Narren, Komödianten, Simulanten. Schauspielen im Spannungsfeld von Medizin und Theater

Narren, Komödianten, Simulanten. Schauspielen im Spannungsfeld von Medizin und Theater

Veranstalter
Schweizerische Gesellschaft für Kulturwissenschaften; Institut für Theaterwissenschaft der Universität Bern
Veranstaltungsort
Universität Bern
Ort
Bern
Land
Switzerland
Vom - Bis
23.10.2014 - 25.10.2014
Deadline
10.05.2014
Von
Beate Schappach

Das Nachwuchskolloquium untersucht szenische Praktiken und diskursive Auseinandersetzungen im Spannungsfeld von Theater und Medizin entlang der Frage nach Norm(alität) und Abweichung. Das Schauspiel als Verhandlungsort von Normen, in welchem sich sowohl Idealvorstellungen äussern als auch Ausgrenzung vollzogen wird, wird im Rahmen der interdisziplinären Veranstaltung einerseits im Kontext von Kunsttheater, andererseits im Hinblick auf pathologisierte Formen des ,Sich-Aufführens’ im Lebenstheater beleuchtet.

Im deutschsprachigen Raum ist das Verhältnis zwischen Medizingeschichte und Theatergeschichte wenig bearbeitet, im Vergleich etwa zur deutlich besser erforschten Beziehung von Literatur und Medizin. Dieses Desiderat erstaunt insofern, als das Sich-in-Szene-setzen, die ,richtige’ oder ,falsche’ Performance sowohl in der Medizin- als auch in der Theatergeschichte zentrale Forschungsgegenstände sind. Sowohl im Theater als auch im Alltag ist das Auftreten durch Normen geregelt: Deviantes Auftreten in der Lebenswelt hat Sanktionen zur Folge, darunter mitunter auch die Einweisung in die Psychiatrie. Die ‚falsche’ Performance von Patienten gegenüber dem Arzt / der Ärztin kann Fehldiagnosen verursachen. Menschen mit ‚ausserordentlichen’ Körpern werden im Medical Theatre sichtbar. Hysterikerinnen dienten um die Jahrhundertwende als Projektionsfläche von sozialen Geschlechterrollen. In der Dramenliteratur haben Körper ausserhalb der Norm ebenso wie sozial unerwünschte Formen des Auftretens, etwa der Wahnsinn, einen festen Platz. Insbesondere in der Figur des Narren treffen theater- und medizinhistorische Aspekte aufeinander. Während der Berufsstand des Schauspielers – noch mehr derjenige der Schauspielerin – in früheren Jahrhunderten oftmals wenig Ansehen genoss, erfüllte das Schauspiel in theoretisch-normativen Überlegungen zum Theater oft eine Vorbildfunktion für normkonformes Auftreten, den adäquaten Ausdruck von Gefühlen oder die Anleitung zur Gesellschaftskritik. So werden in Theaterinszenierungen auch die devianten Figuren, die Narren, Wahnsinnigen und Verwachsenen, traditionell dargestellt durch Schauspieler, welche meist dem herrschenden Körperideal und Menschenbild entsprechen. Im Gegenwartstheater zeigen sich jedoch körperlich und geistig Behinderte auf der Bühne und fordern theatrale Darstellungskonventionen heraus. So hat Theater und Tanz mit behinderten Darstellenden beispielsweise durch die Inszenierung „Disabled Theater“ von Jérôme Bel und dem Zürcher Theater Hora, die gemeinsamen Produktionen des Performancekollektivs Monster Truck und des Theaters Thikwa sowie das australische Back to Back Theatre erhöhte Aufmerksamkeit erhalten und wird allmählich als Gegenstand der Theaterwissenschaft entdeckt.

Während sich die Geschichte des Schauspielens bisher vor allem mit normalisierten und idealisierten Körpern befasst hat, stand in der Medizingeschichte lange vorrangig Devianz im Zentrum. Ein interdisziplinärer Austausch zwischen theaterwissenschaftlichen und medizinhistorischen Positionen verspricht, sowohl für die Theaterwissenschaft als auch für die Medizingeschichte neue Forschungsperspektiven zu eröffnen.

Doktorierende, Postdocs und andere Nachwuchswissenschaftler/innen aus der Theaterwissenschaft und der Medizingeschichte sind herzlich eingeladen, einen Themenvorschlag einzureichen. Ebenso willkommen sind Beiträge aus verwandten Disziplinen wie Geschichte, Kulturwissenschaften, Gender Studies, Literatur- und Filmwissenschaft.

Erwünscht sind Beiträge zu den folgenden Aspekten:
- Aufführungsaspekte in Krankheitskonzepten, z.B. Epilepsie, Hypochondrie
- Krankheitsaspekte in Aufführungskontexten, z.B. Narrenfiguren, Narrentum, Narrenfreiheit
- Aufführungsaspekte im Arzt-Patient-Verhältnis
- vorgetäuschte Krankheiten, z.B. Simulanten, Einsatz von Schauspieler/innen in der Ausbildung von Medizinstudierenden
- Normierung und Devianz im Genderdiskurs, z.B. Hysterie, Verbot von Schauspielerinnen
- Norm und Devianz in Bezug auf Behinderung und die Repräsentation von Behinderung
- Nutzung von medizinischen Konzepten in Schauspieltheorien/Theatertheorien
- Nutzung von Schauspiel(er)konzepten in der Medizin
- Einbettung von Schauspiel und Medizin in gemeinsame wissenschaftshistorische Kontexte

Bitte skizzieren Sie in einem Abstract von maximal 2500 Zeichen Gegenstand, Fragestellung sowie Thesen bzw. Ergebnisse und Untersuchungsmethode Ihres Beitrages. Legen Sie bitte zudem einen kurzen Lebenslauf von maximal einer Seite bei.

Die Konferenzsprache ist Deutsch. Für die Referate sind jeweils 20 Minuten vorgesehen, gefolgt von 25 Minuten Diskussion. Um einen vertieften Austausch zu ermöglichen, wird von den Referierenden erwartet, dass sie während der ganzen Tagung anwesend sind. Die Reise- und Übernachtungskosten werden von den Organisatorinnen übernommen.

Es ist vorgesehen, dass während des Kolloquiums je ein/e Expert/in aus jeder der beiden Disziplinen als Respondent fungiert. Diesen werden die Beiträge im Vorfeld zur Verfügung gestellt. Daher sind die Papers bis zum 1. Oktober 2014 einzusenden.

Eingabefrist für Abstracts: 10. Mai 2014

Bitte schicken Sie Ihren Abstract an:
yvonne.schmidt@zhdk.ch
beate.schappach@itw.unibe.ch

Leitung:
Dr. des. Yvonne Schmidt, Institut für Theaterwissenschaft der Universität Bern und Institute for the Performing Arts and Film, Zürcher Hochschule der Künste
Dr. Beate Schappach, Institut für Theaterwissenschaft der Universität Bern und Arbeitsgruppe Literature–Medicine–Gender der Schweizerischen Gesellschaft für Kulturwissenschaften SGKW

Der Workshop wird organisiert vom Institut für Theaterwissenschaft der Universität Bern und der Schweizerischen Gesellschaft für Kulturwissenschaften.

Mit freundlicher Unterstützung der Mittelbauvereinigung der Universität Bern

Programm

Kontakt

Beate Schappach
Institut für Theaterwissenschaft der Universität Bern
Hallerstrasse 5
CH–3012 Bern
Schweiz
beate.schappach@itw.unibe.ch
0041 (0)31 631 50 32

http://www.theaterwissenschaft.unibe.ch