In der kultur- wie sozialwissenschaftlichen Gedächtnisforschung besteht Einigkeit darüber, dass Phänomene von Erinnern und Vergessen auf unterschiedlichen Aggregatebenen des Sozialen stattfinden und beobachtet werden können. Während das bzw. die Gedächtnisse politischer Kollektive (z.B. Nationalstaaten) oder sozialer Gruppen wie der Familie inzwischen vergleichsweise gut untersucht sind, liegen zu Prozessen von Erinnern und Vergessen in organisationalen Kontexten bislang nur vereinzelt Erkenntnisse vor. Der Arbeitskreis "Soziales Gedächtnis, Erinnern und Vergessen" nimmt dies zum Anlass, um im Rahmen einer Tagung zu "Organisation und Gedächtnis" die beiden durch 'Gedächtnis' und 'Organisation' bezeichneten Forschungsperspektiven miteinander zu verknüpfen. Ziel dabei ist es, sowohl die Erkenntnisse über Formen und Funktionsweisen sozialer Gedächtnisse durch die spezifische Berücksichtigung von Organisationen als 'Ort' von Gedächtnis bzw. als Feld von Erinnern und Vergessen zu erweitern, als auch umgekehrt bestehende organisationsbezogene Ansätze um Fragestellungen, wie sie mit den Konzepten von Gedächtnis, Erinnern und Vergessen einhergehen, zu ergänzen und/oder zu präzisieren. Gesucht werden sowohl Beiträge, welche die Schnittstellen von Gedächtnis- und Organisationstheorien behandeln, als auch solche, die, auf empirische Forschungsergebnisse gestützt, das Gedächtnis bestimmter Organisationen (Wirtschaftsunternehmen, staatliche Verwaltungsbehörden, Kirchen, Universitäten, Armeen, Parteiverbände etc.) in den Blick nehmen und dabei mindestens eine der folgenden Fragen adressieren:
- Welche Rolle spielen Organisationen als Orte bzw. Träger von Gedächtnis in bestehenden Gedächtnistheorien? Welche spezifischen Einsichten für eine Theorie sozialer Gedächtnisse ergeben sich aus einer Berücksichtigung organisationaler Praktiken von Erinnern und Vergessen?
- Inwieweit werden im Rahmen organisationssoziologischer Ansätze Fragen von Gedächtnis, Erinnern und Vergessen und somit Aspekte der Temporalität organisationaler Wissensbestände bzw. Praktiken behandelt? Welche zentralen Einsichten für die theoretische Beschreibung von Organisationen und organisationalen Praktiken sind damit verbunden?
- Wo bzw. wie finden Erinnern und Vergessen in Organisationen konkret statt? In welchem Verhältnis stehen unterschiedliche Hierarchiestufen und Ebenen (individuelle Ebene, organisationale Ebene, Organisationsleitung) im Prozess des Erinnerns und Vergessens zueinander? Unter welchen Bedingungen kann davon ausgegangen werden, dass etwas - von den Organisationsmitgliedern und/oder der Organisation als solcher - erinnert oder vergessen wird?
- In welchem Verhältnis steht das, was Organisationen nach außen als ihre Vergangenheit beschreiben, zu dem, was organisationsintern als 'Vergangenheit' die Alltagspraxis bestimmt? Welche Einflüsse bzw. Wechselwirkungen in Bezug auf die Organisationsumwelt lassen sich dabei konstatieren?
Vorschläge für einen Beitrag (max. 1 Seite) werden bis zum 15. November 2013 an die Organisatoren erbeten.
Organisationsteam des Arbeitskreises "Soziales Gedächtnis, Erinnern und Vergessen" für die Tagung Organisation und Gedächtnis:
- PD Dr. Oliver Dimbath, Universität Augsburg, Alter Postweg 101, 86159 Augsburg, oliver.dimbath@phil.uni-augsburg.de
- Dipl.Soz. Hanna Haag, Universität Hamburg, Fachbereich Sozialwissenschaften, Allendeplatz 1, 20146 Hamburg, hanna.haag@uni-hamburg.de
- Dr. Nina Leonhard, Führungsakademie der Bundeswehr, Fachbereich Human- und Sozialwissenschaften, Blomkamp 61, 22549 Hamburg, nina.leonhard@berlin.de
- PD Dr. Gerd Sebald, Universität Erlangen-Nürnberg, Kochstr. 4, 91054 Erlangen, gerd.sebald@soziol.phil.uni-erlangen.de