„Zwischen Kontexten“ – Forschungen im Zeitalter der Digitalisierung zu deutschsprachigen Medien und Journalismus in Südosteuropa vor und nach 1918

„Zwischen Kontexten“ – Forschungen im Zeitalter der Digitalisierung zu deutschsprachigen Medien und Journalismus in Südosteuropa vor und nach 1918

Veranstalter
Universität Tübingen, Institut für osteuropäische Geschichte und Landeskunde, Juniorprofessur Geschichte und Kultur des südöstlichen Europa; Österreich-Bibliothek Sarajevo
Veranstaltungsort
Nacionalna i univerzitetska biblioteka Bosne i Hercegovine
Ort
Sarajevo
Land
Bosnia-Herzegowina
Vom - Bis
09.01.2017 - 09.01.2017
Von
Prof. Dr. Carl Bethke

Diese aus einem Projekt des Instituts für osteuropäische Geschichte an der Universität Tübingen (Prof. Dr. Carl Bethke) hervorgehende Tagung präsentiert wissenschaftliche Arbeiten, die deutschsprachige Pressemedien für historisch-inhaltsanalytisch orientierte Forschungen nutzen. Ausgehend von Ergebnissen bezüglich der in Sarajevo erschienenen Zeitung „Bosnische Post“ (1884-1918), versammelt die Tagung Historiker, Kulturwissenschaftler und Bibliothekspezialisten, um ihre Projekte vorzustellen, Spezifika des Arbeitens mit solchen Quellenbeständen zu diskutieren und um sich über Perspektiven der Digitalisierung zu informieren.
Historische deutschsprachige Zeitungen aus den Ländern Ost- und Südosteuropas bilden wichtige Quellen für die Erforschung transnationaler Verflechtungen. In ihnen spiegelt sich interkulturelles Zusammentreffen ebenso, wie der Transfer von Wissen, Kapital und auch von Waren und Geschmack. Insbesondere gilt dies für das Leben in Städten des späten Habsburgerreiches, einschließlich seiner südöstlichen Grenzräume, in denen deutsche Muttersprachler eine beachtliche Minderheit der Stadtbevölkerung darstellten. Sowohl in Osijek, als auch in Pécs und Sarajevo waren um 1900 deutschsprachige Einwohner ein beachtlicher Teil der städtischen Bürgerschaft.
Dennoch sah sich keine der vorgestellten Zeitungen ausschließlich als Organ einer deutschen Minderheit im Sinne späterer Jahrzehnte. Vielmehr handelte es sich um ‚bürgerliche‘ Zeitungen, mit unterschiedlichen und sich wandelnden politischen Profilen. Inhaltlich überwogen imperiale, zum Teil aber auch pro-kroatische, pro-ungarische und später politisch-katholische Identifikationen. Dies korrespondierte mit einer zum Teil nichtdeutschen Leserschaft, da die deutsche Sprache in bestimmten Teilen des gesellschaftlichen Lebens der Region die Funktion einer lingua franca innehatte. Zugleich spiegelte sich darin eine politische Assimilation der deutschen Minderheit. Konfessionell waren zudem viele Journalisten dieser Zeitungen jüdischer Herkunft, was dem relevanten Anteil der Juden an der deutschsprachigen Bevölkerung dieser Städte entsprach.
Die Vorträge der Tagung dokumentieren unterschiedliche Dimensionen der symbolischen Teilhabe und auch den erweiterten Zugang zu Informationen für das lesende Publikum. Manche dieser Zeitungen funktionierten nur zeitweise und eröffneten wie ‚Schaufenster‘ Horizonte für die Leserschaft. Ebenso repräsentierten sie stets auch Machtbeziehungen, nicht nur in sozialer Hinsicht, sondern auch als Vermittler zwischen Metropolen und Provinzen. Prozesse der Peripherisierung lassen sich an ihren Artikeln erkennen und nachvollziehen. Im bis 1878 osmanisch geprägten Bosnien lagen ungewöhnliche Bedingungen vor. Dies zeigt sich besonders in allgegenwärtigen Diskursen und Konzepten während der Hochphase des europäischen Imperialismus und Kolonialismus.
Der Workshop lädt die Teilnehmer ein, Ergebnisse und laufende Projekte im regionalen und europäischen Rahmen zu vergleichen und zu kontextualisieren. Für eine Bewertung der deutschsprachigen Presse der Region, als Quelle für historische, germanistische und kulturwissenschaftliche Forschung, sollen anhand von Fallstudien aus Bosnien, Kroatien, Österreich und Ungarn, theoretische Konzepte und gangbare methodische Zugänge vorgestellt und diskutiert werden. Zudem gilt es, sich bei Vertretern von Museen und Bibliotheken zu informieren und sich mit ihnen über die Aussichten und Ergebnisse der Digitalisierung auszutauschen. Gegenwärtig erwägt die National- und Universitätsbibliothek Sarajevo, auch die Bosnische Post in dieses Digitalisierungsprojekt einzubinden. Für die Forscher stellt dieser epochale Umbruch der technischen Rahmenbedingungen eine doppelte Herausforderung dar. Einerseits wird die Verfügbarkeit von Informationen revolutionär erweitert oder ‚neu erfunden‘, was unsichtbare Verflechtungen erschließen lässt und neue Forschungsfelder definiert. Anderseits gilt es, den Umgang mit der Masse von Informationen zu reflektieren und sich darüber austauschen. Dieser Austausch kann Themen über praktikable Strategien des Filterns und Sortierens in Forschungsprozess und wissenschaftlicher Arbeit beinhalten.
Die vier Panels der Tagung widmen sich mit unterschiedlichen regionalen und zeitlichen Schwerpunkten, und aus verschiedenen disziplinären Perspektiven der Aufbereitung und Auswertung von historischen Printmedien, einschließlich auch bibliothekarischer bzw. technischer und informationeller Aspekte. Ausdrücklich eingeschlossen sind dabei interkulturelle Beziehungen, und der Blick der ‚Nachbarn‘, also Studien zum Bild deutschsprachiger Bevölkerungsteile und der deutschsprachigen Zeitungen in der südslawischen Presse. Des Weiteren fragt die Tagung auch nach dem Stellenwert und den Dimensionen des Umbruchs 1918 in den regionalen städtischen Lebenswelten. Arbeiten zur späten K.u.k-Zeit werden ebenso vorgestellt wie Studien zu Entwicklungen in den ersten Nachkriegsjahren.
Die Tagung findet am Montag, den 09. Januar 2017 von 9.30 bis 18.30 an der National- und Universitätsbibliothek Bosniens und Herzegowinas (Zmaja od Bosne 8b, Univerzitetski kampus, 71000 Sarajevo; www.nub.ba) statt. Pro Präsentation sind in etwa 20 Minuten Vortragszeit und 5-10 Minuten für Diskussion vorgesehen. Als Vortragssprache ist Deutsch erwünscht, alternativ ist auch Englisch möglich.

