Das politische Gefechtsfeld. Professionelle Entwicklungen im Militär: Stationen der deutschen Problemgeschichte

Das politische Gefechtsfeld. Professionelle Entwicklungen im Militär: Stationen der deutschen Problemgeschichte

Veranstalter
Hamburger Institut für Sozialforschung
Veranstaltungsort
Hamburger Institut für Sozialforschung (HIS)
Ort
Hamburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
02.07.2014 - 04.07.2014
Von
HIS Presse- und öffentlichkeitsarbeit

Die zeitgenössischen militärischen Konflikte, die mit unterschiedlichen Bezeichnungen wie „neue Kriege“, „wars of choice“, „operations other than war“, „war amongst the people“ „politische Kriege“ oder „armed politics“ belegt worden sind, machen darauf aufmerksam, dass die Konstellationen zwischen der Politik, dem Militär und der Gesellschaft in Veränderung begriffen sind. Für die deutsche Wahrnehmung fassen sich diese Entwicklungen zusammen im Übergang von der – bisher primären – Orientierung auf Landesverteidigung zu einem Konzept globaler Sicherheitsvorsorge, in der Abkehr von der Wehrpflicht und dem Übergang zu einer Freiwilligen- und Berufsarmee, in der konstitutiven Mitwirkung des Bundestags an den Einsatzmandaten sowie in den verschiedenen Ansätzen auf Regierungsebene, die beteiligten – militärischen, diplomatischen, zivilen – Kräfte und Akteursgruppen zu koordinieren.

Die veränderte Auftragslage der Streitkräfte und die – für die Bundeswehr – neue „Einsatzrealität“ haben Auswirkungen auf das Berufsbild des Soldaten, auf die Anforderungen an seine Professionalität sowie mittelbar auch auf die Binnenverfassung („Innere Führung“) und das Leitbild („Staatsbürger in Uniform“) der Streitkräfte. Der Workshop will ein Forum anbieten, um einige der militärsoziologisch und militärhistorisch strittigen Fragen, die in diesem Zusammenhang aufgeworfen worden sind, zu diskutieren. Damit verbunden ist die Idee, diese Debatten als heuristische Folie zu benutzen, um einigen weiteren Problemkomplexen nachzugehen.

Der Soldat bewegt sich – nicht erst seit heute – auf einem politischen Gefechtsfeld. Immer schon war von der Militärprofession als einem „politischen Beruf“ die Rede, aber wenn nicht alles täuscht, hat die Verknüpfung des Politischen mit dem Militärischen unter den veränderten Bedingungen der Auslandseinsätze und –missionen eine neue Qualität gewonnen. Man könnte sie versuchsweise darin zusammenfassen, dass der institutionelle „Primat der Politik“ eine Ergänzung und Verlängerung in einem „Primat des Politischen“ gefunden hat – jedenfalls wird das wiederholt angemahnt. Indikatoren für diesen Entwicklungstrend sind die politischen Gestaltungsziele, die mit militärischen Aufträgen verbunden werden, die Akteursvielfalt und Multipolarität der Konflikt- wie der Kooperationsstrukturen, die enorm gestiegene Bedeutung multipler Öffentlichkeiten für Konfliktentwicklungen und Handlungsbedingungen sowie die enge Verschränkung strategischer, operativer und taktischer Handlungsfelder. – Steht ein „politischer Soldat“ am Fluchtpunkt dieser unterschiedlichen Tendenzen?

In der deutschen Militärgeschichte ist die Sozialfigur des „politischen Soldaten“ immer zwiespältig aufgenommen worden – als Verheißung, aber auch als Schreckensbild. Sahen die einen darin eine grundlegende Gefährdung des Primats der Politik über Militär und Kriegswesen, erschien sie anderen als eine Vollendung des politischen Prinzips. Eine ähnliche Kontroverse hat immer wieder das Militär beschäftigt: Beschreibt die Vision des „politischen Soldaten“ den Bankrott des militärprofessionellen Selbstverständnisses, bezeichnet sie eine Komplettierung, ja sogar eine konstituierende Größe des Militärischen, oder liefert dieses Konstrukt lediglich eine der möglichen – gleichwohl aber wirkungsmächtigen – Deutungsperspektiven auf das facettenreiche Bild des Soldaten? Die aktuelle Fragestellung des Workshops will einen Anstoß dafür geben, den militärhistorischen Realisationen oder Entwürfen dieser – oft nur implizit greifbaren – Gestalt nachzugehen. Ob Freikorps oder Reichswehr, Wehrmacht oder Waffen-SS, alte Bundeswehr oder neue „Einsatzarmee“ – in allen deutschen Wehrordnungen vergangenen einhundert Jahre bildet sie eine Art letzte Instanz, in der sich die unterschiedlichen Anstrengungen zur Begrenzung wie zur Entgrenzung von Gewalt, zu ihrer Kontrolle wie zu ihrer Entfesselung bündeln.

