Lernen zwischen Zeit und Ewigkeit. Zur Sakralität pädagogischer Praxis

Lernen zwischen Zeit und Ewigkeit. Zur Sakralität pädagogischer Praxis

Veranstalter
Alexander Maier/Anne Conrad, Universität des Saarlandes; Jean-Marie Weber/Ragnhild Barbu/Peter Voß, Université de Luxembourg
Veranstaltungsort
Campus Belval, Esch-sur-Alzette
Ort
Luxembourg
Land
Luxembourg
Vom - Bis
28.04.2017 - 29.04.2017
Deadline
04.11.2016
Von
Anne Conrad, Universität des Saarlandes

Grundlegend für die christliche Tradition ist die „Sündhaftigkeit“ von Mensch und Welt, damit zugleich aber auch die Hoffnung auf deren sittliche Verbesserung. „Reform“ des Subjekts wie der irdischen Institutionen, Bewahrung der Kinder vor der „sündhaften“ Welt oder Prozesse im Hinblick auf die Wandlung der menschlichen Seele sind die Wege, wie das Christentum versuchte, diese Hoffnung zu realisieren. Diese Ideen erlangten bereits im Mittelalter eine zentrale Bedeutung – im institutionell-dogmatischen Hauptstrom des Christentums ebenso wie in seinen mystisch-innerlichkeitsorientierten und gnostischen Nebenströmen. In Verbindung mit dem jahrhundertelangen Erziehungsmonopol der Kirchen führte dies zu einer Pädagogisierung der Religion und – damit verbunden – zu einer Sakralisierung der Pädagogik. Im Zuge der Aufklärung und der sukzessiven Lösung der Erziehungsinstanzen von der Kirche seit dem 18. Jahrhundert setzte sich die sakrale Struktur des pädagogischen Feldes in der sich konstituierenden säkularen oder öffentlichen Pädagogik auch ohne explizit dogmatischen Bezug fort. Diese drei miteinander verwobenen Prozesse stehen im Fokus des historisch wie interdisziplinär angelegten Tagungsprojekts.

Dieses erfährt eine zusätzliche thematische Zuspitzung durch die inhaltliche Fokussierung auf den Aspekt der Zeit, die in pädagogischen Konzepten seit der Neuzeit immer wieder eine zentrale Rolle gespielt hat – und zwar nicht nur im Sinne einer organisatorischen Strukturierung des Erziehungsprozesses z.B. durch Lehrpläne oder Unterrichtszeiten, sondern auch in substantieller Hinsicht mit einer qualitativen Eigenbedeutung. In diesen Ansätzen wurde die zeitliche Struktur im Sinne einer metrischen Zeit lediglich als Ordnungsmittel betrachtet (z.B. Stundenplan) und sogar negativ gesehen, weil sie das Individuum in ein pädagogisches Zeitkorsett presse und es so in seiner kreativen Eigenzeit beschränke. Eine sakrale Dimension wird angesprochen, wenn – etwa im Anschluss an Schleiermachers Frage, ob denn die kindliche Gegenwart dessen Zukunft geopfert werden dürfe – die Möglichkeit „zeitloser“ Hinwendung zum Absoluten oder ein Hineintauchen in die eigene Innerlichkeit durch „Stundentafeln“ gewaltsam beschränkt erscheint. Wo aber umgekehrt die Beziehung zu einer transzendenten Wirklichkeit oder/und der eigenen Innerlichkeit in pädagogischen Konzepten konstituierenden Charakter erlangt, rückt die Möglichkeit einer zeitlichen Planung und methodischen Steuerung von Erziehung in den Hintergrund. Stattdessen geht es um die sukzessive oder plötzliche Erscheinung der „Wahrheit des Individuums“ durch göttliche Gnade. Pädagogisches Handeln würde hier v.a. der Vorbereitung und Interpretation dieser Ereignisse dienen.

Die Beiträge der Tagung könnten die Bedeutung der Zeit als sakralem Moment von Erziehung in pädagogischen Konzepten darstellen und analysieren und dabei u.a. folgende Momente der pädagogischen Zeit herausarbeiten:
- Rückgriff auf eine idealisierte Vergangenheit als Referenzpunkt von Erziehung
- Fokussierung auf eine „gefüllte“ Gegenwart im o.g. Sinne Schleiermachers
- Pädagogische Utopien und Eschatologien zwischen Transzendenz und Immanenz
- Eschatologischer Vorbehalt bzw. Sein und Werden im Bildungsprozess
- Zeit als geistliches Pädagogium (z.B. im Pietismus) zur Vorbereitung der Bekehrung
- Wegmetapher in der Erziehung
- Forderung nach Zeitgemäßheit von Erziehung
- Krisenzeit als Herausforderung zur Entscheidung (Erzieher/in als „Prophet/in“)

Interesse besteht v.a. an Beiträgen, die aufzeigen, wie das jeweilige Zeitkonzept die pädagogische Praxis bestimmt. Von besonderem Interesse sind dabei die methodischen Elemente wie Übung, Gewöhnung, Verinnerlichung, oder die Reflexion in geistiger oder mündlicher Form (Revision de jour, Gespräch) sowie schriftlich als Tagebuchpraxis oder Briefkommunikation, darüber hinaus auch Meditation, Ansprachen bzw. Predigten sowie Geselligkeitsformen und körperliche Aktivitäten (Training, Wandern), Singen oder kreative Tätigkeiten wie z.B. Werk- oder Kunstunterricht. Neben diesen methodischen Zugängen wären auch die Medien solcher pädagogischen Konzepte einzubeziehen. Zu denken wäre hier vor allem an Lektüre, Liedgut, Symbolik und Architektur, aber auch an die pädagogisch-vermittelnde Funktion von Idealen (z.B. Gehorsam, Abstinenz) oder Vorbildern (z. B. Heilige oder „große“ Pädagogen) etc.

Die Beiträge sollen zeigen, inwiefern man sich von bestimmten Methoden und dem Einsatz ausgewählter Medien das Erreichen der pädagogisch-theologischen Zielvorstellungen erhoffte, wie der jeweilige Zeitaspekt mit der Praxis gekoppelt wurde, wie die Einzelnen mit diesen Medien und Methoden konkret umgingen, ob sich die angestrebten Ziele erreichen ließen und wie der mögliche Misserfolg gedeutet wurde. Von besonderem Interesse ist dabei die direkte wie indirekte theologische Fundierung dieser Methoden und Medien sowie ihre Anwendung in der pädagogischen Praxis. Die in Kooperation zwischen der Universität Luxemburg und der Universität des Saarlandes geplante Tagung findet auf dem neuen Luxemburger Universitätscampus ‚Belval‘ in Esch-sur-Alzette statt. Themenvorschläge senden Sie bitte als knappe Skizze (maximal 1 Seite) bis zum 4. November 2016 per E-Mail an Dr. Alexander Maier: amaier@mx.uni-saarland.de.

Programm

Kontakt

Alexander Maier

Universität des Saarlandes
Philosophische Fakultät, Kath. Theologie, Campus A 4.2, 66123 Saarbrücken
0049-681-302-4378

amaier@mx.uni-saarland.de

http://www.uni-saarland.de/fachrichtung/kath-theologie/lehrstuhl/religionspaedagogik/dr-alexander-maier.html
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