Der Tagungstitel Kontinuitäten und Diskontinuitäten – Vom Wandel der diplomatischen Praxis weist mit dem Zeitraum 1814/15 bis 1946 sowohl auf Bestehendes als auch Veränderndes hin. Während der Wiener Kongress von 1814/15 noch neun Monate dauerte und seinen festiven Charakter nicht leugnen konnte („der Kongress tanzt, aber er kommt nicht vorwärts”), wurde beispielsweise der Berliner Kongress von 1878 innerhalb einer Woche abgewickelt, dank der straffen Planung und der vorher getroffenen (Geheim-)Absprachen in London. In Berlin, wo Englisch erstmalig als Kongresssprache verwendet und das letzte Mal über nur europäische Probleme verhandelt wurde, kündigte sich bereits der Wandel am diplomatischen Parkett an, der sich im 20. Jahrhundert, vor allem durch die Umbrüche des Ersten und Zweiten Weltkrieges verstärken sollte.
Im Rahmen der wissenschaftlichen Tagung soll u.a. untersucht werden, ob sich die 1815 beschlossenen diplomatischen Ränge im 20. Jahrhundert bewährt haben; wie die protokollarische Rangordnung im diplomatischen Protokoll jeweils gehandhabt wurde; welche gesellschaftlichen Eliten jeweils den diplomatischen Dienst dominierten bzw. ob es hier Kontinuitäten gab, die die politischen Umwälzungen überstanden; wie maßgebliche AkteurInnen auf die sich ändernden Handlungsspielräume infolge politischer Umwälzungen (re-)agierten; welchen Status und Wahrnehmung weibliche Diplomatinnen nach 1918 innerhalb des Diplomatischen Corps genossen; welchen Einfluss Diplomatinnen auf die diplomatische Praxis (u.a. die Gestaltung der diplomatischen Rahmenprogramme) ausübten. Das Ziel der Tagung ist es, NachwuchswissenschaftlerInnen eine Möglichkeit zu bieten, über die Diplomatie und deren Wandel im spannenden Zeitraum von 1814/15 bis 1946 zu reflektieren.