Seit einigen Jahrzehnten beschäftigt sich die Frühneuzeitforschung intensiv mit der Herrschaft von Frauen. Zahlreiche Studien haben herausgearbeitet, dass weibliche Herrschaft in der Vormoderne weder ausgesprochen selten noch, wie das die ältere Forschung häufig behauptet hatte, eo ipso eher defizitär und strukturell mit Krisen und einem Machtvakuum verbunden war. Nicht zuletzt sind dank einer kulturalistisch motivierten Erweiterung des Politikbegriffs manche Aktivitäten von Fürstinnen im Bereich der Patronage und Repräsentation neubewertet worden oder überhaupt erst in den Blick der Forschung gekommen.
Einen bemerkenswerten blinden Fleck in der mittlerweile üppig blühenden Forschung zu frühneuzeitlichen Herrscherinnen markiert Maria Theresia, Herrscherin über das habsburgische Länderkonglomerat und, als Gemahlin Franz’ I., römisch-deutsche Kaiserin (1717/40-1780). Katha-rina II., die Große, von Russland (1729/62-1796), die jüngere Zeitgenossin Maria Theresias, hat das Interesse der Forschung in den letzten Jahrzehnten dagegen in erheblichem Umfang auf sich gezogen. Allerdings beschränkt sich dieses Interesse im Wesentlichen auf die Spezialistinnen und Spezialisten für Osteuropäische, vor allem für Russische Geschichte. Die allgemeine Frühneuzeitforschung dagegen tendiert ebenso wie die Gendergeschichte immer noch dazu, Russland auszublenden oder nur am Rande zu beachten. Dies steht in einem merkwürdigen Missverhältnis zu dem Interesse, das die Zeitgenossen der Person Katharinas und ihrem Hof entgegenbrachten.
Eine gemeinsame Betrachtung der beiden in der Mitte bzw. der zweiten Hälfe des 18. Jahrhunderts regierenden Kaiserinnen ist bislang unterblieben. Dabei verspricht der gemeinsame Blick auf diese in ihrem Profil sehr unterschiedlichen, zugleich aber in bestimmten Parametern durchaus vergleichbaren Herrscherinnen reichen Erkenntnisgewinn. Die projektierte Tagung wird einige für weibliche Herrschaft wichtige und besonders zur vergleichenden Betrachtung Maria Theresias und Katharinas einladende Themenfelder beleuchten:
1. Herrschaftsnachfolge und Dynastie, (z.B. Regierungsantritt und Herrschaftslegitimation; Nachfolgeregelung; Heiratspolitik)
2. Hof und Regierung (z.B. Besonderheiten des Hofes einer herrschenden Fürstin; Rolle von Mitregenten und Favoriten; Stellung von Ministern; Kommunikationsstrukturen; Militär)
3. Repräsentationen und Wahrnehmungen (z.B. Herrschaftslegitimation; Wahrnehmungen der Kaiserinnen, insbesondere auch gegenseitig; Memoria).
Erbeten sind für Vorschläge für Referate im Umfang von 30 Minuten zu Maria Theresia und/oder Katharina II. aus den genannten drei Themenbereichen. Konferenzsprachen sind Deutsch und Englisch.
Wir streben eine Kostenerstattung für Reise und Unterkunft an. Eine Publikation der Tagungsergebnisse ist beabsichtigt.
Wir freuen uns über Abstracts von ein bis zwei Seiten sowie ein kurzes CV bis 5.8. 2016 an: Prof. Dr. Bettina Braun, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Historisches Seminar. Neuere Geschichte, Jakob-Welder-Weg 18, 55128 Mainz. Email: braunbe@uni-mainz.de