Vorsorgen in der Moderne. Akteure, Praktiken und Räume

Vorsorgen in der Moderne. Akteure, Praktiken und Räume

Veranstalter
Nicolai Hannig, Ludwig-Maximilians-Universität München, Historisches Seminar; Malte Thießen, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Institut für Geschichte
Veranstaltungsort
LMU München, Professor-Huber-Platz 2, Seminarraum V002/V005
Ort
München
Land
Deutschland
Vom - Bis
20.03.2015 - 21.03.2015
Website
Von
Hannig, Nicolai

Vorsorge ist ein Versprechen der Moderne: Sie stellt die Kontrolle und Verhinderung gesellschaftlicher Risiken und Gefahren in Aussicht, ja die Planbarkeit von Gesellschaften überhaupt. In der Vorsorge vor bzw. Versicherung gegen demographische Risiken, in der Prävention gesundheitlicher Gefahren, der Verhinderung von Naturkatastrophen, der Vorbeugung kriminellen Verhaltens oder in der Optimierung des Körpers manifestiert sich eine Kulturtechnik der Moderne, die unsere Tagung aus unterschiedlichen Perspektiven in den Blick nimmt. Diese Multiperspektivität ist zugleich ein erstes Ziel des Workshops, sollen doch Vorsorge und Prävention nicht mehr nur im medizinischen Sinne, sondern als gesamtgesellschaftliches Phänomen und auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Feldern untersucht werden.

Die Vorträge der Tagung fragen daher nach der Einführung, Etablierung sowie nach den Folgen von Vorsorge im 19. und 20. Jahrhundert. Wann, wie und warum setzten sich Vorsorgemaßnahmen, -konzepte und -techniken durch? Da Vorsorge ein aktives Eingreifen in gesellschaftliche Entwicklungen (er)fordert, nehmen die Vorträge gesellschaftliche Voraussetzungen und Kontexte ihrer Einführung in den Blick. Welche zeitgenössischen Ängste und Bedrohungen, welche Sicherheits- und Ordnungsvorstellungen bildeten den Hintergrund für Vorsorgemaßnahmen? Gab es Vorsorgeverweigerer? Und welche Rolle spielten sie in den jeweiligen Debatten?

In diesem Sinne zieht die Tagung erstens den Leitbegriff der Vorsorge als Sonde für die historiografische Suche nach Gegenwarts- und Zukunftsorganisationen heran. Zweitens erweitert sie die Geschichte der Vorsorge und ihrer gesellschaftlichen Kontexte, indem sie den Vorsorge- und Präventionsbegriff aus seiner medizinhistorischen Verengung löst. Drittens möchten wir eine grundsätzliche Debatte über den Nutzen und die Reichweite des Vorsorgeparadigmas für die Geschichtswissenschaft anstoßen. Ein zusammenfassendes Ziel ist daher die Profilierung des Analysebegriffs. Es geht also nicht zuletzt um eine offene Auseinandersetzung um die Frage, inwiefern „Vorsorge“ und „Prävention“ neue theoretische Zugriffe und Methoden auf die Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts oder auch darüber hinaus eröffnen.

Anmeldungen bitte an:
Nicolai.Hannig@lmu.de oder m.thiessen@uni-oldenburg.de

Programm

Freitag, 20.3.2015

9:15-10:00, Eröffnung und Begrüßung
Malte Thießen (Oldenburg) / Nicolai Hannig (München): Vorsorgen in der Moderne: Einführung in das Tagungsthema
Lucian Hölscher (Bochum): Die Zukunft des 20. Jahrhunderts – ein Forschungsnetzwerk

10:00-11:30, Sektion 1: Gewalt
Moderation: Sabine Freitag (Bamberg)
Annelie Ramsbrock (Potsdam): Lebenslang. Zum Verhältnis von Prognostik und Prävention bei der Sicherungsverwahrung
Fabian Klose (Mainz): Humanitäre Intervention als präventives Instrument der internationalen Politik?

11:30-12:00, Kaffeepause

12:00-13:30, Sektion 2: Wirtschaft
Moderation: Christiane Kuller (Erfurt)
Martin Lengwiler (Basel): Vorsorge als Geschäft? Vorsorgetechniken des Versicherungswesens und ihre Grenzen
Christoph Strupp (Hamburg): Planen für die Zukunft. Vorsorge als Argument im Streit um die Hamburger Hafenerweiterung

13:30-14:30, gemeinsame Mittagessen

14:30-16:00 Sektion 3: Vorsorgeverweigerer
Moderation: Dietmar Süß (Augsburg)
Rüdiger Graf (Potsdam): Sorglosigkeit. Verhaltensökonomie und die Grenzen von Vorsorge und Versicherheitlichung
Benjamin Herzog (Bochum): „Menschliches Versagen“ in den Risikotechnologien der Hochmoderne

16:00-16:30, Kaffeepause

16:30-18:00, Sektion 4: Körper
Moderation: Margit Szöllösi-Janze (München)
Frank Becker (Essen): Vorsorgen oder Ausbrennen. Der Körper des Werktätigen im Fokus von Arbeits- und Sportwissenschaft (1918-1933)
Nina Mackert (Erfurt): Becoming able. Ernährung und das Versprechen der Vorsorge in den USA um 1900

19:30, gemeinsames Abendessen

Samstag, 21.03.2015

10:00-11:30, Sektion 5: Natur und Technik
Moderation: Helmut Trischler (München)
Franz Mauelshagen (Essen/München): Vorsorge und Naturgefahren in tiefenzeitlicher Perspektive
Dirk van Laak/Kai Nowak (Gießen): Automatismen als Unfallprävention? Verkehrssicherheit in der frühen Bundesrepublik und das Prinzip der Selbstkontrolle

11:30-12:00, Kaffeepause

12:00-13:00
Martin H. Geyer (München): Vorsorge, Demografie und Nachhaltigkeit: Die biopolitische Wende der Ökonomen in den 1980er Jahren

13:00-14:00, Abschlussdiskussion
Tagungsbeobachtung durch die Veranstalter und gemeinsame Diskussion

14:00, gemeinsamer Mittagsimbiss

Kontakt

Nicolai Hannig

Ludwig-Maximilians-Universität München, Historisches Seminar
Geschwister-Scholl-Platz 1, 80539 München
089/2180-6389

Nicolai.Hannig@lmu.de