Schriften zur Ökonomik definieren ein weitverbreitetes Genre frühneuzeitlicher Unterweisungsliteratur, deren Erfolg auf dem Versprechen basiert, ein Wissen zu vermitteln, das den Lesern die rechte Führung der Hauswirtschaft und der Familie ermöglicht. Bezugspunkt sämtlicher Diskurse ist dabei das Haus, an dessen Status als unverzichtbarem Ordnungsraum des irdischen Lebens die Schriften keinen Zweifel lassen. Das zugehörige ökonomische Wissen bezieht seine – dem Anspruch nach – kontinuierliche Geltung seinerseits aus genau jener Stabilität, die dem Haus als Institution des ordo zugeschrieben wird. Über Generationen hinweg, so will es ein in den Texten tradierter Topos, werden die ökonomischen Lehren innerhalb des Hauses, vom Vater an den Sohn, weitergegeben.
Nicht zuletzt aufgrund dieser selbstgegebenen Stabilitätsanmutung wurde die frühneuzeitliche Ökonomie‐Literatur in der Forschung bisher häufig als etwas rezipiert, das sich von der Antike bis in die Frühe Neuzeit in seinen Grundzügen nur wenig verändert habe. Bei stärkerer Beachtung der textuellen Faktur ergibt sich jedoch ein differenzierteres Bild: In den oberflächlich stabil wirkenden ökonomischen Wissensbeständen kommt es durchaus zu Veränderungen und Verschiebungen, und zwar auch dann, wenn die Tradition scheinbar nur bestätigend aufgegriffen wird. Als entsprechend vielschichtig und wandelbar erweist sich vor diesem Hintergrund das Verhältnis der Ökonomie‐Literatur zu verschiedenen Wissenstraditionen: Nicht nur wird das einer christlich‐aristotelischen oeconomia‐Tradition entstammende Wissen in den Texten iteriert und in der Iteration – qua nicht‐identische Wiederholung, die im und durch den Akt des Wiederholens immer schon, auch unintendiert, Neues hervorbringt – transformiert. Hinzu kommt, dass auch Bestände eines frühneuzeitlichen Erfahrungs‐ und Handlungswissens integriert werden, dessen Status im Spannungsfeld der bereits aristotelischen Opposition von episteme und phronesis Aushandlungsprozessen unterliegt, die sich auch in den Texten selbst spiegeln.
Die Tagung geht von der Grundannahme aus, dass die Frage nach dem Status und der Funktion ökonomischen Wissens der Frühen Neuzeit von jener nach den Verfahren seiner Diskursivierung nicht zu trennen ist. So bestehen schon zwischen den beiden typischen Präsentationsweisen der oeconomia im theoretischen Diskurs, der Traktat‐ und der Dialogform, signifikante Unterschiede. Auch rücken Aspekte der Diskursivierung dort in den Vordergrund, wo ökonomisches Wissen außerhalb des theoretischen Diskurses, also etwa in Komödien, Romanen oder satirischen Texten, verhandelt wird.
Da das ökonomische Wissen der Frühen Neuzeit sowohl in raum‐zeitlichen Transfers – von der Antike bis zur Frühen Neuzeit sowie zwischen verschiedenen Kulturräumen –, als auch beim Wechsel von Medien und Diskursen in Bewegung kommt, ist die Tagung interdisziplinär angelegt: Sie versucht literatur‐ und wissensgeschichtliche Perspektiven zusammenzuführen, um den diskursiven, medialen und materiellen sowie sozialen, politischen, religiösen, regionalen und genderspezifischen Bedingtheiten des Transfers angemessen Rechnung zu tragen. Anhand der Analyse exemplarischer Texte aus den Ländern der Romania, Englands und dem deutschsprachigen Raum zielt die Tagung zum einen auf eine Präzisierung der verschiedenen Arten von Wissen, die in den ökonomischen Schriften verhandelt werden (Handlungs‐ und Erfahrungswissen/experientia, Kenntnis der auctores/doctrina u.a.), zum anderen auf die Untersuchung unterschiedlicher Formen von Wissenstransfer, die sich – unter Rückbindung an die jeweiligen lebensweltlichen Gegebenheiten – in den Diskursivierungsstrategien der Texte ausmachen lassen.