„Polizei erzählen“ – zwischen legitimatorischen Ansprüchen, wissenschaftlichen Reflexionen und medialen Konstruktionen. 25. Kolloquium zur Polizeigeschichte / "Narrating Police” – Between Legitimatizing Claims, Scholarly Reflections and Media Constructs

„Polizei erzählen“ – zwischen legitimatorischen Ansprüchen, wissenschaftlichen Reflexionen und medialen Konstruktionen. 25. Kolloquium zur Polizeigeschichte / "Narrating Police” – Between Legitimatizing Claims, Scholarly Reflections and Media Constructs

Veranstalter
Geschichtsort Villa ten Hompel der Stadt Münster (Dr. Bettina Blum, Thomas Köhler, Michael Sturm) in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte der WWU Münster (Prof. Dr. Thomas Großbölting)
Veranstaltungsort
Geschichtsort Villa ten Hompel der Stadt Münster
Ort
Münster
Land
Deutschland
Vom - Bis
03.07.2014 - 05.07.2014
Deadline
15.02.2014
Von
Michael Sturm

--English Version see below--

Das Kolloquium zur Polizeigeschichte wurde im Jahr 1990 während des Bochumer Historikertags gegründet. Die Interessierten treffen sich seither einmal jährlich an wechselnden Orten, um aktuelle Ansätze und Entwicklungen einer sozial-, kultur- und alltagsgeschichtlich orientierten Polizeiforschung zu diskutieren. Das Kolloquium ist interdisziplinär und zunehmend international ausgerichtet, offen für alle polizeigeschichtlich Interessierten und es lädt besonders jüngere Wissenschaftler/-innen ein, ihre Forschungen vorzustellen.

Nach einem Vierteljahrhundert produktiver und inspirierender Arbeit wird das 25. Kolloquium zur Polizeigeschichte im Geschichtsort Villa ten Hompel der Stadt Münster ausgerichtet, in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster. Die Jubiläumstagung soll den Stand und die Erträge der historischen sozial- und kulturwissenschaftlichen Polizeiforschung der vergangenen zwei Jahrzehnte reflektieren und Perspektiven zukünftiger Forschungskonzepte und Vermittlungszugänge diskutieren – auch in internationaler Perspektive. Der Titel des diesjährigen Kolloquiums zur Polizeigeschichte „’Polizei erzählen’ – zwischen legitimatorischen Ansprüchen, wissenschaftlichen Reflexionen und medialen Konstruktionen“ verweist auf die vielschichtigen Ebenen und die divergierenden Intentionen, die das Reden und Schreiben über „Polizei“ kennzeichnen. Die Polizei ist zum einen Gegenstand historiografischer und sozialwissenschaftlicher Forschungen, die von „außen“ auf die Institution und deren Akteur/innen blicken. Diese erzählen und deuten jedoch ihrerseits ihre eigene(n) Geschichte(n), etwa um dem eigenen Handeln „Sinn“ zu verleihen. Nicht zuletzt dienen Polizei und Polizist/innen aber auch als Projektionsfläche medialer Darstellungen sowie für Ansprüche, Erwartungshaltungen, Ängste und Aggressionen der Polizierten. Aus diesen Beobachtungen ergeben sich drei Aspekte, die im Fokus des 25. Kolloquiums zur Polizeigeschichte stehen sollen.

1) In den letzten Jahren hat es eine Reihe von Forschungs- und Ausstellungsprojekten zur Polizeigeschichte gegeben, die teilweise in Kooperation zwischen externen Wissenschaftler/-innen und Polizeibehörden bzw. interessierten Polizist/-innen durchgeführt wurden. Zu nennen sind hier aus jüngster Zeit etwa die Ausstellung „Ordnung und Vernichtung. Die Polizei im NS-Staat“, die im April 2011 im Deutschen Historischen Museum in Berlin eröffnet wurde, sowie die vom Bundeskriminalamt (BKA) in Auftrag gegebenen und im Jahr 2011 veröffentlichten Studien zur Frühgeschichte der Behörde und zum Verhältnis der ersten Mitarbeitergeneration zum Nationalsozialismus. Beschönigende oder gar apologetische Tendenzen ließen sich diesen Projekten kaum unterstellen. Insofern fanden sie in der Öffentlichkeit wie auch in der Fachwissenschaft breite Beachtung.

Bisher lag der Schwerpunkt der von deutschen Polizeibehörden initiierten und mitgetragenen Forschungs- Bildungs- und Ausstellungsprojekte auf der Zeit des Nationalsozialismus. Eine ähnliche Auseinandersetzung mit der Polizeigeschichte der DDR scheint indessen bislang eher randständig zu sein. Zwar sind in den vergangenen Jahren zahlreiche Studien entstanden, die sich der Organisation der Volkspolizei, deren Selbstbildern und Praktiken widmeten. Doch in welcher Form werden die darin gewonnenen Erkenntnisse in der Polizei rezipiert? In welchem Verhältnis stehen die heutige offizielle Polizeikultur und deren Legitimationsmuster beispielsweise zu den Erzählungen, Perspektiven und Erfahrungen der Beamt/innen, die zunächst in der DDR, später dann im vereinigten Deutschland ihren Dienst verrichteten – und immer noch verrichten.

