Sport - Gesundheit - Biopolitik. Historische Perspektiven

Sport - Gesundheit - Biopolitik. Historische Perspektiven

Veranstalter
Stefan Scholl, Universität Siegen, Historisches Seminar, Europäische Zeitgeschichte seit 1945
Veranstaltungsort
Arthur-Woll-Haus
Ort
Siegen
Land
Deutschland
Vom - Bis
21.10.2016 - 22.10.2016
Deadline
15.05.2016
Website
Von
Stefan Scholl

Vor allem in „Der Wille zum Wissen“ und in den Vorlesungen zur Geschichte der Gouvernementalität am Collège de France entwarf Michel Foucault mit dem Begriff der ‚Biopolitik‘ das Panorama eines historisches Umbruchs seit dem 18. Jahrhundert, in dem die (Selbst-)Regulierung des individuellen wie kollektiven ‚Lebens‘ ins Zentrum politischer Strategien rückte. In diesem Prozess entstand eine auf die ‚Gesundheit‘ der Einzelnen wie des Kollektivs gerichtete Machttechnologie, charakterisiert durch neue Wissensformen und -praktiken, neue Techniken der (Selbst-)Führung sowie neue Formen des Umgangs mit dem Körper. Laut Foucault reflektiert sich seitdem das Biologische im Politischen.

Während das Konzept der Biopolitik in den Sozialwissenschaften in jüngerer Zeit ausgiebig diskutiert und in empirischen Arbeiten verwendet worden ist, fristet es in den Sportwissenschaften – speziell in der Sportgeschichte – bisher eher ein randständiges Dasein. Dies überrascht umso mehr, da der Bereich der Leibesübungen und des Sports geradezu prädestiniert scheint, Foucaults Analyseperspektive gewinnbringend aufzunehmen: Zum einen deckt sich der Zeitraum, den Foucault für die Entfaltung des biopolitischen Paradigmas ausgemacht hat, mit der Verbreitung von Leibesübungen und Sport seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert. Zum anderen spielen beide Seiten des Foucaultschen Konzepts – der Umgang mit individuellen Körpern wie auch die Regulierung des Bevölkerungs-Körpers – eine eminent wichtige Rolle in der Geschichte von Leibesübungen und Sport.

Die Tagung möchte dementsprechend die Möglichkeiten sowie die historische Tragfähigkeit einer biopolitischen Perspektive auf Leibesübungen und Sport an ausgewählten Beispielen ausloten und diskutieren. Dabei ist der Gegenstandsbereich breit gewählt und umfasst sowohl individuelle und kollektive sportive Praktiken als auch das mit ihnen verbundene Wissen, sowohl den ‚modernen‘ Wettbewerbssport als auch Turnen, Breiten- oder Fitnesssport. Zeitlich erstreckt sich der Rahmen vom 18. Jahrhundert bis ins die Gegenwart.

Zwei inhaltliche Schwerpunkte können dabei fokussiert werden:

1) Unter wissensgeschichtlichem Aspekt soll zum einen untersucht werden, welche wissenschaftlichen Disziplinen und Expertengruppen an der Formulierung biopolitischen Sport-, Körper- und Gesundheitswissens beteiligt waren und damit selbst erst legitimierte Positionen im Diskurs geschaffen haben. Zu denken ist etwa an frühe Theoretiker der Leibesübungen, zentrale Schriften oder Kontroversen, die sich etablierende Sportmedizin und -physiologie, Fachvereinigungen unterschiedlicher Art, Zeitschriften, etc. Zum anderen scheint es wichtig, die inhaltliche Seite des jeweils produzierten Wissens zu analysieren. Dies betrifft sowohl die Frage nach den Methoden der Wissensproduktion (neue Labormethoden, statistische Erhebungen, Umfragen) als auch die Frage nach der diskursiven Konstruktion des ‚Gewussten‘: Welche Körpervorstellungen, welche geschlechtlichen Zuschreibungen, welche Kategorien ‚gesunder‘ und ‚kranker‘ sportlicher Praktiken wurden formuliert? Welche zeittypischen Gesellschaftsdiagnosen flossen darin ein? Welche Erwartungen wurden an Sport, körperliche Bewegung und Leibesübungen geknüpft?

2) In Verbindung mit der Frage nach Wissensformen gilt es, verschiedene gesellschaftliche Felder, Institutionen sowie konkrete Initiativen und Projekte zu beleuchten, in denen Aspekte biopolitischen Wissens im Sportbereich zum Einsatz kamen. Hierunter fallen beispielsweise Kampagnen und Diskussionen zur Förderung des Schulsports, des Breitensports oder des Sports am Arbeitsplatz. Wer waren die involvierten historischen Akteure (ministeriale Stellen, Verbände, Wissenschaftler, Krankenkassen, Unternehmen, SportlerInnen)? Wie gestalteten sich die Projekte / Kampagnen? Auf welches biopolitische Wissen rekurrierten sie? Wie wurden Individuen oder Kollektive zur Bewegung / zum Sporttreiben angerufen und motiviert? Welche Ein- und Ausschließungen wurden produziert? Wie erfuhren SportlerInnen sich selbst?

Der CfP richtet sich an SportwissenschaftlerInnen sowie an SporthistorikerInnen (speziell Promovierende und Post-Docs), die sich in ihren Arbeiten mit Foucaults Konzept der Biopolitik auseinandersetzen.

Vorschläge für einen Beitrag (Tagungssprachen sind Deutsch und Englisch) können in Form eines Exposés (1-2 Seiten) inklusive eines kurzen wissenschaftlichen CV bis zum 15. Mai 2016 eingereicht werden, per email an: stefan.scholl@geschichte.uni-siegen.de.

Reise- und Aufenthaltskosten der Referentinnen und Referenten können voraussichtlich übernommen werden.

Programm

Kontakt

Stefan Scholl

Adolf-Reichwein-Str. 2
50768 Siegen

stefan.scholl@geschichte.uni-siegen.de


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