Interregna im mittelalterlichen Europa (11.-14. Jahrhundert). Konkurrierende Kräfte in politischen Zwischenräumen Interregna in Medieval Europe (11th-14th Centuries). Political Players, Conflict and Change in Interim Periods

Interregna im mittelalterlichen Europa (11.-14. Jahrhundert). Konkurrierende Kräfte in politischen Zwischenräumen Interregna in Medieval Europe (11th-14th Centuries). Political Players, Conflict and Change in Interim Periods

Veranstalter
Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung – Institut der Leibniz-Gemeinschaft – Historisches Institut der JLU Gießen
Veranstaltungsort
Herder-Institut Marburg
Ort
Marburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
24.11.2016 - 26.11.2016
Von
Norbert Kersken

Der Begriff „Interregnum“ ist in der deutschsprachigen Mediävistik bislang nahezu ausschließlich auf die Jahre zwischen dem Tod Kaiser Friedrichs II. (1250) und der Wahl Rudolfs von Habsburg zum römisch-deutschen König (1273) bezogen worden.
Angesichts der breiten und noch keineswegs abgeschlossenen Diskussion um das Interregnum im nachstaufischen Reich fällt auf, dass bislang noch nicht der Versuch unternommen worden ist, Interregna systematisch und in vergleichend-europäischer Perspektive zu untersuchen. Das ist umso erstaunlicher, als gerade Interregna-Konstellationen vielfältige und grundlegende Fragen nach Herrschaft, Staatlichkeit, Land und Dynastie, nach der Rolle bestimmter Akteure beziehungsweise Akteursgruppen, nach nachträglichen Deutungen durch Geschichtsschreibung sowie nach Formen der dynastie- oder landesbezogenen Traditionsbildung aufwerfen. Hier sucht die Tagung anzusetzen und Fallbeispiele in vergleichend-europäischer Perspektive zu diskutieren.

Auf der Ebene akteursbezogener Fragen wird es um folgende Aspekte gehen:
(1) Es sollen die politischen Kräfte und Akteure untersucht werden, die auf die bevorstehende krisenhafte Situation reagierten. Im Einzelnen wird hier an weibliche Mitglieder der Familie (Witwe), an Vertreter des hohen Klerus (Bischöfe, Äbte) sowie an Vertreter von Adelsfamilien zu denken sein.
(2) Hiervon können Adels- und Kirchenkreise unterschieden werden, die au-ßerhalb des betreffenden Herrschaftsbereichs ihre Basis hatten. Verschiedentlich sind mehrere derartiger auswärtiger „Interessenten“ auszumachen. Hier wird danach zu fragen sein, ob es ein situatives Interesse ist oder sich längerfristige Planungen erkennen lassen, welche Legitimationen herangezogen werden, ob Heiratsprojekte geplant oder realisiert werden, welche Beziehungen zu Funktions- und Amtsträgern im Land bestehen oder aufgebaut werden.

Auf der Ebene der Praktiken ist an folgende Fragen zu denken:
(1) Wie sehen Praktiken zur Überwindung von Interregna aus? Zu denken ist an politische Verhandlungen und Verträge, Heiratsprojekte, militärisches Eingreifen, außenpolitische Bündnisse. Gibt es Akteure beziehungsweise Akteursgruppen, die bestimmten Praktiken zuzuordnen sind (Gewaltakteure, Verhandler, Juristen und andere)?
(2) Lassen sich politische Planungen angesichts des absehbaren, bevorstehenden Eintritts des „Endes“ der Dynastie beobachten: Das „Ende“ der Dynastie angesichts eines fehlenden männlichen Erben zeichnete sich in vielen Fällen schon vorher ab. Hier ist zu fragen, wie von Seiten des letzten Vertreters der Dynastie hierauf reagiert wurde; zugleich ist zu fragen, welche politischen Kräfte im Land beziehungsweise im Herrschaftsverband und außerhalb entsprechende Zukunftsplanungen vorbereiteten.

