Die spezifische Materialität der Dinge ist in der Vergangenheit in verschiedenen Disziplinen sowohl in werkstoffkundlicher, technischer als auch in symbolischer Hinsicht beschrieben worden. Dies gilt auch für den Werkstoff „Holz“. Mit dem Workshop wird angestrebt, den Umgang mit Holz in Mittelalter und Früher Neuzeit auf folgende Interdependenzen hin zu untersuchen:
- die sozioökonomischen und ökologischen Bedingungen sowie Konsequenzen der Holzgewinnung
- die Materialeigenschaften bezüglich der Verarbeitung und Verwendung
- die Möglichkeiten der Bearbeitung durch verfügbare Werkzeuge, das Einsatzspektrum
- das Zusammenspiel mit anderen Materialien
- die symbolische Besetzung auf der Grundlage von Herkunft, Materialeigenschaft und Verwendung
- die (u.U. auch affektive) Wirkung und das appellative Potential des Materials
- das Wissen über Materialgewinnung, Materialverarbeitung und Materialverhalten
- Regelungen der Holzgewinnung und Holzverarbeitung: was darf oder muss aus Holz hergestellt werden; wer darf Holz verarbeiten
- die Diskursivierung von Holz in Text und Bild etc.
Eine solche Herangehensweise ist nicht nur notwendig zu einer Erfassung der kulturhistorischen Bedeutung eines Werkstoffes, sondern erlaubt darüber hinaus Erkenntnisse zur „Macht der Dinge“ hinsichtlich ihrer handlungsanleitenden und sinnstiftenden Wirkungen in den jeweiligen historischen Konstellationen. Dies gilt insbesondere auch für ursprünglich nicht angelegte Funktionen und Auswirkungen der Dinge, die sich im Laufe einer Objektbiographie ergeben. Ein besonderes Augenmerk soll auf den Praktiken liegen, die sowohl die Produktion von Holzobjekten als auch deren Nutzung, Umarbeitung und neue Funktionalisierungen betreffen. Welche Formen des Wissens entstehen gerade in dem Interagieren zwischen „Material“ und „Mensch“?
Besonders erhellend sind hier auch die scheinbaren Brüche und Inkonsistenzen, die nur aus einer solchen interdisziplinären Sicht aufgedeckt werden können: Wurde ein Gegenstand trotz anderer nahe liegender Optionen aus Holz hergestellt, obwohl dieses Material entweder für den Produktionsprozess oder für die Nutzung denkbar ungeeignet erscheint, so wäre für die Motivation der Wahl des Materials beispielsweise ein höherer symbolischer oder ästhetischer Wert anzunehmen. Ähnliches gilt für Strategien der Materialnegierung, der Materialimitation oder der Materialhervorhebung, deren Analyse sich als besonders aussagekräftig für die pluralen und komplexen Bedeutungen von Holz als Werkstoff erweisen kann.
Mögliche Ansätze der Beiträge sind:
a) "Ressource" Holz
"Ressourcen" sind keine objektive Entität, sondern werden nur in Bezug auf kulturell geprägte Bedürfnisse und Erwartungen hin wahrgenommen. Umgekehrt bedarf es aber auch der Angebote. Dieser Ansatz fokussiert Fragen der Beanspruchung/Nutzung/Verwendung von Holz respektive spezifischer Holzarten zwischen ökologisch bzw. ökonomisch bedingter Verfügbarkeit und konsumorientierter "Nachfrage".
b) "Materialwissen" zwischen Empirie und Gelehrtendiskurs
Wissen über Materialien nährt sich zum einen grundlegend aus dem alltäglichen Umgang mit ihnen (Stichwort: "Theorie der Praxis"): Die Herstellung von Artefakten aus bestimmten Werkstoffen wie Holz "lehrt" den menschlichen Akteur, welche Bearbeitungen möglich sind und wo die werkstoffspezifischen Grenzen sind . "Wissen" entsteht auch im Gebrauchskontext, basierend auf einer Vielfalt sinnlicher Erfahrungen, wie Haptik, Optik, Klang oder Geruch. Diese fließen in Bewertungen und symbolische Ausdeutung im Rahmen diskursiver Kontexte ein. Die lange Tradition insbesondere von Gelehrtendiskursen mit starkem Rekurs auf antike und biblische Texte führt auch zu Fragen der Verschränkung beider Wissensebenen.
c) "Wirk-Stoffe": Eine Agency des Materials?
