Fenster im Kalten Krieg. Über Grenzen, Alternativen und Reichweite einer binären Ordnungsvorstellung

Fenster im Kalten Krieg. Über Grenzen, Alternativen und Reichweite einer binären Ordnungsvorstellung

Veranstalter
Emmanuel Droit, Jan Hansen, Frank Reichherzer
Veranstaltungsort
Institut für Geschichtswissenschaften, Friedrichstr. 191/193, 10117 Berlin
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
26.11.2015 - 27.11.2015
Deadline
15.11.2015
Website
Von
Frank Reichherzer

Das scheinbare Signum der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war die Binarität. Der von den Zeitgenossen so genannte „Kalte Krieg“ soll hier weder als eine Epoche, die von 1947/49 bis 1989/91 reichte, noch als Stilmittel verstanden werden, das den Zustand der Beziehungen zwischen Staaten beschreibt. „Kalter Krieg“ markiert in diesem Vorhaben stattdessen eine Chiffre, die für eine paradigmatische Ordnungsvorstellung steht, die ein bestimmtes Ordnungssystem hervorgebracht hat. Grundlage dieser Ordnung ist die radikale binäre Logik des Entweder-Oder, die den Anspruch erhob, als leitendes Kriterium für die Ordnung der Welt und die Strukturierung von Gesellschaft zu dienen („Hypermoderne“). In diesem Muster und den damit verbundenen Wahrnehmungsfilter ließen sich Probleme überhaupt erst konkretisieren und einordnen, um dann konkrete Lösungen zu entwickeln.

Bipolarität und binäres Denken schrieben sich als handlungsleitende Paradigmen in nahezu alle Bereiche der Gesellschaft ein. Sie waren aber niemals total. Immer wieder und zu jeder Zeit wurden sie unterlaufen oder transzendiert. Der Konstruktion und Verfestigung der Ordnungsvorstellung „Kalter Krieg“ standen gleichzeitig Alternativen, Residuen und Widerstände gegenüber. Deshalb wollen wir in diesem Workshop diese alternativen Ordnungen und Transzendierungen aufspüren und die Ordnungsvorstellung des „Kalten Krieges“ selbst hinterfragen und dekonstruieren.

Dazu richten wir zum einen unser Augenmerk auf „Untertunnelungen“ des Kalten Krieges, das heißt auf Nischen und Lücken im Ordnungssystem. Zum anderen interessieren uns Transzendierungen, die die binäre Ordnung selbst in Frage stellen oder es gar nicht mehr nötig hatten, überhaupt den „Kalten Krieg“ zu thematisieren. Wann traten – auch in diachroner Perspektive – Irritationen in und an der Ordnung des Kalten Krieges auf.

Inwiefern, in welchen Zusammenhängen und warum funktionierte die Logik des „Kalten Krieges“ nicht (mehr)? Welche Akteure und Institutionen imaginierten alternative Ordnungen, und wie sahen sie aus? Welche Praktiken rissen wann Löcher in den „Eisernen Vorhang“? Welche Strategien zur Überwindung aber auch Anpassungen der Ordnungsvorstellungen und der Ordnungssystems ergeben sich? Wie beeinflussten sich etwa Ost-West-Rivalität, „Globalisierung“ und „Interdependenzdenken“ wechselseitig? Wann und warum können Probleme nicht mehr in der manifestierten binären Struktur betrachtet und gelöst werden? Wie überlagern und beeinflussen sich verschiedene, ja widersprüchliche Ordnungen? Wie ordnet sich Macht neu? Was sind die Räume und Orte der Diskussion und Aushandlung? Und schließlich: Was sind die Grenzen dieser umfassenden Transformation, wo blieb und bleibt die binäre Ordnungsvorstellung des „Kalte Krieges“ (auch nach 1989/91)dominant und welche neuen Manifestationen des Ordnungssystems zeigen sich?

Um diese Fragestellungen zu operationalisieren, lehnen wir uns an das Konzept der „Figur des Dritten“ an. Es dient als heuristische Suchhilfe, um Phänomene überhaupt erst zu entdecken. Das Dritte ist oft am Rande der Gesellschaft zu finden. Es stört, weil es der binär-modernen Komplexitätsreduzierung und spezifischen Rationalität zuwider läuft. Die verschiedenen Figurationen des Dritten – von sozialen Protestbewegungen über die Metapher des Netzes bis zur blockfreien „Dritten Welt“ – bieten eine Unendlichkeit von Optionen an und sind deshalb Störfaktoren jeder Bipolarität und der Einhegung von Kontingenz. Es geht in einem ersten Schritt darum, die Reichweite der Ordnung des Kalten Krieges, aber auch der alternativen Entwürfe sowie die Wechselwirkungen zu skizzieren. Von dieser Basis aus wollen wir – in einem zweiten Schritt – Wege erkunden, um zu einer neuen Sicht auf die Zeit nach 1945 beizutragen und die Geschichte des „Kalten Krieges“ anders zu erzählen.

Der Workshop ist als Auftaktveranstaltung eines Diskussionsnetzwerkes konzipiert. Gäste sind nach Voranmeldung an frank.reichherzer@hu-berlin.de herzliche willkommen. Weitere Informationen zum Workshop finden Sie unter:
https://www.geschichte.hu-berlin.de/de/bereiche-und-lehrstuehle/gewest/news/fenster

Programm

Tagungsprogramm:
Ort: Humboldt-Universität, Institut für Geschichtswissenschaften, Friedrichstr. 191, 10117 Berlin

Donnerstag, 26.11.2015

11:30-12:00 Frank Reichherzer (Berlin/Potsdam): Einführung

12:00-14:00 Gruppe 1
Silvia Berger Ziauddin (Zürich): Impuls „Bunkerisierung“
Jan Hansen (Berlin): Impuls „Friedensbewegung“

14:30-16:30 Gruppe 2
Emmanuel Droit (Berlin): Impuls „Geheimdienste“
Dieter Kollmer (Potsdam): Impuls „Rüstung(sbeschaffung)“

17:00-19:00 Gruppe 3
Sabine Loewe (Mannheim): Impuls „Sicherheitssysteme und dritte Wege“
Jürgen Dinkel (Gießen): Impuls „Blockfreiheit“

Freitag, 27.11.2015

9:00-11:00 Gruppe 4
Andrea Rehling (Mainz): Impuls „Weltkulturerbe“
Heike Wieters (Berlin): Impuls „Humanitäre NGOs“

11:15-13:45 Gruppe 5
Martin Deuerlein (Tübingen): Impuls „Interdependenztheorien“
Christian Albrecht (Konstanz): Impuls „Club of Rome“
Frank Reichherzer (Potsdam/Berlin): Impuls „Trilateral Commission“

14:30-15:30 Schluss/Ausblick

Kontakt

Dr. Frank Reichherzer
frank.reichherzer@hu-berlin.de