Das arme Subjekt. Subjektivierungen und sozialer Raum

Das arme Subjekt. Subjektivierungen und sozialer Raum

Veranstalter
Wiebke Wiede (Universität Trier); Nina Mackert (Universität Erfurt)
Veranstaltungsort
Universität Trier, Raum B19
Ort
Trier
Land
Deutschland
Vom - Bis
03.09.2015 - 05.09.2015
Website
Von
Nina Mackert

Foucaults genealogische Subjektivierungsgeschichten problematisieren die historische Produktion von Subjektivität exemplarisch in Wissens- und Machtgeschichten von Devianz, Delinquenz oder Randständigkeit. Die soziologische und historische Forschung zum gegenwärtig aktuellen Feld der Subjektivierungsforschung erweist Foucaults Machtkonzept regelmäßig Referenz. Gerade in Kombination mit den Gouvernementalitätsstudien stand dabei bisher in der Regel das Interesse an der Analyse hegemonialisierter Subjektpositionen im Vordergrund, über die Individuen sich entlang allgemein anerkannter Normen subjektivieren. Vom subjektivierenden Potential gesellschaftlich randständiger Subjektpositionen ist dagegen weniger die Rede. Fragen nach sozialen Bedingungen von Subjektivierung, wie sie soziale Differenzen und asymmetrische Herrschaftsverhältnisse bezeichnen könnten, bleiben zudem oft ausgeklammert. Das „Subjekt“ der Subjektanalyse ist nicht selten (zumindest implizit vorausgesetzt) westlich, männlich und weiß und verfügt über ein Mindestmaß an kulturellem Kapital, um Subjektanforderungen von „Selbstoptimierung“, „Kreativität“ oder „Effizienz“, wie sie für die jüngste Zeitgeschichte des Selbst formuliert werden, zu erfüllen.
Der Workshop „Das arme Subjekt. Subjektivierungen und sozialer Raum“ soll den Austausch über subjekttheoretische Problemlagen in sozialkritischer Perspektive fördern und sich disziplinenübergreifend mit Fragen wie den folgenden beschäftigen:
Inwieweit lässt sich aber Subjektformung im stratifizierten, sozialen Raum situieren? Wie funktioniert die Subjektivierung armer, kranker, arbeitender oder krimineller Subjekte? Sind „untere Klassen“ in ihrer Sorge um sich auf Bourdieus „Geschmack am Notwendigen“ verwiesen? Sind sie zentral für die Durchsetzung von Subjektkulturen, wie in Ulrich Bröcklings Analyse des „unternehmerischen Selbst“, das im Topos des „Unternehmers der eigenen Arbeitskraft“ in der Arbeitslosenforschung 1984 das erste Mal aufscheint (Bröckling 2007)? Und sind sie noch auf eine andere Weise mit hegemonialisierten Subjektpositionen verknüpft als ‚lediglich‘ als „‚Verhinderer‘ des Allgemeinen“ (Nonhoff 2006)?

Programm

Donnerstag, 3.9.15

17:00 Einführung
Wiebke Wiede (Trier)/Nina Mackert (Erfurt)

Arbeit, Schulden, Aufstieg
17:15–18.15
Timo Luks (Chemnitz): Zwischen Armut, Selbständigkeit und Dienst. Polizeibewerber und prekäre Arbeitsmärkte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

18:15–19:15
Felix Krämer (Göttingen/Kassel): Deadbeat Dads. Das verschuldete Selbst in den zeitgeschichtlichen USA und darüber hinaus

Abendessen/Imbiss

20:00 Keynote
Martin Nonhoff (Bremen): Zwischen Lumpenproletariat und Teil der Anteillosen. Zur Subjektivierung der Armen in der Politischen Theorie

Freitag, 4.9.15

Bildung und Erziehung
9:00–10:00
Florian Heßdörfer (Leipzig): Förderung statt Fürsorge – Die Sorge um den Schatz der Armen. Zum Wandel des Defizitären im pädagogischen Kontext des Begabungsdenkens

10:00–11:00
Stefan Wellgraf (Frankfurt/Oder): Hauptschüler. Zeitgenössische Subjektivierungsprozesse im hierarchisierten Bildungssystem

Kaffee

11:30–12:30
Regina Schleicher (Frankfurt/Main): Gouvernementale Subjektivitäten im schulischen Fremdsprachenunterricht

Mittagspause

Beratung, Medikalisierung, Drogen
14:00–15:00
Jens Elberfeld (Bochum): Das arme Subjekt des Psychobooms. Therapeutisierung zwischen Empowerment und Regierung der Armut (BRD 1960-2000)

15:00–16:00
Magaly Tornay (Zürich): Wirksame Stoffe, „kranke“ Psychen: Subjektivierung in klinischen Versuchen mit psychoaktiven Stoffen

Kaffee

16:30–17.30
Jan-Henrik Friedrichs (Berlin): „Kaputt-Sein ist nur der Tribut”. Aussteigertum und Heroinkonsum als Praxis der Freiheit und/oder Effekt neoliberaler Regime?

Soziale Prekarität und soziale Asymmetrien I
18:00–19:00
Anna Hollendung (Bremen): Prekäres Handeln. Anmerkungen zur Gefährdung politischer Handlungsfähigkeit

Abendessen

Samstag, 5.9.15

Soziale Prekarität und soziale Asymmetrien II
10:00–11:00
Nadine Recktenwald (München): Das verhandelte Subjekt. Obdachlose vor Gericht

11:00–12:00
Maria Beimborn (München): „Wir essen Mangos, zählen aber die Bäume nicht“. Subjektivierungspraxen und -erfahrungen „der Armen“ im Feld staatlicher Wohlfahrt in Pakistan

12:00 Abschlussdiskussion

Kontakt

Wiebke Wiede

Universität Trier

wiede@uni-trier.de