Die Ausübung religiöser Praktiken ist durch ihre Vielfältigkeit auch bei postulierter (konfessioneller) Homogenität geprägt. In ihrer Glaubensausübung sind die Menschen mit Umständen konfrontiert, die ihre Handlungsräume festlegen oder aber bestimmte Handlungsräume erst denkbar machen und als solche gewissermaßen Utopien und Heterotopien hervorbringen. Heterotope Räume des Religiösen gehen über das Konzept des „Wissensraums des Religiösen“ hinaus, weil sie auf diesen aufbauen. Der heterotope oder auch „dritte“ Raum bedeutet einen erweiterten Handlungsspielraum.
Da dieser Raum ähnlich divers vorstellbar ist, wie die Praktiken, die ihn ausmachen, hat sich der Workshop die Aufgabe gestellt, einige der sich durch diese Handlungsmöglichkeiten ergebenden Räume auf die Frage nach der Materialität, die für die Sichtbarkeit der jeweiligen Praxis eine Rolle spielen und einen „Zwischenraum“ herstellen kann, zu prüfen. Um diese den „dritten“ Raum konstituierenden Prozesse zu historisieren, beleuchten die Beiträge auch die Bedeutung der Kategorie Geschlecht in Bezug auf die Konstruktionsprozesse, was zusätzliche In- und Exklusionsmechanismen ins Spiel bringt. Dabei wird von einer Subjektposition ausgegangen, die an neuere kulturwissenschaftliche Überlegungen anknüpft, die nicht von einem autonomen, rational handelnden Subjekt ausgeht, sondern „Unerklärbares“ in den Denk- und Handlungsschemata, Zufälle, Körperlichkeiten, Affekte und Materialiät einbezieht. So können historische Subjekte sich Handlungsspielräume über religiöse Praktiken eröffnen, ob nun bewusst oder nicht.
Die Beiträge untersuchen, inwiefern die Räume in ihren Bedeutungen durchaus unterschiedlich charakterisiert sind und wirken: Sind sie ein Mal third space im Sinne Bhabhas, bilden Netzwerke und eröffnen (nicht nur) religiöse Handlungsspielräume, stellen sie ein anderes Mal tatsächliche Manifestationen von „Glaubensfragen“ dar. Ihnen gemein sind die utopischen Vorstellungen, in Angrenzung oder in Weiterentwicklung zur gesetzten Ordnung, die ein Gegenbild, einen anderen Raum entwerfen und damit Handlungsspielräume eröffnen.
Der bewusst epochenübergreifende Blickwinkel des Workshops ermöglicht zum einen die Überwindung von einschränkenden Logiken, die eine solche Grenze konstruieren und zum anderen die Beantwortung der Frage nach Periodisierungsgrenzen übergreifenden Kontinuitäten, da davon ausgegangen wird, dass es sich bei Räumen des Religiösen nicht um ein Spezifikum einer bestimmten Zeit handelt.
Als Grundlagentext für eine gemeinsame Diskussion wird der Text „Von anderen Räumen“ von Michel Foucault vorgeschlagen. In diesem setzt er sich mit der Konstruktion und Konstitution „anderer Räume“ auseinander.
Um eine fruchtbare Diskussion zu gewährleisten, orientieren sich die Beiträge an folgenden Leitfragen:
- Was sind die Zwischenräume, wo findet man Hinweise auf einen „dritten Raum“ und wo auf eine Utopie oder Heterotopie?
- Welche Handlungsspielräume ergeben sich durch Zwischenräume, durch dritte bzw. heterotope Räume? Wie werden diese konstruiert (und dekonstruiert)?
- Inwiefern manifestieren sich in ihnen Glaubensfragen?
- Wie ist deren Sichtbarkeit?
- Welche Rolle spielen Materialität und Körperlichkeiten?
- Was unterscheidet religiöse heterotope Räume/„dritte Räume“ oder Zwischenräume von nicht religiösen?