Unsagbarkeit. Sprachen der Liebe in Literatur und Kunst der Vormoderne. Graduiertentagung im Rahmen des SFB 644 „Transformationen der Antike“

Unsagbarkeit. Sprachen der Liebe in Literatur und Kunst der Vormoderne. Graduiertentagung im Rahmen des SFB 644 „Transformationen der Antike“

Veranstalter
Lea Braun, Felix Florian Müller
Veranstaltungsort
Berlin
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
10.06.2016 -
Deadline
13.12.2015
Website
Von
Felix Florian Müller, HU Berlin

Die Darstellungen von Intimität in Literatur und Kunst des Mittelalters und der Frühen Neuzeit sind vielfältig. Liebe und Freundschaft als Erscheinungsformen der Intimität werden in weltlichen und geistlichen Diskursen in sehr differenzierter Weise inszeniert. Doch haben diese Diskurse eines gemeinsam: die Darstellung eines Moments höchster Intimität, der verhüllt werden muss und somit unsagbar bleibt.

Im Anschluss an Luhmanns Studie Liebe als Passion stellt sich die Frage, wie solche Formen der Unsagbarkeit in kommunikativen Prozessen funktionalisiert werden können. Intimität im Sinne einer „zwischenmenschlichen Interpenetration“ (Luhmann), einer wechselseitigen Durchdringung zweier empirischer Personen oder fiktionaler Figuren, gestaltet sich in vormodernen Gesellschaften vielfach als Spannung zwischen individuellem Affekt und gesellschaftlicher Restriktion. Form und Bedingungen ihrer Kommunikabilität sind abhängig von den Normen und Codes, denen sie gesellschaftlich unterworfen sind. Der Inkommunikabilität kommt die Schlüsselrolle zu, höchste Intimität auch in einem breiteren gesellschaftlichen Kontext kommunikativ anschlussfähig zu machen. Da hierfür spezielle Beschreibungsformen und Darstellungsmodi erst gefunden werden müssen, besitzt die Unsagbarkeit ein hohes kreatives Potenzial, das es für die genannten Epochen auszuloten gilt. Zugleich muss der Begriff der Intimität selbst hinsichtlich der vormodernen Gegebenheiten spezifiziert werden. Versucht man eine Typologie der Unsagbarkeit zu entwerfen, so entfaltet sie sich zwischen zwei thematischen Polen:

Unverfügbarkeit und Überhöhung: Mit dem Leitkonzept der höfischen Liebe erfährt Intimität im Kontext der weltlichen Literatur- und Kunstproduktion eine radikale Überhöhung und somit eine neue ideologische Dominanz im Sinne eines Leitkonzepts. Die Inszenierung von Intimität als dem Unverfügbaren und Absoluten erfolgt in Analogie zu oder direkter Übernahme von religiösen Diskursen, wie man sie beispielsweise in der Mystik findet. In der weltlichen Literatur bilden sich analog gestaltete Diskurse heraus, die jedoch nicht (nur) das Göttliche, sondern vielmehr Liebe und Freundschaft zwischen Menschen ins Zentrum rücken. Die Darstellungsformen entwickeln sie sich im Zuge eines permanenten, wechselseitigen, synchronen Austausch- und Transformationsprozesses zwischen weltlicher und geistlicher Sphäre .

Tabuisierung: Als Gegenpol zur eher seelischen Ebene, die Intimität durch Überhöhung inszeniert, findet man eine eher auf körperliche Intimität zielende Ebene vor, die von Tabuisierungen geprägt ist. In Text und Bild erzeugen solche Aussparungen und Umerzählungen, gerade wenn sie im Rahmen der Transformation eines bekannten Stoffes erfolgen, einen spezifischen Redebedarf des Ausschlusses. Im erzählten bzw. bildlich dargestellten Narrativ der Liebe entwickeln sich neue Diskurse über das Unsagbare. Zwischenräume des Sprechens und Schweigens, des Zeigens und Verbergens erlauben Untertöne des Begehrens, die quer zu heteronormativen Beschreibungs- und Darstellungsmustern der Intimität liegen können.

Besonders prägnant und vielfältig lässt sich die Unsagbarkeit im Spannungsfeld von Unverfügbarkeit und Tabuisierung in vormodernen Bearbeitungen antiker Vorlagen beobachten. Das Wiedererzählen oder Wiederabbilden antiker Motive und Narrative verlangt den transformierenden Zugriff auf sich wandelnde Normen der Intimität: sei es als Ausschluss homoerotischer Entwürfe und neuer Diskurse über Sexualität, sei es als Einschreibung höfischer Liebeskonzepte in die antiken Stoffe. In der ästhetischen Auseinandersetzung mit anderen Sprachen der Liebe werden die eigenen Entwürfe geschärft, hinterfragt oder bestätigt.

Ziel der Tagung ist es, mittelalterliche und frühneuzeitliche Entwürfe von Intimität und ihrer (Un)Kommunizierbarkeit in interdisziplinärer Perspektive auszuleuchten, die historisch-kulturellen Bedingungen von Unsagbarkeit zu rekonstruieren, ihre Grenzen zu umreißen und ihre subtilen Verschiebungen nachzuzeichnen. Beiträge zum Einfluss von kulturellem und sozialem Wandel sowie zu Interdependenzen zwischen den Künsten sind ebenso willkommen wie materialgestützte Untersuchungen, welche die spezifischen Ausdrucksmöglichkeiten einzelner Werke und ihrer Transformationen untersuchen.
Konzeption: Lea Braun und Felix Florian Müller

Die Tagung wird ausgerichtet im Rahmen des SFB 644 „Transformationen der Antike“. Tagungstermin ist der 10.-11. Juni 2016.

Die Vorträge sollen 25 Minuten nicht überschreiten. Ihre Abstracts von maximal 500 Zeichen senden Sie bitte bis zum 13. Dezember 2015 an
braunlea@german.hu-berlin.de
felix.florian.mueller@hu-berlin.de

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