What Matters? Neue Materialitäten und materiell-semiotische Perspektiven in der kritischen Migrations- und Grenzregime‏forschung

What Matters? Neue Materialitäten und materiell-semiotische Perspektiven in der kritischen Migrations- und Grenzregime‏forschung

Veranstalter
Labor für kritische Migrations- und Grenzregimeforschung
Veranstaltungsort
Ort
München
Land
Deutschland
Vom - Bis
06.05.2016 - 07.05.2016
Deadline
12.10.2015
Website
Von
Maria Schwertl, Simon Sontowski, Mathias Rodatz, Bernd Kasparek

Call for Participation: Konferenz und Sammelband zu „What matters? Neue Materialitäten und materiell-semiotische Perspektiven in der kritischen Migrations- und Grenzregimeforschung“

In vielen Bereichen der Migrationsforschung und Border Studies ist in den letzten Jahren von neu entstehenden Materialitäten und Technologien die Rede (Dijstelbloem/Meijers 2011). Prägnantestes Beispiel hierfür ist sicherlich der Bereich der Biometrie (Amoore 2006; Walters 2011), vermehrte Aufmerksamkeit erfährt aber auch die verstärkte Erstellung von Karten und Mappings sowie Counter-Mappings (Hess 2010; Tazzioli 2015; Walters 2010), die Digitalisierung der Grenze und migrantischer Praxen (Tsianos/Kuster 2012) und nicht zuletzt der Bau neuer Zäune und Mauern nicht nur an der europäischen Außengrenze, sondern auch an der US-mexikanischen Grenze (Jansen/Celikates/de Blois 2014). Zudem entstehen in Städten neue Infrastrukturen der Kontrolle und Integration und in Museen und Archiven neue Sammlungen zur Geschichte der Migration, die Erinnerung v.a. über materialisierte Praxen verändern sollen (vgl. Bayer 2014).

Gleichzeitig sind materiell-semiotische Ansätze wie die Akteur-Netzwerk Theorie, der posthumanistische Materialismus oder an Deleuze und Guattari anschließende Assemblage-Ansätze in den letzten Jahren in den Kultur- und Sozialwissenschaften so stark rezipiert worden, dass inzwischen von einem material turn die Rede ist. Ausgehend von einer Kritik an dualistischen und subjektzentrierten Ontologien folgen diese Ansätze dem ko-konstitutiven Zusammenspiel von menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren und Artefakten und ermöglichen dadurch grundlegend neue Forschungsperspektiven auf die umkämpfte sozio- materielle Herstellung und Stabilisierung von sozialer Realität.

Anders als in rezenten Forschungen im Bereich der Logistik (Cowen 2010; Martin 2011) und der zu Infrastrukturen der Globalisierung (Tellmann/Opitz/Stäheli 2012) sind diese Ansätze im Bereich der kritischen Migrations- und Grenzregimeforschung allerdings bisher selten aufgegriffen worden. Dabei eröffnen sie gerade für regimetheoretische und kritische Arbeiten, welche die umkämpften Ensemble des Regierens von Migration und Grenzen in den Blick nehmen und dabei die Bewegungen der Migration zentral setzen, vielversprechende neue Herangehensweisen.

Um dieses Potential und das Wechselspiel von materiell-semiotischen Perspektiven und neuen Materialitäten im Migrations- und Grenzregime auszuloten, veranstalten wir Anfang Mai 2016 in München eine Tagung, auf der einerseits materiell-semiotische Ansätze für die kritische Migrations- und Grenzregimeforschung fruchtbar gemacht und sowohl ihre Produktivität als auch ihre blinde Flecken und Implikationen kritisch beleuchtet werden sollen. Andererseits wollen wir uns auf dieser Tagung auch mit der materiellen Seite der Migrations- und Grenzregime auseinandersetzen: mit den Verkörperlichungen, den Booten, Drohnen und Satelliten, mit Zäunen und Stacheldrähten, mit Fingerabdruckscannern, Datenbanken und Codes, aber auch mit den Infrastrukturen der Regierung von Migration und Integration u.a. in Verwaltungsbüros und in der Gesetzgebung – kurz: mit den Materialitäten und materiellen Praxen, die sich durch verschiedene Migrations- und Grenzregime hindurchziehen. Und wir wollen fragen, wie sinnvoll es für eine kritische Migrationsforschung ist, diese in den Fokus zu rücken.

