Nachdem der erste Workshop des von der DFG geförderten Wissenschaftlichen Netzwerks "Lutherische Orthodoxie revisited. Konfessionelle Muster zwischen Identitätsverpflichtung und 'Weltoffenheit'" sich noch einmal kritisch mit der Verwendung des Begriffs 'lutherische Orthodoxie' als heuristische Kategorie auseinandergesetzt und die Frage nach dem Zugriff auf diese Konfession kontrovers diskutiert hat, widmet sich der zweite Workshop nunmehr dem Themenfeld "Lebenswelt und (materielle) Kultur".
Ausgehend von der Überzeugung, dass ein Kunstwerk keine bloße Übersetzung, sondern ein Werk eigener Art ist, geht es hierbei vor allem um die Frage nach dem Zusammenhang von Kunst und Konfession. Dieser Zusammenhang erscheint gegenwärtig umso fragwürdiger, als die Forschung in den letzten Jahren wiederholt herausgearbeitet hat, dass eine klare konfessionelle Zuordnung von Kunstwerken oft schwierig, wenn nicht gar unmöglich ist.
Im Mittelpunkt des Workshops soll daher die gewichtige Frage stehen, ob es so etwas wie 'lutherische' Kunst, Musik und Architektur überhaupt gegeben hat und wenn ja, welche Spezifika sich hierbei im Blick auf die anderen Konfessionen feststellen lassen. Es soll untersucht werden, ob man beim Luthertum von einem 'dritten Weg' zwischen Katholizismus und Calvinismus oder auch Spiritualismus sprechen kann, also von einem Weg, der sich zum einen durch die Bewahrung gewisser katholischer Traditionen auszeichnet, etwa in der Kirchenausstattung, dem Gebrauch der Orgel im Gottesdienst, der Musikkomposition, und zum anderen durch die Beurteilung von Kunst und Musik als Adiaphora, die damit keinem grundsätzlichen Verdikt unterliegen.
Genauer ergeben sich die folgenden Problemfelder:
1. Die Frage nach der zeitgenössischen Wahrnehmung bzw. konfessionellen Verortung von Kunst, Musik und Architektur: Welche Artefakte und Zeichenkonstellationen wurden von welchen Zeitgenossen und in welchen historischen und konfessionellen Konstellationen als 'lutherisch' kategorisiert? Lassen sich Prozesse beobachten, in denen die konfessionelle Verortung von Artefakten 'ausgehandelt' wurde?
2. Die Frage nach den Wechselwirkungen: Wie schlägt sich die Kategorie 'Luthertum' in Artefakten nieder und wie wirken diese umgekehrt auf die Vorstellung vom Luthertum zurück?
3. Die Frage nach dem zeitgenössischen Gebrauch von Kunst, Musik und Architektur in als lutherisch markierten Kontexten: Was wurde von Lutheranern bzw. in lutherischen Kontexten verwendet? Gibt es gemeinsame Merkmale und wenn ja, welche?
4. Die Frage nach der Deutungspraxis: Wie weisen wir Objekten bzw. Zeichen eine konfessionelle Bedeutung zu und worauf stützen wir uns dabei? – Auf Texte, auf die Konfession der Künstler oder die der Auftraggeber, auf den Präsentationskontext oder auf den usuellen Gebrauch der Artefakte bzw. Zeichen? Wie gehen wir mit Artefakten um, zu denen sich keine Rezeptionszeugnisse erhalten haben?
5. Die Frage nach dem Zusammenhang von Kirche, Kunst und Geld: Wie wurden Kirchengemeinden und -gebäude finanziert? Wie wurden Pastoren besoldet und das Armenwesen finanziert? Welchen Anteil an den Einnahmen hatten Kirchensteuern, freiwillige Gaben, Stiftungen und der Verkauf von Grabstellen an der Gesamtfinanzierung, und welche Ausgaben trugen Obrigkeit und Patrone? Wer finanzierte die Kunst und das Kunsthandwerk in Kirchen? Welche Absichten hatten sie mit ihren Schenkungen?
Gäste sind herzlich willkommen. Eine vorherige Anmeldung ist jedoch bis zum 15.9.17 unter sascha.salatowsky@uni-erfurt.de erforderlich. Es wird eine Kostenpauschale für die Pausenverpflegung je nach Länge der Teilnahme erhoben. Eine Teilnahme am Ausflug nach Lübeck ist ebenfalls nur nach persönlicher Abstimmung möglich. Vor Ort steht Elena Tolstichin (Tel.: +49 (0)40 42838 6149; E-Mail: elena.tolstichin@uni-hamburg.de) als Ansprechpartnerin zur Verfügung.