Show us your junk!

Veranstalter
Christiane Lewe/ Tim Othold/ Nicolas Oxen, Bauhaus-Universität Weimar
Veranstaltungsort
Ort
Weimar
Land
Deutschland
Vom - Bis
10.07.2014 -
Deadline
01.11.2014
Von
Christiane Lewe, Tim Othold, Nicolas Oxen

Abfall hat etwas Hartnäckiges. Wo ‚Müll‘ früher vor allem Staub und feinen Dreck meinte – kümmerliche Reste eben – ruft der Begriff heute eher wachsende Landschaften ins Bewusstsein: Berge und Inseln unverrottbarer (Plastik-)Materie, die ganz und gar nicht schwinden wollen. Solcher Müll bleibt, entweder als ökologisches Problem oder als ökonomisches Potential, und unterwandert dabei etablierte Systematiken. Die ‚Reste‘ verlassen ihren zugewiesenen Platz, räumlich, durch die Flucht von Giftstoffen ins Grundwasser, und ideologisch, durch die Re‑Appropriation von Schrott für Kunstprojekte.
„Ist das Kunst oder kann das weg?” ist nicht nur ein spöttischer Seitenhieb auf elitäre Kreise, sondern stellt auch die Frage, wer überhaupt in der Gesellschaft die definitorische Gewalt über Dinge hat: die Künstler*in oder die Putzkraft?
Ähnliches gilt für vermeintlich immaterielle digitale Daten: Datenmüll und ‚information overload‘ scheinen vornehmlich eine Frage des Deklarierens und des (Wieder-)Findens zu sein. Immerhin sind Dateien im Papierkorb nie wirklich ‚weg‘, sondern nur gezielt verloren. Und letztlich findet sich immer eine Organisation, die aus den verlorenen Datenresten ihrer Bürger*innen dankbar ganze Berge von Personenprofilen anhäuft.

Um uns über diese und weitere Spielarten des Abfalls und des Übrigen auszutauschen, planen wir eine interdisziplinäre Nachwuchstagung (Sommer 2015). Die Tagung soll Ort gemeinsamer Diskussion und der Entwicklung von neuen kultur- und medienwissenschaftlichen Forschungsperspektiven zum Thema Müll sein. Wir bitten daher speziell Doktorandinnen und Post-Doktorandinnen um Beiträge und anschlussfähige Überlegungen.

PANELS (in Planung)
1. „Flickwerk“ – Systeme des Mülls
Ist Müll unvermeidlich? Zumindest fordert er die Ordnung des Sinnvollen heraus, induziert eine Logik des Überschusses und schafft sperrige Verwertungsfragen. Die technisch effiziente ‚restlose’ Integration des Überflüssigen ist der geheime Traum eines jeden Systems, das mit Operationen des Deklarierens, Kategorisierens und Taggens seine eigenen Werte schafft und Nützlichkeiten konstruiert. Ökonomische Modelle vertrauen dieser Verwertung und bestehen auf die restlose Beherrschung der Dinge. Diese aber zeigen sich widerspenstig und erzeugen ihre eigenen Ordnungen.
In diesem Panel interessiert uns, wie man Gesellschaftssysteme, Geschichtsmodelle und andere Sinngefüge von ihren Rändern, Halden und Containern aus denken kann.

2. „In die Tonne“ – Topographien des Abfalls
Müll schafft neue Raum- und Zeitlogiken. Recycling zeigt uns eine fremde Topologie des Unbrauchbaren, das in Abflüssen und Kanälen verschwindet, abgeleitet, verbrannt und verwertet wird, während hingegen Weltraumschrott in der Umlaufbahn sorgsam getrackt, kartographiert und sichtbar gemacht werden muss. Ebenso sieht sich unsere Mediengesellschaft nach Problemen der Speicherung und Verfügbarmachung von Daten nun mit einem „Recht auf Vergessen” konfrontiert. Müll verlangt nach eigenen Behausungen und Transportmitteln, nach Tonnen, Containern oder Salzstöcken. Müll besetzt Räume, liegt am Waldrand oder gelangt ins Meer, wo sich daraus klandestine Plastikinseln formen. Aber Müll schafft auch Räume und kann selbst Behausung sein, etwa als Slum.
In diesem Panel interessiert uns die Produktion von Räumen durch Abfall und seine eigene Dynamik des Verschwindens, Anhäufens und Treibens.

3. „Trash” – Kreative Zerstörung oder Ästhetik des Übrigen?
Wie wird Abfälliges auffällig? Kunst, Mode und Popkultur bewegen sich oft in Kreisläufen von re-mixes, mash-ups und Wiederaneignungen. Begreift man Kunst als Formungsprozess, hat Müll viele ästhetische Qualitäten auf seiner Seite: Er relativiert gesellschaftliche Wertsetzungen und bietet neue Auseinandersetzung mit dem Material und der Medialität ästhetischer Praxis. So sind Trash, Camp und Kitsch moderne Hybride, die sich über Geschmacksgrenzen hinwegsetzen, das Anziehende am Abstoßenden zeigen und mit der Beliebigkeit von Wertkategorien spielen.
In diesem Panel interessieren uns künstlerische Umgangsformen mit dem Übrigen, Überflüssigen und Verfemten durch künstlerische Praktiken des Sammelns, der Aneignung und Transformation von vermeintlich Wert-vollem und Wert-losem.

4. Ist das Wissenschaft oder kann das weg? Left-over-Forschung
In diesem Panel möchten wir Gelegenheit geben, in konstruktiver und unterstützender Atmosphäre Projekte, Forschungsansätze und Ideen vorzustellen, die bisher keinen Platz gefunden haben, übriggeblieben oder riskant sind oder noch nicht zu Ende gedacht wurden. Vielleicht finden sich ja ungeahnte Potentiale im Abwegigen und neue Verwertungsmöglichkeiten für Übriges?

ABSTRACTS
Senden Sie Vorschläge für Beiträge (max. 2 Seiten) bitte bis zum 01.11.2014 an nicolas.oxen@uni-weimar.de

Die schlussendlichen Vorträge sollten eine Dauer von etwa 20min haben. Zwecks intensiver Diskussion ist geplant, die Textfassungen bereits vorher allen Teilnehmer*innen elektronisch verfügbar zu machen.

KONTAKT
Organisator*innen: Christiane Lewe, Tim Othold, Nicolas Oxen
nicolas.oxen@uni-weimar.de
www.uni-weimar.de/medien/philosophieavmedien

Programm

Kontakt

Christiane Lewe
Tim Othold
Nicolas Oxen
Professur Philosophie audiovisueller Medien
Fakultät Medien, Bauhaus-Universität Weimar
Bauhausstr. 11
99423 Weimar

www.uni-weimar.de/medien/philosophieavmedien