Hierzu fragen wir nach dezidiert empirischen aber auch methodologisch argumentierenden Beiträgen aus dem Feld der Migrations- und Grenzregime- sowie Globalisierungs- und Mobilitätsforschung, die sich auf theoretischer Ebene von materiell-semiotischen Ansätzen inspirieren lassen oder sich kritisch mit ihnen auseinandersetzen und/oder sich explizit mitMaterialitäten in Migrations- und Grenzregimen beschäftigen. Entlang der drei konzeptionellen Fluchtlinien Ontologie, Epistemologie und Kritik sollen dabei folgende Fragen im Zentrum stehen und an die jeweiligen empirischen Forschungen angelegt werden:

Welche Perspektiven auf Migrations- und Grenzregime legen materiell-semiotische Ansätze nahe? Welche empirischen Phänomene lassen sich durch ihre ontologischen Grundannahmen sichtbar machen und was blenden sie aus?
Welche erkenntnistheoretischen Implikationen bringen materiell-semiotische Ansätze mit sich und was bedeuten diese für die Methoden und Forschungsdesigns der kritischen Migrations- und Grenzregimeforschung?
Welche politischen Implikationen bringt der Bezug auf materiell-semiotische Theorien mit sich und wie steht es um das gesellschaftskritische Potential dieser Ansätze?

Mit der Tagung möchten wir einen kollektiven Diskussions- und Schreibprozess anstoßen, der 2017 in einem Sammelband mit dem vorläufigen Arbeitstitel „ANT, Assemblage und Autonomie. Materiell-semiotische Perspektiven in der kritischen Migrations- und Grenzregimeforschung“ veröffentlicht werden soll. Inhaltlich soll darin die gesamte Breite der kritischen Migrations- und Grenzregimeforschung abgedeckt werden, darunter Citizenship, Biometrie, Körper, Migrationsindustrien und Wissenschaft. Besonders würden wir uns über Beiträge freuen, die feministische Theoriebestände (z.B. Braidotti oder Barad) nutzen oder auch praxeologisch argumentieren oder historisch-materialistische Perspektiven gegen die neueren Materialismen abwägen.

Insgesamt erhoffen wir uns nicht nur von der Tagung sondern auch dem Sammelband eine Auslotung des ‚kritischen Potentials’ der neuen materiell-semiotischen Ansätze, welches diesen in ihrer Programmatik und in ihren Anfängen durchaus inhärent war, aber bis dato selten eingelöst wurde. Eine solche Refokussierung kann entsprechend nicht nur für die Migrationsforschung wichtig sein, sondern auch zur sozial- und kulturwissenschaftlichen Debatte dieser Perspektiven allgemein beitragen.

Wir bitten um die Einreichung von aussagekräftigen Abstracts (ca. 500 Wörter) auf Deutsch oder Englisch bis zum 12. Oktober 2015 an simon.sontowski@geo.uzh.ch.

Mitglieder des Labors für kritische Migrations- und Grenzregimeforschung:

Maria Schwertl, Ludwig-Maximilians-Universität München

Simon Sontowski, Universität Zürich

Mathias Rodatz, Goethe-Universität Frankfurt am Main

Bernd Kasparek, Georg-August-Universität Göttingen

Programm

Kontakt

Simon Sontowski

Geographisches Institut der Universität Zürich
Winterthurerstr. 190, CH-8057 Zürich
+41-44-6355244

simon.sontowski@geo.uzh.ch


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Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Englisch
Sprache der Ankündigung