Zu fragen bleibt darüber hinaus, welchen Stellenwert kritisch ausgerichtete Polizeigeschichte innerhalb der Organisation Polizei selbst einnimmt. Dienten und dienen die Forschungs- und Ausstellungsprojekte vielleicht doch vorwiegend legitimatorischen Ansprüchen, die darauf abzielen, vor der Negativfolie des historischen Nationalsozialismus – aber auch (bei allen Unterschieden) der DDR –, eine „Erfolgsgeschichte“ der Polizei in der alten wie der neuen Bundesrepublik zeichnen zu können? Oder folgt der „Gebrauch“ von Geschichte in der Polizei der Hoffnung, gesellschaftliche Prozesse und Konfliktlagen besser verstehen zu können? Fungiert der kritische Blick auf die Geschichte der eigenen Institution als Ausdruck einer zunehmenden (historisch fundierten) Menschen- und Bürgerrechtsorientierung? Doch in welchem Maße und mit welchen Vermittlungsformen haben Projekte zur Polizeigeschichte Eingang in die polizeiliche Aus- und Fortbildung gefunden? Zu fragen ist insbesondere, ob die kritische Auseinandersetzung und der Umgang mit Geschichte auch Veränderungen in der Polizistenkultur bewirkt haben.

Von Interesse wären hier insbesondere Erfahrungen mit polizeigeschichtlichen Projekten aus zäsurenübergreifender und transnationaler Perspektive. Gibt es Projekte in anderen Ländern, die sich mit der Rolle der Polizei in Diktaturen, aber auch in Besatzungs- und Kolonialregimen beschäftigen? Finden die in diesem Kontext gewonnenen Erkenntnisse Eingang in die Aus- und Fortbildung der jeweiligen (Nachfolge)polizeien?

2) Ein zweiter Schwerpunkt des Kolloquiums gilt der Rolle der neueren Polizeigeschichte im Feld aktueller geschichts-, kultur- und sozialwissenschaftlicher Forschung. Lässt sich (zumal in deutscher Perspektive) überhaupt von einem einheitlichen Forschungsfeld „Polizeigeschichte“ sprechen, das beispielsweise gegenüber der Rechts- und Verwaltungsgeschichte oder der historischen Kriminalitätsforschung ein eigenständiges Profil aufweist? Oder bestand bzw. besteht das anregende Potential der neueren Polizeigeschichte gerade darin, gleichsam „quer“ zu jenen seit langem institutionalisierten Forschungszweigen zu forschen?

Hier sind international vergleichende Perspektiven besonders fruchtbar. Gerade das Kolloquium zur Polizeigeschichte hat transnationale und interdisziplinäre Perspektiven erörtert und gefördert. Gleichwohl scheinen sozialwissenschaftlich, kriminologisch und historisch fundierte Forschungen zur Polizei nach wie vor weitgehend getrennte Wege zu gehen. Welchen Ansprüchen und Perspektiven also sollten polizeigeschichtliche Forschungen folgen oder noch entwickeln – jenseits aller Antragslyrik und ihrer Floskeln?

3) Der dritte Aspekt des Kolloquiums zu Polizeigeschichte nimmt die medialen Konstruktionen von Polizei in den Blick: Welche Vorstellungen von Polizei und Polizeiarbeit vermitteln Dokumentationen, Ausstellungen oder fiktionale Darstellungen, von Kriminalromanen über Spielfilme bis zu Fernsehserien? Welche medialen Bilder wirken auf welche Weise in die Polizei, auf deren institutionelle Leitbilder und die Selbstinszenierungspraktiken der Polizist/innen zurück? Lassen sich Wechselwirkungen ausmachen zwischen medial vermittelten Bildern von ‚guter Polizeiarbeit’ und den Versuchen der Polizei, diese mit zu beeinflussen?

Über diese thematischen Schwerpunkte hinaus soll es – wie bei den bisherigen Kolloquien zur Polizeigeschichte – eine freie Sektion geben, in der die Möglichkeit besteht, jenseits des Rahmenthemas Werkstattberichte und laufende Forschungsprojekte vorzustellen.

Tagungssprachen sind Deutsch und Englisch.

Für Referent/-innen buchen wir ein Hotelzimmer. Ihre Reisekosten werden bis zu einer Höhe von maximal 150,-€ übernommen.

Bitte reichen Sie Vorschläge für Beiträge (maximal eine Seite) bis zum 15.2.2014 ein. Wir freuen uns über Ihre Vorschläge und auf eine anregende Tagung!

Münster, im Dezember 2013
Bettina Blum, Thomas Köhler, Michael Sturm

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"Narrating Police” – Between Legitimatizing Claims, Scholarly Reflections and Media Constructs

Local organisers:
Geschichtsort Villa ten Hompel Muenster (Bettina Blum, PhD; Thomas Koehler; Michael Sturm), in cooperation with the chair for Early Modern and Modern History, University of Muenster (Prof Thomas Grossboelting, PhD)

The Colloquium on Police History was founded in 1990 during the Historians’ Day in Bochum. Since then a circle of interested scholars has met once a year at alternating locations in order to discuss the state of police research. In this way, aspects of social, cultural and everyday history have been pointed out. The colloquium concentrates on interdisciplinary and – in a growing manner – international approaches. Attendees with a general interest on police history are very welcomed. We also particularly invite young researchers.

