Von der Antike bis in die Gegenwart haben sich Menschen mit umfangreichen finanziellen Ressourcen immer wieder als Stifter betätigt. Am Anfang stand Stiften und die Errichtung von Stiftungen im engen Zusammenhang mit kultischen und religiösen Akten. Im nachreformatorischen Europa zeichnete sich dann eine allmähliche Ablösung des Stiftens von der Religion ab. Waren Stiftungen bisher zumeist Religionsgemeinschaften anvertraut worden, kam es nun auch zur Errichtung von säkularen außerhalb der Kirche angesiedelten Stiftungen. Stiften war dabei nie ein Verhalten, das nur Männern vorbehalten war. Frauen spielten als Stifterinnen vor allem im Sozialbereich eine Rolle. Und Stiften war nicht nur ein der christlichen Religion innewohnendes Verhaltensmuster, sondern entwickelte sich auch innerhalb des jüdischen und islamischen Glaubens. Stiften war und ist demnach ein universales Phänomen. Die Motivation zum Stiften wandelte sich im Laufe der Jahrhunderte, und religiöse auf das Seelenheil gerichtete Gründe wurden zum Teil auch durch statussichernde oder statuserringende Motivationen begleitet oder ersetzt. In den modernen Gesellschaften des 19. Jahrhunderts, in denen soziale Gruppen und Klassen die alte Ordnung der Stände verdrängten, spielte Stiften eine wichtige Funktion in der Schaffung sozialer Distinktion und der Begründung von Macht vor allem in den Städten.
Seit den 1990er Jahren hat die Erforschung dieses Stiftungswesens einen großen Aufschwung genommen. Historiker aus verschiedenen Traditionen wie der Bürgertumsforschung, der Armutsforschung, der Mittelalter- und Frühneuzeitforschung, der Stadtgeschichtsforschung, der Bildungsforschung und der Erforschung der jüdischen Geschichte haben sich von verschiedenen Seiten und mit unterschiedlichen Ansätzen diesem bis dahin von der Geschichtswissenschaft, mit Ausnahme vielleicht der Rechtsgeschichte, vernachlässigten Phänomen angenähert.
Ziel der Winterschule ist es, Nachwuchswissenschaftlern und -wissenschaftlerinnen und künftigen Lehrern einen Überblick über die Entwicklung des Stiftungswesens von der Antike bis in die Gegenwart und die hierzu laufenden Forschungsbemühungen zu vermitteln. Denn obwohl wir umfangreiches Spezialwissen zur Geschichte des Stiftens angehäuft haben, werden diese Forschungen bisher kaum von der Öffentlichkeit wahrgenommen. Stiften und Stiftungen sind kein Bestandteil der Schullehrpläne, und auch in Lehrveranstaltungen zur Geschichte an Universitäten spielen sie nur eine marginale Rolle. Dies ist besonders misslich, da an sich jede Universitätsgeschichte mit Stiftungsgeschichte verbunden ist, sich die jeweilige Universitätsgeschichte mithin sehr gut über die betreffenden Stiftungen und Stifter beleuchten lässt. Der stets mögliche Lokalbezug wäre jeweils ein großer Vorteil bei der Wissensvermittlung. Forschungen zum Stiftungswesen haben bisher auch kaum die Gesamtinterpretation der deutschen Geschichte beeinflusst. Auch wenn sich Forscher, die über Stiften arbeiten, darüber einig sind, dass Stiften ein wesentliches bürgerliches Verhaltensmuster war und Bürgern die Möglichkeit gab, die Gesellschaft nach ihren Vorstellungen unabhängig von staatlicher Beeinflussung oder auch im Konflikt mit dem Staat zu formen, so hat dieses Wissen bisher nicht allgemeine historische Darstellungen beeinflusst. Diese Winterschule ist nicht erstrangig für Studierende gedacht, die über dieses Thema wissenschaftlich arbeiten oder zu arbeiten gedenken. Es soll vielmehr der nächsten Generation von Historikern und Geschichtslehrenden ein Einblick in diese neue Interpretationsmöglichkeit der Geschichte vermittelt werden und die Teilnehmer auf die Behandlung dieses Themas in ihren Lehrveranstaltungen vorbereiten.
Die internationale Winterschule des Alfried Krupp Wissenschaftskollegs in Greifswald wird gefördert von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach–Stiftung (Essen), dem Kölner Gymnasial- und Stiftungsfonds und der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (Potsdam).
Eine Teilnahme ist nur auf Bewerbung mit Lebenslauf und Einreichung eines
Motivationsschreibens von maximal 1 Seite möglich. Geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern können Reisekostenzuschüsse gewährt werden, die sich nach der Entfernung des Anreiseortes bemessen. Anmeldeschluss ist der 30. November 2014.