht mehr nur zweckfrei, sondern auch jenseits irgendeines Nutzens und nicht von dieser Welt. Seither oszilliert die Kunst zwischen den Widersprüchlichkeiten von Autonomie und Gesellschaftskritik bzw. von Autonomie und lebenspraktischer Relevanz. Die bürgerlichen Leitbilder des autonomen Künstlers, der Autonomie künstlerischer Arbeit und der kunstadäquaten Rezeption durch die Betrachter wird seither sowohl von Seiten der künstlerischen Praxis selbst, als auch von Seiten der Kunsttheorie immer wieder in unterschiedlicher Art und Weise in Frage gestellt und rekonstituiert. Aktuell sind verstärkt Tendenzen zur Konzeption von Kunst als politisch-sozialer Praxis zu beobachten, die sich gegen kunstweltinterne Eigenwertbeschwörungen ebenso wenden, wie gegen die Vereinnahmung von Kunst als ökonomisches Gut, als Imagefaktor, als Integrationsgarant, als „wohlfahrtsstaatlichen Kompensations-Service“ (Höller) und so die Debatte um die Autonomie der Kunst wieder neu befeuern.
Die geplante Tagung möchte den Stand der historisch-soziologischen Forschung zu diesem Themenkomplex eruieren, soziologische Reflexionen und Thesen zu verschiedenen heterogenen Entwicklungstendenzen miteinander ins Gespräch bringen.

Programm

Donnerstag, 10.10.2013

Ab 13.00 Anmeldung

13.30 Eröffnung: Uta Karstein (Dresden) und Nina Tessa Zahner (Leipzig):
Autonomie der Kunst? – Dimensionen eines kunstsoziologischen Problemfeldes

14.00 Historisch-systematische Perspektiven I: Bildende Kunst

Karl-Siegbert Rehberg (Dresden):Kunstautonomie als (historische) Ausnahme und Norm.

Gerhard Panzer (Dresden): Wie die Einbettung des Feldes der Kunst und dessen Beziehungsnetze die Autonomie der Kunst konkret formen.

Konstantinos Maras (Essen): Selbstreferenz, Medium/Form und die nachmoderne Skulptur: Eine systemtheoretische Sicht.

15.30 Kaffeepause

16.00 Historisch-systematische Perspektiven II: Musik

Wolfgang Fuhrmann (Berlin): „...die höchstens Fabrikate zu nennen sind.“ Kulturindustrie und Autonomieästhetik in der Musik des 19. Jahrhunderts.

Jan-Michael Kühn (Berlin): „Underground“ und die Berliner Techno-Szenewirtschaft. Der Doppelcharakter des Kunst/Ökonomie-Verhältnisses als Institution.

17.30 Ende

18.30 Führung Halle 14 – Zentrum für zeitgenössische Kunst (alte Baumwollspinnerei)

20.00 Abendessen Café Die Versorger (alte Baumwollspinnerei)

Freitag, 11.10.2013

9.00 Autonomie: praxistheoretische Zugänge

Ivonne Küsters (Dortmund): Praktiken der Autonomie-Produktion im Kunstfeld.

Jin-Ah Kim (Berlin): Musik als autonome Kunst. Zu den Geltungsbedingungen des Autonomiepostulats.

Dominik Schrage (Lüneburg)/Holger Schwetter (Kassel): "Morgen gehen wir zum Konzert – oder zur Vernissage". Beziehungen zwischen ästhetischem Erleben und sozialen Zeitschemata.

10.30 Kaffeepause

11.00 Erklärungskraft spezifischer Kunsttheorien: Adorno, Gehlen & Bloch

Thorsten Benkel (Frankfurt): Differenz wahren zur verhexten Wirklichkeit. Kunstautonomie, Körperautonomie und die "Bestimmtheit des Unbestimmten".

Martin Jürgens (Berlin): Entlastung oder ästhetische Repräsentanz der Macht? Mit Gehlen im Schloss Bellevue.

Andreas Domann (Köln): Das autonome Werk als Chiffre marxistischer Heilserwartungen. Zur Musikästhetik Ernst Blochs.

12.30 Mittagspause

14.00 Autonomie: feldtheoretische Zugänge

Dominik Döllinger (Upsala/Schweden): Die Anwendung der Kunstfeldtheorie von Pierre Bourdieu auf den Film.

Franz Schultheis/Thomas Mazzurana/Erwin Single (St. Gallen): Kunst und Kommerz im Spannungsverhältnis – eine Feldstudie am Beispiel der Art Basel.

15.00 Kaffeepause

15.15 Kunst, Politik und Autonomie

Tasos Zembylas (Wien/Österreich): Kunst und öffentliche Förderung. Oszillation des Autonomiebegriffs.

Erkki Sevänen (Joensu/Finnland): Historical and Societal Varieties of Art’s Autonomy Position in Europa.

16.15 Kaffeepause

16.30 Zur Aktualität des gesellschaftlichen Leitbildes: Zeitdiagnosen

Michael Kauppert (Hildesheim): Autonomie oder Souveränität der Kunst?

Dagmar Danko (Freiburg): Artivism – Subversion oder Bestätigung der "Kunstautonomie"?

Aida Bosch (Erlangen): Was passiert mit der Autonomie der Kunst, wenn Kreativität zum generalisierten gesellschaftlichen Imperativ wird?

18.00 Abschlussdiskussion

Kontakt

Prof. Dr. Nina Tessa Zahner
Universität Leipzig
Institut für Kulturwissenschaften
Beethovenstraße 15, 04107 Leipzig
zahner@uni-leipzig.de

Dr. Uta Karstein
TU Dresden
Institut für Soziologie
Chemnitzer Straße 46a, 01062 Dresden
uta.karstein@mailbox.tu-dresden.de


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