This year the Colloquium on Police History is hosted by the Geschichtsort Villa ten Hompel in Muenster which cooperates for this event with the chair for Early Modern and Modern History of the University of Muenster. The anniversary conference aims to reflect the state and the results of socio-historical and historico-cultural police research over the past two decades. Furthermore, prospective research concepts may be discussed both in a national and international perspective. This year’s title of the Colloquium on Police History "Narrating Police" – Between Legitimizing Claims, Scholarly Reflections and Media Constructs refers to the complex dimensions and diverging intentions when speaking and writing about "the police". On the one hand, police forces have become research objects for historians and social scientists that analyse the institution and its agents. On the other hand, the members of the police explain and interpret their experiences themselves in order to produce meaning for their actions (or even justify them). Finally, media images as well as their colleagues‘aspirations, expectations, anxieties and aggressions might be projected upon individual policeman or policewoman. As a consequence, the 25th Colloquium on Police History emphasises three aspects:

1.) Over the last years, a range of research and exhibition projects have been finalized. Some of them led to cooperation between external researchers and police authorities, respectively interested policewomen and –men, e.g. in the exhibition "Order and Destruction. The Police within the Nazi State" [orig.: Ordnung und Vernichtung. Die Polizei im NS-Staat] that was opened by the Deutsches Historisches Museum in Berlin in April 2011. Additionally, the Federal Criminal Police Office [orig.: Bundeskriminalamt] commissioned a study that was released in 2011. Since any apologetic tendencies were missing both the public and the academic community appreciated the projects.
Yet the research, exhibition and educational projects that were initiated by German police authorities focussed mainly on the period of Nazi Germany. A comparable discourse on Police History in the GDR seems to be rather marginalized. Admittedly, in the last years numerous studies that address the organization of People’s Police [orig.: Volkspolizei], their self-perceptions and operations have occurred. But in what manner do police authorities adopt this theoretical knowledge? In how far do contemporary “Principles of Good Policing” correspond to the patterns of legitimation, e.g. to narratives, perspectives and experiences of those officers who already fulfilled their duty in the GDR and still fulfil their duty in the Federal Republic of Germany?
Furthermore, the question arises as to how far a critical-based police history within the police itself exists. Against the background of Nazi Germany and (despite all the differences) even the GDR: Did and do the research and exhibition projects perhaps function primarily as legitimizing claims aiming to draw a success story of the police in the "old" and the "new" Federal Republic? Or does the police “make use” of its history hoping to better understand social transformations and conflicts? Is a critical preoccupation with the own institution’s history evidence for a progressive orientation to human and civil rights? But to what extent and upon what methods have projects on Police History found entrance into police training and education? The primary question is whether the critical analysis and the preoccupation with history also led to a diversified cop culture.
It would also be inspiring to discuss approaches to police-historical projects beyond caesuras and in transnational perspectives. What do researchers and scholars in other countries focus upon when they examine the police’s role(s) in former colonies or occupied territories? Does the historical knowledge find entrance into police officer training and education?

2.) The second focus of the colloquium is on the role of contemporary Police History in the context of current historical, cultural- and social-scientific research. Does a consistent research area called “Police History” really exist that can be circumscribed towards different disciplines, e.g. History of Law or History of Administration or Historical Criminology? Or does current Police History benefit from a “cross-sectional” research in contrast to those well-established fields of research?
In particular, projects with an international comparative approach give hope for constructive results here. The Colloquium on Police History provides and even provided a plattform to discuss transnational and interdisciplinary dimensions on several occasions. However, social-scientific, criminological and historical researches into police still seem to go separate ways. Among which aspirations and perspectives ought police-historical researches to be evolved – beyond any empty phrases in grant applications?

3.) The third aspect of the Colloquium on Police History focuses on media constructs concerning the police. What effect do documentations, exhibitions or fictionalisations – from crime novels to feature films to TV serials – have on police and police work? How do medial images conversely affect the police, their institutional models and their practises of self-dramatization? In how far do police forces try to influence medial images of their institution in a positive way?

Over and above these main focuses a section for workshop and on-going research reports beyond the subject-matter is to be planned.

Languages are German and English.

The organisers can reserve a hotel room for speakers. Travelling expenses can be reimbursed up to 150 €.

Please submit your abstract for a paper to be presented at the conference (one page max.) until February 28th, 2014. We are looking forward to receiving your proposals and to hosting an inspiring conference.

Mail contact: vth-tagung@stadt-muenster.de

Programm

Kontakt

Bettina Blum, Thomas Köhler, Michael Sturm

Geschichtsort Villa ten Hompel der Stadt Münster, Kaiser-Wilhelm-Ring 28, 48145 Münster

0251/4927101
0251/4927918
vth-tagung@stadt-muenster.de

http://www.muenster.de/stadt/villa-ten-hompel/