Verschränkte Ungleichheit. Praktiken der Intersektionalität in der Frühen Neuzeit

Verschränkte Ungleichheit. Praktiken der Intersektionalität in der Frühen Neuzeit

Veranstalter
Dr. Matthias Bähr (TU Dresden); Dr. Florian Kühnel (HU Berlin); Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald; Deutsche Forschungsgemeinschaft
Veranstaltungsort
Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald
Ort
Greifswald
Land
Deutschland
Vom - Bis
09.03.2016 - 10.03.2016
Von
Kühnel, Florian

Gesellschaften nehmen Unterscheidungen vor: Nach innen differenzieren sie ihre Mitglieder in bestimmte Gruppen (und Untergruppen), nach außen grenzen sie sich von anderen Gesellschaften ab. Solche gesellschaftlichen Unterscheidungen werden jedoch niemals isoliert wirksam. Soziale Kategorien wie Geschlecht, Ethnizität, sozialer Status usw. sind ineinander verschränkt und überkreuzen sich – und können daher auch gar nicht ohne ihre Wechselwirkungen untersucht werden. Diese Perspektive gilt als „Intersektionalität“ inzwischen als sozialwissenschaftliches Paradigma. Allerdings ist das Konzept bisher noch nicht systematisch für die Geschichtswissenschaft fruchtbar gemacht worden, ja es wird zum Teil sogar explizit auf die Analyse aktueller gesellschaftspolitischer Fragen beschränkt.

Die Tagung setzt sich zum Ziel, Intersektionalität als analytische Perspektive auf die Frühe Neuzeit anzuwenden. Im Anschluss an neuere kulturtheoretische Forschungen lautet die Grundannahme, dass die Kategorien, mit denen Gesellschaften soziale Differenz herstellen, zeitgebunden und insofern „historisch“ sind. Soziale Unterscheidungen werden im gesellschaftlichen Alltag ständig reproduziert und aktualisiert – also in einem fortlaufenden Prozess in den sozialen Praktiken der Akteure performativ hervorgebracht. Das heißt wiederum, dass sich soziale Kategorien, die die kollektiven Ungleichheitserfahrungen der Gegenwart widerspiegeln und die daher in der soziologischen Forschung als strukturelle Basiskategorien gelten (etwa Geschlecht, Klasse, oder „Rasse“), nicht ohne weiteres auf die Frühe Neuzeit übertragen lassen.

Ausgehend von diesen Überlegungen soll in Greifswald eine dezidiert ‚historische Intersektionsanalyse‘ profiliert werden. Anstatt deterministisch bestimmte soziale Kategorien als relevant vorauszusetzen, steht vielmehr die Frage im Mittelpunkt, wie Unterschiede zwischen Personen und Gruppen konkret hervorgebracht wurden, d.h. welche Kategorieverschränkungen in der sozialen Praxis performativ erzeugt wurden – und welche gerade nicht. Es geht also immer darum, kulturell spezifische Konstellationen von Ungleichheit und kontextabhängige Praktiken der Intersektionalität in den Blick zu nehmen. Welche Kategorien im Rahmen einer solchen historischen Rekonstruktion von Differenz analytisch stark gemacht werden müssen, lässt sich dabei nur induktiv, d.h. am historischen Material, ermitteln. In diesem Sinne werden die Beiträge anhand ganz verschiedener Beispiele zentrale Praktiken der Intersektionalität untersuchen.

Programm

Mittwoch, 9. März 2016

14.00 – 14.15 Uhr
Begrüßung durch die wissenschaftliche Leitung des Alfried Krupp Wissenschaftskollegs und die Tagungsleiter

14.15 – 15.00 Uhr
Kerstin Palm (Berlin): Einführung in das Konzept der Intersektionalität

15.00 – 15.15 Uhr: Kaffeepause

15.15 – 16.45 Uhr: Panel I: Ehre
Chair: Gerd Schwerhoff (Dresden)

Ulrike Ludwig (Erlangen): Die satisfaktionsfähige Gesellschaft. Zur Erfindung einer Differenzkategorie in der Geschichte des Duells

Muriel González Athenas (Bochum): Ehre – soziales Kapital? Geschlecht, Stand und Religion in der Frühen Neuzeit

Eric Piltz (Dresden): Eine Geschichte der menschlichen Narrheit. Die Taxonomie der ‚Unholde‘ bei Johann Christoph Adelung

16.45 – 17.15 Uhr: Kaffeepause

17.15 – 18.45 Uhr: Panel II: Kulturkontakt
Chair: Gabriele Lingelbach (Kiel)

Andrew McKenzie-McHarg (Cambridge): Racial Conspiracies and Conspiratorial Races. Complementary Strategies in Identifying and Vilifying the Other

Florian Kühnel (Berlin): Von Liebe und Tod. Integration und Intersektionalität bei Diplomaten und Kaufleuten im frühneuzeitlichen Istanbul

Alexander Drost (Greifswald): Bordering jenseits territorialer Grenzen: Intersektionen asiatischer und europäischer Raumkonzepte

19.30 Uhr: gemeinsames Abendessen

Donnerstag, 10. März 2016

9.00 – 10.30 Uhr: Panel III: Religion
Chair: David Lederer (Maynooth)

Matthias Bähr (Dresden): Im Tod vereint? Konfession, Ethnizität und sozialer Status in Irland (1550–1650)

Vera Kallenberg (Frankfurt am Main/Berlin): Differenzen zwischen Juden: Die Behandlung und Agency von Jüdinnen und Juden in der christlich-obrigkeitlichen Strafgerichtsbarkeit in Frankfurt am Main 1780–1814

Martin Christ (Oxford): Labeling Ethnicities: Das Beispiel der oberlausitzer Sorben in der frühen Neuzeit

10.30 – 10.45 Uhr: Kaffeepause

10.45 – 12.15 Uhr: Panel IV: Herrschaft
Chair: Birgit Emich (Greifswald/Erlangen)

Eva Seemann (Zürich): Der kleine Unterschied. Überlegungen zur Stellung von Hofzwergen an Fürstenhöfen der Frühen Neuzeit

Rachel Renault (Paris): Gleichheit, Gerechtigkeit und Billigkeit: Steuerverteilung, Status und soziale Ordnung im 18. Jahrhundert

Tim Neu (Göttingen): „junk frauenbilt“ oder „fromme furstin und mutter“? Markiertheit, Macht und doing difference im 16. Jahrhundert

12.15 – 13.00 Uhr
Xenia von Tippelskirch (Berlin): Kommentar und Abschlussdiskussion

13.15 Uhr: gemeinsames Mittagessen

Kontakt

Christin Klaus M. A.
Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald
D–17487 Greifswald
Telefon: +49 (0) 3834 / 86–19029
Telefax: +49 (0) 3834 / 86–19005
E–Mail: christin.klaus@wiko-greifswald.de

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Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
Sprache der Ankündigung