Vergangene Vertrautheit? Soziale Gedächtnisse des Ankommens, Aufnehmens und Abweisens

Vergangene Vertrautheit? Soziale Gedächtnisse des Ankommens, Aufnehmens und Abweisens

Veranstalter
Arbeitskreis "Soziales Gedächtnis, Erinnern und Vergessen" in der Sektion Wissenssoziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS)
Veranstaltungsort
Wissenschaftszentrum Umwelt (WZU) der Universität Augsburg
Ort
Augsburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
09.03.2017 - 10.03.2017
Deadline
15.10.2016
Website
Von
Dimbath, Oliver; Kinzler, Anja; Meyer, Katinka

Befremden entsteht durch die Irritation des Vertrauten. Die Konfrontation europäischer Gesellschaften mit Flucht und Migration sowie die (un-)mittelbare Begegnung mit Geflüchteten und Migrierten führen mitunter zur Erörterung der Frage, worin denn im Angesicht des Fremden das Eigene besteht. Sowohl innerhalb der zivilgesellschaftlichen Debatte als auch in politischen und medialen Öffentlichkeiten innerhalb und an den Außengrenzen Europas befeuert die Unterscheidung von Gleichheit und Verschiedenheit sowie von Öffnung und Schließung entsprechende Diskurse über kulturelle, nationale und damit kollektive Identitäten.

Dabei ist die Situation des Ankommens keineswegs bloße Irritation eines Common Sense der aufnehmenden Gesellschaft, sondern auch eine Verunsicherung des jeweils mitgebrachten Wissensbestandes. Ankommen aktiviert Gedächtnisstrukturen: das Bewahren eigener oder die Anpassung an fremde Identitäten sowie eine Kontinuierung personaler und gruppenbezogener Erinnerungen oder ein erwünschtes bzw. geduldetetes Vergessen. Klar ist, dass es sich nicht um ein kurzfristig lösbares Problem handelt, denn selbst weitgehende Assimilation muss nicht mit Amnesie einhergehen. Im Mittelpunkt steht somit die Frage, wie sich solche Aushandlungsprozesse ausgestalten und welche Erinnerungen bei welcher Gruppe gedächtniswirksam werden oder bleiben.

Die zentralen Elemente aktueller wie auch zurückliegender Identitätsdiskurse lassen sich demnach in Vergangenheitsbezügen finden. Diese werden einerseits anhand etablierter Selektionsmuster von Sozialgedächtnissen und anderseits in problemspezifischen Erinnerungszusammenhängen erkennbar. Klassische soziologische Unterscheidungen zwischen dem Gast und dem Fremden (Simmel), dem Etablierten und dem Außenseiter (Elias) ebenso wie die Reflexion über Randseitigkeit (Park) oder die Irritation eingelebter Erfahrungszusammenhänge im Moment des Fremdseins (Schütz), stellen geeignete Interpretationsvorlagen bereit.

Die Begriffe des Aufnehmens und Abweisens beziehen sich nicht auf die Frage, ob ‚das Boot voll ist‘, sondern darauf, ob und inwieweit Gruppen bzw. Individuen bereit sind, etwas von anderen ‚anzunehmen‘. Zunächst sind es vergangenheits- und damit gedächtnisbezogene Diskussionen über soziokulturelle Konsonanz und ihre Voraussetzungen. Diese können eine wechselseitige Modifikation sozialer Gedächtnisse entlang von Fragen der Distinktion und Assimilation nach sich ziehen. Flankiert werden diese Vorgänge aber durch eine fortlaufende (mediale) Kommentierung, die selektiv auf spezifische (historische) Erinnerungen zurückgreift und innerhalb derer gelegentlich Schweigen und Vergessen gefordert werden.

Der Arbeitskreis Soziales Gedächtnis, Erinnern und Vergessen der Sektion Wissenssoziologie (Deutsche Gesellschaft für Soziologie) möchte im Rahmen einer Tagung theoretische Überlegungen und empirische Befunde zum Thema Vergangene Vertrautheit im Zusammenhang mit Migration zur Diskussion stellen. Dabei können unter anderem die folgenden Fragen erörtert werden:

- Welchen Stellenwert messen Migrant(inn)en und Geflüchtete ihrer Vergangenheit bei? Wie und unter welchen situativen Umständen erinnern sie und was wollen sie vergessen?
- Wie gehen Angekommene mit Hinweisen auf die ihnen fremden kollektiven Identitäten um?
- Welche Bedeutung messen aufnehmende und abweisende Gesellschaften den individuellen Vergangenheiten der Migrant(inn)en und Geflüchteten bei?
- Welche Vergangenheiten werden in den Diskursen der offenen und geschlossenen Gesellschaften konstruiert und welche Funktion haben sie für die jeweiligen Sprecher(innen)positionen? Dazu gehören nicht nur die ‚Alteingesessenen‘, sondern auch schon früher Eingewanderte oder ‚Transmigrant(inn)en‘.
- Welche Rolle spielen vergangene Diskurse um Migration und Flucht sowie die kollektiven Gedächtnisse der unterschiedlichen Gruppierungen in aktuellen Diskussionen und für das Handeln der Einzelnen?

Beitragsvorschläge (ca. 3.000 Zeichen inkl. Leerzeichen) werden bis spätestens 15. Oktober an die Tagungsorganisator(inn)en erbeten:

Oliver Dimbath, Universität Augsburg,
oliver.dimbath@phil.uni-augsburg.de

Anja Kinzler, Ludwig-Maximilians-Universität München,
anja.kinzler@soziologie.uni-muenchen.de

Katinka Meyer, Georg-August-Universität Göttingen,
katinka.meyer@sowi.uni-goettingen.de

Programm

Kontakt

Anja Kinzler

Konradstraße 6
80801 München

anja.kinzler@soziologie.uni-muenchen.de


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Deutsch
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