Neuere Arbeiten zur Geschichte der DDR haben besonders die Aushandlungsprozesse zwischen dem staatlichen Machtanspruch und dem alltagskulturell verankerten „eigensinnigen“ Handeln der Bevölkerung hervorgehoben. Sie zeigen, dass die DDR als ein überaus komplexes, keineswegs monolithisches oder strikt zentralistisch gesteuertes Herrschaftssystem zu verstehen ist, dessen Stabilität sich nicht allein mit Verweis auf den Partei- und Staatsapparat erklären lässt. Der Fokus auf gesellschafts- und alltagsgeschichtliche Fragen ermöglicht es, wichtige Legitimationsmechanismen des DDR-Herrschaftssystems herauszuarbeiten. Demgegenüber ist in der Forschung die Beschäftigung mit den top-down agierenden staatlichen Apparaten und der zentralistisch organisierten Parteiherrschaft der SED teilweise in den Hintergrund getreten.
Die Integration beider Forschungsstränge von eher alltagsgeschichtlich ausgerichteten und von primär auf die Staats- und Parteiapparate orientierten Untersuchungen ist vor diesem Hintergrund derzeit ein wichtiges Desiderat der DDR-Forschung. Der Blick auf die räumliche Dimension von Macht und Herrschaft in der DDR bietet vielversprechende Ansätze dafür, die verschiedenen Perspektiven miteinander zu verbinden. Zwar wurden auch bisher die räumlichen Dimensionen des DDR-Systems nicht durchweg ausgeblendet. Sozialräumliche Disparitäten und politische bzw. Macht-Asymmetrien, die eine wichtige Rolle bei der Erosion sozialistischer Legitimation und Ideologie spielten, rücken indes erst in jüngster Zeit verstärkt ins Blickfeld der Forschung.
Eine Perspektive, die die „räumliche Reichweite der Macht“ und deren Grenzen in den Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses stellt, kann die Mechanismen staatssozialistischer Herrschaft sowohl aus der Alltagsperspektive als auch aus der Sicht des zentralistischen Staates erfassen. Dabei geraten unter anderem Strategien der Delegierung von Macht im zentralistischen Staatsaufbau an nachgeordnete Akteure und die Durchsetzung des staatlichen Gestaltungsanspruchs von Lebensräumen in den Blick. In raumbezogenen, potenziell immer konflikthaften Interaktionen manifestierten sich auf spezifische Weise die Praktiken und Grenzen der Diktatur.
Interessentinnen und Interessenten können sich bis zum 15. September 2015 per E-Mail bei Petra Geral (petra.geral@irs-net.de) zur Teilnahme anmelden. Rückfragen können Sie auch gerne an Oliver Werner (oliver.werner@irs-net.de) richten.
Es wird eine Teilnahmegebühr von 10,00 Euro (für Studierende 6,00 Euro) erhoben, Mittagsimbiss an beiden Tagen ist inklusive.