Was ist vormoderne städtische Geschichtsschreibung? Revision eines Forschungsfeldes. / What Is Premodern Urban Historiography? A Revision

Was ist vormoderne städtische Geschichtsschreibung? Revision eines Forschungsfeldes. / What Is Premodern Urban Historiography? A Revision

Veranstalter
Pia Eckhart, Marco Tomaszewski, Historisches Seminar, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Veranstaltungsort
Ort
Freiburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
22.03.2017 - 24.03.2017
Deadline
01.08.2016
Website
Von
Marco Tomaszewski

English version below.

Was ist vormoderne städtische Geschichtsschreibung? Revision eines Forschungsfeldes

Was ist vormoderne städtische Geschichtsschreibung? Eine nur scheinbar simple Frage, die sich nicht einfach beantworten lässt. Es existierte weder ein zeitgenössischer Gattungsbegriff noch ist es Historikern und Literaturwissenschaftlern bisher gelungen, sich auf eine allgemein akzeptable Definition zu einigen. Dennoch bestehen bestimmte Vorstellungen über die Charakteristika städtischer Geschichtsschreibung, die stark vom 19. Jahrhundert und den großen Editionsunternehmungen dieser Zeit beeinflusst sind. So wird angenommen, dass sich städtische Geschichtsschreibung thematisch vorrangig auf die Stadt als autonome politische Einheit bezieht und dass städtische Geschichtsschreibung daher vor allem ein Phänomen des römischen Reiches (einschließlich der Eidgenossenschaft) und Norditaliens sei.
Unter dem Einfluss postmodernen Denkens und des cultural turn wurden in den letzten Jahren neue Ansätze und Perspektiven zur Erforschung mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Städte und deren Geschichtsschreibung entwickelt. Während die ältere Forschung am Phänomen der städtischen Einheit und dem Ausdruck eines einheitlichen bürgerlichen Selbstverständnisses interessiert war, betonen neuere Arbeiten die Heterogenität des städtischen Lebens in der Vormoderne. Städte werden als Orte hoher sozialer Differenzierung und verdichteter Kommunikation begriffen. Dementsprechend interagierten und konkurrierten auch im Umgang mit historischem Wissen verschiedene Akteure und Gruppen miteinander, unter ihnen Vertreter der Führungsschichten, Händler, Handwerker, Kleriker, Familien, Zünfte, Höfe, Residenzen oder Klöster. Spätmittelalterliche und frühneuzeitliche städtische Geschichtsschreibung sollte also nicht als eindimensionales Phänomen verstanden und analysiert werden, das vollständig von oben kontrolliert wurde, sondern vielmehr als Teil einer vielfältigen städtischen Erinnerungskultur. Außerdem muss der gängige geographische Fokus auf die deutschen und italienischen Städte hinterfragt werden, da aus den urbanisierten Regionen Flanderns, Nordfrankreichs und der Niederlande sehr ähnliche Quellen bekannt sind. Hinzu kommt, dass veränderte Methoden, die an den überlieferten Manuskripten statt an den edierten Texten ansetzen, zu neuen Sichtweisen geführt haben. Im Zentrum des Interesses stehen nun häufig die materiellen und medialen Eigenschaften der Handschriften sowie Transformationsprozesse auf der Textebene und intertextuelle Aspekte.
Wie beeinflussen diese Erkenntnisse weitere Forschungen, wie sollten Probleme angegangen und welche Methoden gewählt werden? Ein wichtige Frage, die aus der veränderten Perspektive auf die vormoderne Stadt wie auch auf die vormoderne städtische Geschichtsschreibung resultiert, ist: Was charakterisiert vormoderne städtische Geschichtsschreibung, wenn 'städtisch' weder synonym zu 'bürgerlich' verwendet werden, noch auf die Stadt als ausschließlich obrigkeitlich kontrollierte Institution bezogen werden kann? Um die neueren Forschungsergebnisse zusammenzufassen und über deren Auswirkungen auf die weitere Arbeit zu reflektieren, möchten wir Forscherinnen und Forscher zusammenbringen, die sich mit vormoderner städtischer Geschichtsschreibung befassen.
Zur Einordnung der unterschiedlichen Zugänge der letzten Jahre lassen sich folgende wichtige Forschungsfelder benennen: Identitäten, Motive, rivalisierende Erinnerungskulturen, Medialität und Öffentlichkeit, städtische und regionale Geschichtsschreibung sowie Textualität und hybride Textformen. Es ist außerdem notwendig, den nationalen Rahmen zu erweitern und verschiedene Regionen miteinander zu vergleichen und die jeweiligen nationalen Forschungstraditionen zu hinterfragen.
Wir freuen uns auf Beiträge zu verschiedenen Formen städtischer Geschichtsschreibung. Im Hinblick auf die übergreifende Fragestellung der Tagung sollten die Beiträge insbesondere

- die jeweils gewählten Zugänge und Methoden reflektieren und die Frage stellen, inwiefern diese von den Eigenschaften der untersuchten Quellen abhängen,

- die spezifische Qualität der untersuchten Quellen reflektieren,

- nach Grenzen der gewählten Zugänge und Methoden fragen sowie

- ein mit der Fragestellung verbundenes übergeordnetes Erkenntnisinteresse benennen (bspw. ob die Forschung auf die sozialen Beziehungen innerhalb einer Stadt, auf die Art der Kommunikation und der Medien, auf textuelle Strategien usw. abzielt)

Auf dieser Grundlage möchten wir die folgenden Fragen diskutieren:

- Was sind die wichtigsten Kriterien eines Textes, um ihn angesichts des beschriebenen Perspektivenwandels als Teil städtischer Geschichtsschreibung zu begreifen?