Systematisch und übergreifend ist zu fragen:
(1) Generieren Interregna politischen Strukturwandel? Wächst im Zuge der Überwindung eines Interregnum bestimmten Akteursgruppen (Adel, Stände, geistliche Institutionen, Hof u. a.) eine dauerhaft größere politische Bedeutung zu? In welches Verhältnis sind die Dynamiken von Interregna und Formen von vormoderner Staatlichkeit zu setzen?
(2) Schließlich ist nach Wahrnehmungsprozessen zu fragen: Wie wird ein dynastischer Bruch und seine politische Überwindung in der zeitgenössischen Berichterstattung und in der späteren Chronistik dargestellt und bewertet? Tragen Interregna und ihre Beendigung durch die Anerkennung einer neuen Dynastie zum „Landesbewusstsein“ bei? Welche Bedeutung kommt dynastischen Brüchen und den ihnen folgenden Neuordnungen für die Verdichtung von Herrschaft in Räumen (Territorien) zu?
(3) Haben kirchenrechtliche Normen und Praktiken zur Gestaltung und Beendigung einer Sedisvakanz Einfluss auf die Lösung von Interregna gehabt?

Programm

Donnerstag/Thursday, 24. November 2016

Eröffnung/Introduction

18.00 h – 18.30 h Norbert Kersken (Marburg)/ Stefan Tebruck (Gießen): Begrüßung und Einführung/Introduction

18.30 h – 19.30 h Thomas Zotz (Freiburg)
Impulsreferat/Opening Paper

Freitag/Friday, 25. November 2016

Sektion I/Section I: Interregna im Reich / Interregna in the Roman-German Empire

Moderation/Chair: Mathias Kälble (Dresden)

9.00 h – 10.00 h Ingrid Würth (Halle):
Das Interregnum im Reich und das Königtum Wilhelms von Holland (1247-1256)

10.00 h – 11.00 h Roman Zehetmayer (Wien/St. Pölten):
Das sogenannte österreichische Interregnum: Von den Babenbergern zu den Habsburgern

11.00 h – 11.30 h Kaffeepause/Coffee

11.30 h – 12.30 h Mario Müller (Hildesheim):
Interregna und Herrscherwechsel im Kurfürstentum Brandenburg unter den Wittelsbachern, Luxemburgern und Hohenzollern (1320-1415)

12.30 h – 13.30 h Mittagspause/Lunch

13.30 h – 14.30 h Norbert Kersken (Marburg):
Pommerellen zwischen Brandenburg, Polen und dem Ordensstaat (1294-1319)

Sektion II/Section II: Die Königreiche Polen, Ungarn, Böhmen und Portugal / The Kingdoms of Poland, Hungary, Bohemia and Portugal

Moderation/Chair: Christine Reinle (Gießen)

14.30 h – 15.30 h Rita Costa Gomes (Towson University, Maryland, USA):
Visions of ‘common good’: The Interregnum of 1383-1385 in the Portuguese Chronicles of Fernão Lopes

15.30 h – 16.00 h Kaffeepause/Coffee

16.00 h – 17.00 h Martin Wihoda (Brno):
Dynastiewechsel in Böhmen: Zwischen den althergebrachten Gewohnheiten und einem neuen Anfang

17.00 h – 18.00 h Andrzej Marzec (Kraków):
Unter der Herrschaft des abwesenden Königs. Das Königreich Polen in den Jahren 1370-1385

18.00 h – 18.30 h Kaffeepause/Coffee

18.30 h – 19.30 h Julia Burkhardt (Heidelberg):
Ungarn zwischen Arpaden und Anjou (1301-1308)

Samstag/Saturday, 26. November 2016

Sektion III/Section III: Kirchliche Sedisvakanzen / Papal and Episcopal Transition

Moderation/Chair: Norbert Kersken (Marburg)

9.00 h – 10.00 h Andreas Fischer (Wien):
Ecclesia acephala, Patrimonium ohne Papst. Die Vakanzen des Apostolischen Stuhls im 13. und 14. Jahrhundert

10.00 h – 11.00 h Stefan Petersen (Würzburg):
Der Dynastiewechsel von 1125 als Problem für die Reichskirche: Die Sedisvakanz im Bistum Würzburg (1122-1128)

11.00 h – 11.30 h Kaffeepause/Coffee

Abschluss der Tagung/Conclusion

11.30 h Stefan Tebruck (Gießen):
Zusammenfassung/ Conclusion
12.00 h Abschlussdiskussion/Final Discussion
13.00 h Ende der Tagung/End of the Conference

Kontakt

Norbert Kersken

Herder-Instituts für historische Ostmitteleuropaforschung – Institut der Leibniz-Gemeinschaft

06421-184119

norbert.kersken@herder-institut.de

http://www.herder-institut.de/aktuelles/detailansicht/calendar/event/termin/2016/11/24.html?tx_cal_controller[uid]=15274&cHash=6f5fecaad6ce5bc66f881de06535121c
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