Sozialgeschichte des Kapitalismus im 19. und 20. Jahrhundert

Sozialgeschichte des Kapitalismus im 19. und 20. Jahrhundert

Veranstalter
Friedrich-Ebert-Stiftung Archiv für Sozialgeschichte
Veranstaltungsort
Ort
Bonn
Land
Deutschland
Vom - Bis
15.10.2015 - 16.10.2015
Deadline
15.05.2015
Von
Meik Woyke

Sozialgeschichte des Kapitalismus im 19. und 20. Jahrhundert

Der geplante AfS-Band fragt nach der Entwicklung und den Strukturproblemen des Kapitalismus in der westlichen industriellen Moderne und nimmt dessen globale Verflechtungen und Interdependenzen in den Blick. Auf diese Weise soll der gegenwärtigen Diskussion um die Krisenhaftigkeit der kapitalistischen Wirtschaftsform historische Tiefenschärfe verliehen und zugleich an frühere Debatten um die inhärenten Probleme, Widersprüche und Grenzen des kapitalistischen Wirtschaftens erinnert werden. Das Spektrum möglicher Beiträge reicht von Makroanalysen bestimmter Volkswirtschaften und ihren Entwicklungspfaden oder ausgewählter Entwicklungs- und Krisenperioden über spezifische Analysen einzelner Wirtschaftszweige oder -formen bis hin zur ideengeschichtlichen Rekonstruktion wichtiger zeitgenössischer Analysen des Kapitalismus und ihrer gesellschaftlichen Hintergründe. Alle Beiträge sollten sich um eine Einbettung ihres Themas in eine – sehr weit verstandene – politische Sozialgeschichte bemühen, also die sozialen Kontexte und die politischen Implikationen und Steuerungsversuche wirtschaftlichen Handelns aufzeigen und somit über eine rein ökonomische Analyse hinausgehen.

Der Band bietet ein Forum für Beiträge zu mindestens fünf verschiedenen Themenfeldern:

Erstens geht es um die Veränderung kapitalistischer Produktionsregime im langen 20. Jahrhundert, also um den Aufstieg und Niedergang des Fordismus als einer spezifischen Verbindung von Massenproduktion, Vermarktung und Massenkonsum. Gerade am deutschen Beispiel ist dabei auch nach der Verbindung von Staat und Wirtschaft in verschiedenen Formen korporatistischer Steuerung und Interessenabgleichung zu fragen sowie nach Möglichkeiten der Reform des Kapitalismus durch Institutionen, Regeln und politische Vorgaben. Dabei ist zu beachten, dass im Westen durchgesetzte Verbesserungen im Verhältnis zwischen Arbeit und Kapital negative Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen im globalen Süden zeitigen konnten.

Zweitens geht es um die historischen Formen und Entwicklungsphasen des Finanzkapitalismus. Wie vollzogen sich die Herausbildung von weltweit agierenden Finanzmärkten und die Stabilisierung einer auf Zahlungsversprechen beruhenden Form des Wirtschaftens in Institutionen wie Börsen und Banken?

Drittens geht es um die Möglichkeit, „Krisen“ des Kapitalismus zu konzeptualisieren. Die meisten kritischen Versuche dieser Art standen und stehen unter dem Vorbehalt, auf unzureichender Materialbasis weitreichende Schlussfolgerungen zu ziehen. Welche Instrumente stehen zur möglichst grenzüberschreitenden Analyse von „Krisen“ zur Verfügung? In welchen Formen zeigte sich die Krisenhaftigkeit des Kapitalismus seit 1857/59? Welche Krisendiskurse verfestigten deren Wahrnehmung als systemimmanentes Phänomen? Oder bildete sich vielmehr umgekehrt das eurozentrische Fortschrittsnarrativ als vorherrschende Interpretationslinie heraus, im Kapitalismus ein Modernisierungsinstrument zur Durchsetzung von Demokratie und zum Erreichen von ökonomischem Wachstum und Wohlstand „für alle“ gefunden zu haben?

Viertens stehen Formen und Foren des populären Kapitalismus zur Debatte, also des Sparens und Anlegens, des Kredits für die kleinen Leute und der Spekulation als breitenwirksamer Aktivität. Wie verankerten sich die Ideale der Gewinnmaximierung und der ökonomischen Optimierung in breiteren Bevölkerungsschichten? Welche sozialen Praktiken und ideologischen Diskurse unterstützen diese Verankerung?

Fünftens geht es um Alternativen zum Kapitalismus, die eine residuale Existenz in dieser weithin dominanten Wirtschaftsform einnehmen, also um die Praktiken und Ergebnisse des Genossenschaftswesens und des mutualism, um Gegenmodelle zum Kapitalismus in der Tauschwirtschaft und in der Ausgabe von „Freigeld“ und anderen Residualwährungen. Auf welchen theoretischen, politischen und religiösen Ideen basieren diese Formen des Wirtschaftens, welche Ergebnisse zeigen sie und wie entwickeln sie sich in den Krisen und Konjunkturen des Kapitalismus? Lassen sich Zäsuren und Akzentverschiebungen in den Debatten über diese Alternativvorschläge ausmachen?

Am 15./16. Oktober 2015 wird ein Autorenworkshop zur Vorbereitung des AfS-Bandes bei der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn stattfinden. Konferenzsprachen sind Deutsch und Englisch. Vorschläge für einen Vortrag können zusammen mit einer Kurzbiografie bis zum 10. April 2015 eingereicht werden. Die Exposés sollten 3.000 Zeichen nicht überschreiten.

Die Redaktion des Archivs für Sozialgeschichte besteht aus Beatrix Bouvier, Anja Kruke, Friedrich Lenger, Ute Planert, Dietmar Süß, Meik Woyke (Schriftleitung) und Benjamin Ziemann.

Programm

Kontakt

Friedrich-Ebert-Stiftung
Archiv für Sozialgeschichte
Schriftleiter
Dr. Meik Woyke
Godesberger Allee 149
53175 Bonn

http://www.fes.de/afs