Die Tagung hat das Ziel, unter Mitwirkung von Archivaren der betroffenen Bundesländer, sowohl eine historiographische Bilanz zu ziehen, als auch die in Deutschland und Frankreich verfügbaren, unveröffentlichten oder bisher außer Acht gelassenen Quellen zu präsentieren und mögliche neue Fragestellungen und Forschungsfelder zu bestimmen. Die Analyse von Theorie und Praxis der Entnazifizierungspolitik in der Französischen Besatzungszone soll in einem komparativen Verfahren (britische, amerikanische und russische Quellen) geschehen um etwaige Besonderheiten herauszuarbeiten.
Die Vorträge sollten die juristischen Bedingungen und Funktionsweisen der mit der Entnazifizierung beauftragten Jurisdiktion und Bürokratie untersuchen, doch besteht auch die Möglichkeit zu Fallstudien, basierend auf den Aussagen von Betroffenen und Zeitzeugen sowie der Aktenüberlieferung, um die französische Entnazifizierungspolitik zu veranschaulichen, bevor die Entscheidung den Spruchkammern der neuen Bundesrepublik übergeben wurde. Abgesehen von diesen individuellen Fällen, liegt daher ein weiterer Schwerpunkt der Tagung auf dem Aufbau und der Rekrutierungspraxis der deutschen Nachkriegsadministration. Die Tagung versteht sich auch als Beitrag zur Sozialgeschichte der entstehenden westdeutschen Demokratie. Die Entnazifizierung, die die gesamte Gesellschaft betraf, war Aufgabe der deutschen Verwaltung, die zwar Amtsenthebungen anstrengte, zugleich aber auch die Reintegration von Funktionären und deren Rechte in der Bundesrepublik frühzeitig garantierte, die unabkömmlich für den Wiederaufbau des Landes schienen.
Die Tagung bietet die Gelegenheit, die in den letzten Jahren von verschiedenen deutschen Ministerien in Auftrag gegebenen Untersuchungen vorzustellen. An Hand der Ergebnisse und nicht zuletzt des Vergleich zwischen der Praxis in der jungen Bundesrepublik und der DDR sollen die Möglichkeiten und Grenzen einer umfassenden administrativen Säuberung nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in beiden deutschen Staaten der französischen Öffentlichkeit vorgestellt und diskutiert werden.
Die Tagung knüpft an die 2015/2016 vom AlliertenMuseum Berlin gezeigte Ausstellung »Who was a Nazi? Entnazifizierung in Deutschland nach 1945« an, bei der die Frage nach dem Beginn unter den Alliierten und der Weiterführung der Entnazifizierung durch die junge Bundesrepublik sowie die Reaktion der deutschen Öffentlichkeit auf diesen Prozess im Zentrum stand.
Wissenschaftlicher Beirat der Tagung:
Sébastien Chauffour (Archives diplomatiques de la Courneuve), Corine Defrance (CNRS, Labex EHNE), Stefan Martens (DHIP), Hélène Miard-Delacroix (Paris-Sorbonne, LabEx EHNE), Isabelle Nathan (Archives diplomatiques de la Courneuve), Marie-Bénédicte Vincent (Institut d’histoire moderne et contemporaine ENS)
Sprachen: Französisch, Deutsch, Englisch
Vorschläge mit Titel und Zusammenfassung des Vortrags im Umfang von 1500 Zeichen sowie Name, Titel, Institution und wissenschaftliche Arbeiten des Autors bitte bis zum 30. September 2017 zu richten an: colloque-international@dhi-paris.fr