Osteuropaexperten und Politik im 20. Jahrhundert

Osteuropaexperten und Politik im 20. Jahrhundert

Veranstalter
Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung; Verband der Osteuropahistorikerinnen und -historiker (VOH); in Verbindung mit der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde (DGO)
Veranstaltungsort
Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung - Institut der Leibniz-Gemeinschaft, Gisonenweg 5-7, 35037 Marburg
Ort
Marburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
19.02.2015 - 20.02.2015
Deadline
31.10.2014
Von
Dr. Heidi Hein-Kircher - Herder-Institut Marburg

Andere Länder zu verstehen, braucht es viel: Sprachen-, Landes- und Kulturkenntnisse, Karten und weitere Informationsquellen – am besten sind jedoch Expertinnen und Experten, die stets eine Meinung haben, wenn Politiker sie fragen. Im 20. Jahrhundert sind Professionalisierungs-, Spezialisierungs- und Differenzierungsprozesse in der Politik feststellbar. Allmählich wurde jetzt das Expertenwissen zum integralen Bestandteil, nicht nur der Außenpolitik. Expertisen für viele Weltregionen wurden aufgebaut. Studienfächer wie Geographie, Geschichte, Orientalistik und Literaturwissenschaften gewannen an Bedeutung, um das Andere zu verstehen. Eine besondere Gruppe von Experten stellten dabei die Frauen und Männer, die im Laufe des letzten Jahrhunderts Osteuropa erforschten und vermitteln wollten. Nicht erst im Kalten Krieg waren Kenntnisse über die Länder östlich von Berlin und Wien gefragt. Vor allem nach den Revolutionen von 1917 in Russland nahmen Ost-Experten in unterschiedlichen institutionellen Kontexten eine wichtige Funktion in der Nähe der Außenministerien ein. Welche Rolle sie spielten, ob Politiker ihnen zuhörten, wie ihr Wissen in die Politik einfloss – dies will die im Herder-Institut in Marburg angesiedelte Tagung erforschen.

Experten trugen maßgeblich zur Bürokratisierung bei. Spezialisten eroberten die Botschaften und Auswärtigen Ämter. Was waren dies für Menschen? Zu Beginn des Jahrhunderts hatten Personen Einfluss, die Landeskenntnisse besaßen, weil sie in Osteuropa aufgewachsen waren. Später wurden mehr akademisch ausgebildete Osteuropaexperten zu Fragen der Politik herangezogen – vor dem Kalten Krieg waren es zumeist Menschen mit langen Jahren praktischer Erfahrungen im Untersuchungsraum. Diese direkte Landeskenntnis wich ab 1945 den theoretischen Verständnisversuchen. Es scheint, alle Experten bauten sich ihre Karrieren auf, indem sie für sich in Anspruch nahmen, aus der Kenntnis des Ostens heraus die zukünftigen Entscheidungen der dortigen Politiker vorhersagen zu können. Selbstvertrauen und Charisma waren äußerst wichtig. Doch was Experten sagten, musste nicht zwangsläufig geglaubt und befolgt werden. Präsident Truman hatte dem jungen Henry Kissinger einst gesagt: “If the president knows what he wants, no bureaucrat can stop him. A president has to know when to stop taking advice.” Doch der Einfluss der Experten wuchs und ist somit als Sprache der Politik und als symbolische Repräsentation von Politik selbst zu untersuchen. Wer glaubte wann wem: Spielten Experten tatsächlich eine große Rolle? Oder hat Truman Recht, dass im Moment der Entscheidung das Bauchgefühl der Politiker jedes Expertenwort aufwiegt?

Auf der Tagung konzentrieren wir uns auf den osteuropäischen Großraum: Expertenmeinungen über die ostmitteleuropäischen, südosteuropäischen, baltischen, kaukasischen, russisch/sowjetischen Regionen (einschließlich der asiatischen Landesteile) sollen in den Blick genommen werden. Die Person des Experten selbst wird hierbei in das Zentrum gerückt. Mittels biographischer Fallstudien wird die Verbindung von Expertise und Politik gegenüber dem Osten aufgezeigt. Widersprüche in den Personen, Brüche in ihren Lebensläufen, ideologische Färbungen ihrer Meinungen können dadurch anschaulich gemacht werden.

Ein Blick auf die Osteuropaexperten ist zugleich ein Blick zurück in das Fach der Osteuropa-Wissenschaften. Nicht nur der Historiker Otto Hoetzsch oder der Publizist Klaus Mehnert hatten Einfluss auf die Politik und waren wichtige Vertreter in der Geschichtsvermittlung für eine gelehrte wie außeruniversitäre Welt. Auch Naturwissenschaftler, Ingenieure oder Landwirtschaftsexperten spielten eine große Rolle. Und es gab gleichwohl Dutzende, denen die Politiker nicht zuhörten. Warum, wäre eine lohnende Frage.

Mögliche Themenfelder zur Untersuchung des Einflusses von Osteuropaexperten auf die Politik sind:
- Experten und Raumwissen
- Wirtschaft, Landwirtschaft und Geographie
- Wissenschaft und Technik
- Politik und Diplomatie
- Presse und Öffentlichkeit

Vorschläge, nicht länger als eine A4-Seite, sind an eine der drei Kontaktpersonen erbeten bis zum 31. Oktober 2014 an: forum@herder-institut.de; eine Information über die Annahme des Papers wird Ende November erfolgen.

Programm

Kontakt

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