Das Objekt als Akteur bzw. eine Agency der Dinge beschäftigt zurzeit einen großen Teil kulturwissenschaftlicher Forschung. Hier wäre zu fragen, welche Rolle die Materialität der Dinge spielt. Erfasst man „Agency“ als ein Potenzial des Agierens, wäre auch von der spezifischen Agency eines Materials zu sprechen. Dies reicht vom handwerklichen "Material-Wissen" (siehe Punkt b), über Zuschreibungen von Heilwirkungen hölzerner Substanzen über spezielle Verhaltensmuster mit oder in der Nähe von hölzernen Objekten (z.B. "Brandgefahr" von hölzernen Gebäuden).
d) Materialimitation
Sowohl in der Architektur- als auch in der Kunstgeschichte wird man mit Materialimitationen unterschiedlichster Funktionalität konfrontiert, die ihre Counterparts sowohl in Phänomenen der Materialhervorhebung als auch in jeglicher Verunklärung der Materialverwendung haben. Der Befund ist, dass auf einem Holzträger eine andere Materialität simuliert oder illusioniert werden kann, während umgekehrt andere Materialoberflächen Holzstrukturen imitieren können. Diese Strategien sind im Zusammenhang von architektur- und kunsttheoretischen Konzepten zu analysieren.
Mögliche Fragen zu den hier dargelegten Ansätzen finden Sie in der Langversion des Calls unter: http://www.imareal.sbg.ac.at/home/institut/aktuelles/news/
Ziel des Workshops ist die Erschließung von innovativen Forschungsansätzen für Kooperationsprojekte im Rahmen der IMAREAL-Forschungsperspektive MATERIALITIES rund um den Werkstoff "Holz". Um den Dialog zwischen Material- und Kulturwissenschaften zu diesem Thema zu vertiefen, werden Beiträge aus allen kulturwissenschaftlich/ geisteswissenschaftlichen Disziplinen, aus den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften sowie aus den Material- und Technikwissenschaften erbeten. Weder die oben dargelegten thematischen Zugänge noch die damit verbundenen Fragen erheben einen Anspruch auf Vollständigkeit: Angebote mit anderen Perspektiven, Fragen und Zugängen sind ausdrücklich erwünscht. Es werden perspektivenorientierte vor faktenorientierten Vortragsangeboten bevorzugt, in denen Potenziale und offene Fragen skizziert und mit Beispielen veranschaulicht werden.
Um dem Workshop-Charakter der Veranstaltung gerecht zu werden, werden 15-minütige Kurzpräsentationen angestrebt, damit ausreichend Zeit für Diskussionen bleibt. Zur inhaltlichen Vorbereitung für die Veranstaltung sollen bereits vor dem Workshop 5-7-seitige papers eingereicht werden, die als Diskussionsgrundlagen allen TeilnehmerInnen vorab zur Verfügung gestellt werden. Nähere redaktionelle Vorgaben werden mit der Zusage zur Teilnahme von Seiten der OrganisatorInnen ausgesendet. Wir ersuchen daher um Themenvorschläge mit einem maximal 1-seitigen Exposée, das auch auf die jeweiligen disziplinären Zugänge verweist, und einem kurzen CV an: sekretariat.imareal@sbg.ac.at.
Einsendeschluss für Vorschläge ist der 15.12.2015.
Die Teilnahme am Workshop ist kostenlos, allerdings auf aktive Teilnehmende beschränkt. Sollten die Reisekosten nicht durch den jeweiligen Arbeitgeber gedeckt sein, kann das Institut für Realienkunde auf Anfrage Unterstützung gewähren.