- Was unterscheidet eine solche städtische Geschichtsschreibung von anderen Formen historischen Schreibens?

- Bietet der Begriff ‚städtische Geschichtsschreibung‘ einen Mehrwert oder ist er gar veraltet?

Bitte senden Sie bis 1. August 2016 Ihren Vorschlag als Abstract von maximal 500 Wörtern und einem kurzen Lebenslauf an marco.tomaszewski@geschichte.uni-freiburg.de.

Die Tagung wird organisiert von Pia Eckhart und Marco Tomaszewski und findet von 22. bis 24. März 2017 an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. statt.

Tagungssprachen sind Deutsch und Englisch, englischsprachige Zusammenfassungen aller Beiträge werden zur Verfügung gestellt.

Eine Publikation ist geplant. Vorbehaltlich einer Förderung streben wir eine Erstattung der Reisekosten und Unterkunft an.

What Is Premodern Urban Historiography? A Revision

What is premodern urban historiography? – a simple question hard to answer. Neither did a contemporary concept exist nor were historians able to establish a universally acceptable definition of what the term encompasses. Nevertheless, implicitly there is a set of ideas on the characteristics of urban historiography which is still strongly influenced by the 19th century and the editorial projects undertaken then. It is assumed that the thematic scope of urban historical writing is related foremost to the town as an autonomous political power, and therefore that urban historiography is mainly a phenomenon of the German Empire (including the Swiss Confederation) and Northern Italy.
In the last years, influenced by postmodern thinking and the cultural turn, scholars in the field of medieval and early modern towns and of urban historiography have developed new approaches as well as new perspectives. Whereas former research took an interest in urban unity and a uniform bourgeois self-conception, recent works on urban history stress the diversity of medieval and early modern urban life. Towns are seen as places of high social differentiation and of intense density of communication. In line with this, different agents and groups interacted and competed with each other while dealing with historical knowledge, including members of the ruling classes, merchants, craftsmen, clergymen, families, guilds, courts, residences or monasteries. Thus, especially in the late Middle Ages and the Early Modern Period, urban historiography should no longer be understood and analysed as a one-dimensional phenomenon controlled entirely from the top, but rather as part of a diverse urban culture of remembrance. Furthermore, the well-established geographical focus on the German and Italian cities needs reevaluation, since quite similar sources were identified in the urbanized regions of Flanders, Northern France, and the Low Countries. Additionally, changed methods based on the analysis of the surviving manuscripts rather than edited texts lead to new perspectives. Now, the materiality and mediality of the surviving manuscripts are a matter of particular interest, as well as processes of textual transformations and aspects of intertextuality.
How should these results influence coming research, how should we approach problems, and which methods can best be applied? A key issue derived from these new perspectives both on pre-modern towns and on urban historical writing is: what exactly constitutes the urban character of what we call urban historiography, if ‘urban’ no longer can be used as a synonym for ‘civic’, nor be related exclusively to the town as a political institution controlled by the authorities? In order to synthesize recent findings and consider their implications for further work, we would like to bring together scholars who are working on urban historiography.
To structure the various and diverse approaches and results of the last years, we have identified the following important areas of research: identities, motivations, rival commemorative cultures, mediality and public sphere, urban and regional writing, as well as textuality and hybrid forms. It is also necessary to widen the national focus and compare different regions to another and also to reflect national traditions of research.
We encourage scholars working on a variety of forms of urban historiography to present their case studies. With regard to the key question of the conference we ask especially

- to reflect on the chosen approaches and methods and how they are linked to the characteristics of the analysed sources,

- to reflect on the specific qualities of the chosen sources,

- to question the limits of the chosen approaches,

- to specify the research question and link it to a broader epistemological interest (e.g. social relations within the town, communication and media, or textual strategies, etc.).

Based on these aspects we would like to discuss as the following issues:

- What are the key criteria of a text being part of urban historiography, taking into account a renewed understanding of the phenomenon?

- What distinguishes urban historiography from other forms of historical writing?

- Do we gain added value using the term ‘urban historiography’ or has it become obsolete?

Please send a proposal (max. 500 words) accompanied by a short CV to marco.tomaszewski@geschichte.uni-freiburg.de by 1 August 2016.

The conference is organized by Pia Eckhart and Marco Tomaszewski and will take place on 22-24 March 2017 at Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br.

The conference languages are German and English. English abstracts of all papers will be given.

A publication of the conference proceedings is planned. Pending on funding, we aim to pay for travel costs and accommodation of the speakers.

Programm

Kontakt

Marco Tomaszewski

Historisches Seminar, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Rempartstraße 15 - KG IV, D-79085 Freiburg

marco.tomaszewski@geschichte.uni-freiburg.de


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