Verhandlung und Demonstration von Macht: Mittel, Muster und Modelle in Texten deutschsprachiger und skandinavischer Kulturräume des Mittelalters

Verhandlung und Demonstration von Macht: Mittel, Muster und Modelle in Texten deutschsprachiger und skandinavischer Kulturräume des Mittelalters

Veranstalter
Dr. Anita Sauckel, The Árni Magnússon Institute for Icelandic Studies, Reykjavík; Dr. des. Florian Schmid, Institut für Deutsche Philologie, Greifswald
Veranstaltungsort
Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald, Martin-Luther-Str. 14, 17489 Greifswald
Ort
Greifswald
Land
Deutschland
Vom - Bis
08.06.2017 - 10.06.2017
Deadline
15.09.2016
Website
Von
Dr. des. Schmid, Florian

In einem interdisziplinären Fachgespräch zwischen Germanistik und Skandinavistik sollen Erzählmuster und -modelle in Bezug auf Dynamiken, Prozesse und Strategien der Machtgenerierung und des Machterhalts, Vorgänge des Machtverlusts sowie deren textinterne als auch textexterne Funktionalisierungen im Kontext von Machtkonzepten untersucht werden.
Ziel der komparatistisch ausgerichteten Tagung ist es, die Art und Weise, die Zielsetzung und die erzählerischen Mittel mittelalterlicher Formen der Verhandlung von Macht in ihrer jeweils spezifisch literarischen und gesellschaftlichen Bedingtheit zu beleuchten. Auf diese Weise soll ein Beitrag zur Erforschung von kultureller Variabilität vormoderner narrativer Texte und Erzählformen unter historischen Verstehensbedingungen geleistet werden. Der interdisziplinäre Vergleich zwischen Germanistik und Skandinavistik soll kontrastiv die verschiedenen Ausprägungen von heroischen, höfischen und christlichen Erzählmustern und -modellen in diesen Kulturräumen erforschen und damit die jeweiligen kulturbedingten Konturen von Erzählweisen und Gestaltungsräumen schärfen. Als Ergebnis der Tagung sind zum einen die Bestimmung von Transferphänomenen, zum anderen jedoch die Gültigkeit jeweils unterschiedlicher 'Regeln', Maßstäbe, Kategorien und Kriterien des Erzählens zu erwarten.
Insbesondere vier Themenfelder stehen im Rahmen der Tagung im Zentrum des Interesses:

I. Kommunikationsmuster:
Im Bereich der 'Historischen Dialogforschung' können die Gestaltungsweisen nonverbaler und verbaler Kommunikationen hinsichtlich eines demonstrativen Kommunikationsstils, fingierter Mündlichkeit und deren Funktionalisierungen in unterschiedlichen Textgattungen untersucht werden. Miteinander zu vergleichen wären zum Beispiel Reizreden vor einem Kampf in der deutschsprachigen Artusliteratur oder den deutschen chansons de geste-Bearbeitungen und Schmähreden in der altisländischen Sagaliteratur. Auch die von Frauen in der Sagaliteratur hervorgebrachte Hetzrede (hvöt) fällt in diesen Bereich. Für die Beschreibung und Analyse von Dialogtypen, Redeformen und Markierungen von Sprecherwechseln bieten sich sprach-, literatur- und kommunikationswissenschaftliche Kategorien an.

II. Handlungsmuster und -modelle:
Gattungsübergreifend ist die Ausfahrt des Helden kennzeichnend für mittelalterliche Literaturen. Diese ist zum Teil in biographischen Mustern, oftmals jedoch in Machtkonstellationen begründet und wird durch Mitglieder der eigenen Gruppe oder von Außenstehenden provoziert. Anhand von Kategorien aus der Historischen Narratologie wäre nach der Rolle von Macht für die textinterne Kohärenzstiftung wie für die textexterne Funktionalisierung (Repräsentation, Unterhaltung, Identifikation, Legitimierung, Geschichtskonstruktion u.a.) und daraus resultierende explizite und implizite Verhandlungen von Macht zu fragen.

III. Bündnisdynamiken:
Sowohl in deutschen als auch in altnordischen Texten lässt sich beobachten, dass Freundschaften außerhalb der Familie und Sippe nur unter männlichen, nicht jedoch unter weiblichen Figuren geschlossen werden. Die Literaturen unterscheiden sich allerdings in der Darstellung und Akzentuierung der Art und Weise der Kommunikation in Bezug auf das Schließen von Bündnissen: Während in deutschen Texten trotz konfliktträchtiger Konstellationen aus taktischen Gründen einzelner Figuren über eine lange Zeit eine friedvolle Atmosphäre inszeniert wird, finden sich in skandinavischen Texten ostentative Aufhetzungen und das ‚System‘ der Blutrache. In diesem Themenfeld können Fragen zum Generieren und Destruieren von Macht durch Strategien der Vergemeinschaftung und Isolierung verfolgt werden.

IV. Reaktions- und Emotionsdarstellung:
Weinen und lautes Klagen bei männlichen Figuren als Reaktionen auf eine Verlustsituation sind alle Gattungen durchziehende Motive in deutschen Texten des Mittelalters. In skandinavischen Sagas finden sich diese Motive bei männlichen Figuren kaum, da ein solches Verhalten für Männer als unpassend gilt. In Isländersagas finden sich auch keine Introspektionen, die als rhetorische Technik durch den Schulunterricht bekannt waren und ein grundlegendes Mittel für eine plausible Erzählweise in deutschen Texten sind. Inwiefern werden durch (unterschiedliche und gemeinsame) Gestaltungsweisen und die Inszenierung von Reaktionen und Emotionen Machtkonstellationen in Texten der unterschiedlichen Kulturkreise verhandelt?

Die Tagung wird im Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald stattfinden. Vorträge können auf Deutsch und Englisch gehalten werden und sollten die Dauer von 30 Minuten nicht überschreiten. Eine Publikation der Ergebnisse ist geplant.

Wir erbitten die Zusendung des Arbeitstitels Ihres Vortrags mit einer ca. eine Seite umfassenden Beschreibung der geplanten Untersuchungen bis zum 15. September 2016 an eine der folgenden Adressen:

Dr. Anita Sauckel
The Árni Magnússon Institute for Icelandic Studies
Árnagarði við Suðurgötu
101 Reykjavík
E-Mail: sauckel@hi.is

Dr. des. Florian Schmid
Institut für Deutsche Philologie
Ernst Moritz Arndt Universität Greifswald
Rubenowstr. 3
17487 Greifswald
E-Mail: florian.schmid@uni-greifswald.de

Reykjavík/Greifswald, Juni 2016

Programm

Kontakt

Florian Schmid

E.-M.-Arndt-Universität Greifswald, Institut f. Deutsche Philologie, Rubenowstr. 3, 17489 Greifswald

florian.schmid@uni-greifswald.de