Programm

9:15: Eröffnung durch Direktor Ismet Ovčina,
Prof. Vahidin Preljević, Prof. Carl Bethke
und Florian Haderer

9.30 – 11.00
Panel 1: Bosnische Post –
Forschungen und Projekte
Carl Bethke (Tübingen):
„Bosnische Post“ und das „Sarajevoer Tagblatt“ -
Geschichte zweier Zeitungen aus Bosnien in deutscher
Sprache
Mary Sparks (London):
Getting Inside the City: Using German-Language
Publications to Explore the Urban History of Sarajevo in
the Austro-Hungarian Period
Florian Haderer (Wien/Sarajevo) / Stephan Kurz
(Wien/ Zagreb):
Kulturwissenschaftliche Digitalisierung: Das Beispiel
„Bosnische Post“ und Milena Mrazović-Preindlsperger

11.00 – 11.30 Kaffepause

11.30 – 13.00
Panel 2: Die Presse in Bosnien und Herzegowina am
Beginn des 20. Jahrhunderts- Interkulturelle
Bezüge und der Blick auf die „Anderen“
Vahidin Preljević (Sarajevo):
Die bosnische Kulturzeitschrift „Nada“ im Verhältnis zu
Wiener Literatur- und Kulturzeitschriften der
Jahrhundertwende
Alma Čović-Filipović (Sarajevo):
Denkmuster im medialen Diskurs über das Attentat von
Sarajevo - methodische Möglichkeiten und Grenzen
Enes Omerovic (Sarajevo):
Kuferaši u sarajevskoj štampi 1918/1919. godine

13.00 – 14.00 Mittagspause

14.00 – 15.30
Panel 3: Deutschsprachige Zeitungen in Kroatien
und Ungarn
Mate Eichenseher (Tübingen):
Die Lokalpresse von Pécs während des
Bergarbeiterstreiks von 1882. Eine diskursanalytische
Annäherung an einen Integrationsprozess
Stephanie Jug (Osijek):
Gesellschaftlicher Aktivismus in Osijeker Zeitungen - die
journalistische Tätigkeit Jelica Belović Bernadzikowskas
Matthäus Wehowski (Tübingen):
„Wir müssen wieder Christen werden“ - Die Darstellung
(deutsch-)katholischer Feiern Slawoniens in der
Christlichen Volkszeitung (1923-1924)

15.30 – 16.00 Kaffepause

16.00 – 17.30
Panel 4: Bibliographische Bestände und
Perspektiven der Digitalisierung
Claudia Resch (Wien):
Das Wien[n]erische Diarium als digitaler Datenschatz
Ivana Dautović (Sarajevo):
Historische Zeitungsbestände des Landesmuseums
Sarajevo
Anja Mastilović (Sarajevo):
Das Digitalisierungsprojekt „Bosnische Post“ der
National- und Universitätsbibliothek

Kontakt

Carl Bethke

Mohlstraße 18 72074 Tübingen

carl.bethke@uni-tuebingen.de

http://www.idglbw.de/de/forschung-und-lehre/bkmjuniorprofessur
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Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
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