Für das zurückliegende und für das heraufziehende Jahrhundert kann die Formel vom „politischen Soldaten“ eine erkenntniskritisch aufschließende Wirkung entfalten, wenn man sie auf den andauernden Prozess der Vergesellschaftung der Gewalt bzw. des Krieges bezieht. In ganz unterschiedlichen Regimezusammenhängen erweiterte und differenzierte sich das professionelle Feld militärischer Zuständigkeiten (oder Ambitionen), modifizierten sich die Formen sozialer Integration und berufsständischer Abgrenzung, wechselten die Akzente militärischer Autonomie und politischer Heteronomie der Streitkräfte und veränderten sich die Ansprüche an die soldatische Subjektivität und ihre „geistige“ oder „weltanschauliche“ Ausformung. Sobald die Kriegsführung (und –vorbereitung) zu einer öffentlichen Angelegenheit geworden war; je deutlicher es wurde, dass der Kampf der Waffen von einem Kampf um Deutungen und Bedeutungen begleitet war, der sich als kriegsentscheidend auswirken konnte; wann immer politische Gestaltungsambitionen Einzug in die strategischen Entwürfe und militärischen Kampagnen hielten; und wo immer angesichts aufbrechender innerstaatlicher Konflikte die gewohnte binäre Freund-Feind-Polarität des konventionellen Kriegsbildes einer Vielzahl von „Fronten“ Platz machte – in allen diesen Fällen trat das militärische Denken und mit ihm das Militärhandwerk und in den Radius des Politischen. Davon konnte das Verständnis militärischer Professionalität berührt werden, das musste aber nicht der Fall sein. Daher wäre danach zu fragen, ob und wie diese Veränderungen das Soldatenbild im Allgemeinen veränderten oder sich vornehmlich auf die militärischen Spitzenpositionen, auf das Offizierkorps oder lediglich auf funktionsspezifische Fähigkeiten bezogen.

Diese wechselhafte Problemgeschichte der Verbindung des Militärischen mit dem Politischen im weiteren Zusammenhang der Vergesellschaftung von Gewalt und im engeren Kontext der professionellen (oder semi-professionellen) Ausrichtungen und Überlegungen auszuleuchten, soll im Mittelpunkt dieses Workshops stehen.

Programm

Mittwoch, 2. Juli 2014

Abendvortrag (19 Uhr)

Elmar Wiesendahl (Hamburg), Kontroversen um das Soldatenbild von morgen

Donnerstag, 3. Juli 2014

10 Uhr: Begrüßung (Klaus Naumann, Hamburg)

Sektion 1: Militärische Professionalität im Umbruch (10.30-16.30 Uhr)

Michael Geyer (Chicago), Das politische Gefechtsfeld: Überlegungen zum post-konventionellen Krieg

11.30-12 Uhr: Kaffeepause

Nina Leonhard (Hamburg) – Jens Warburg (Frankfurt/Main), Berufsbilder im Einsatz – Hybride und/oder Kämpfer? - Kontrapositionen

13.30 -15 Uhr: Mittagspause (außerhalb)

Heiko Biehl (Potsdam) – Kai-Uwe Hellmann (Berlin), Kampf und Berufsidentität – Rahmungen des professionellen Selbstverständnisses - Kontrapositionen

16.30-17 Uhr: Kaffeepause

Sektion 2: Querschnittaspekte der deutschen Problemgeschichte (17-18.30 Uhr)

Gerhard Groß (Potsdam), Operatives Denken und militärische Professionalität

Rudolf Schlaffer (Potsdam), Führungsstrukturen und professionelle Leitbilder

Im Anschluss gemeinsames Abendessen

Freitag, 4. Juli 2014

Sektion 3: Militärpublizistik an Fallbeispielen (9-10.30 Uhr)

Klaus Naumann (Hamburg), Der Soldat der „Neuen Armee“: Kurt Hesse zwischen Reichswehr, Wehrmacht und Bundeswehr

Frank Reichherzer (Berlin), Der erweiterte Wehrbegriff und seine Implikationen: Oskar von Niedermeyer

10.30-11 Uhr Kaffeepause

Sektion 4: Historische Anläufe: Nachkrieg (I) (11-13 Uhr)

Peter C. Keller (Augsburg), Freikorps und Bürgerkrieg

Rüdiger Bergien (Potsdam), Staaten oder/und Volkskrieg: Professionalitätsentwürfe in der Reichswehr

Jens Westemeier (Geiselhöring), Der „politische Soldat“ der Waffen-SS

13-14 Uhr: Mittagspause (im HIS)

Sektion 5: Historische Anläufe: Nachkrieg (II) (14-16.30 Uhr)

Wilfried von Bredow (Marburg), Der „politische Soldat“ der Inneren Führung im „Weltbürgerkrieg“ und in der atomaren Konstellation

Philipp Münch (Berlin), Der unpolitische Krieg. Zur Praxisrelevanz historischer Professionalitätsideale im Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr

Abschlussdiskussion

Wissenschaftliche Organisation: Dr. Klaus Naumann: klaus.naumann@his-online.de

Die Zahl weiterer Teilnehmerinnen und Teilnehmer ist begrenzt.
Interessierte wenden sich mit ihrer Anfrage bitte direkt an Herrn Dr. Klaus Naumann.

Kontakt

Dr. Regine Klose-Wolf

Hamburger Institut für Sozialforschung
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

presse@his-online.de

http://www.his-online.de/veranstaltungen/2026/
Redaktion
Veröffentlicht am
Klassifikation
Epoche(n)
Region(en)
Weitere Informationen
Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
Sprache der Ankündigung